Rosemarie Büttner-Tietze und Ernst-Günther Tietze

   

Wie wir zueinander fanden

Das Entstehen einer wundervollen Gemeinschaft

 

 

 

2. Juli 2004  Auf der "Viking Rhone" bei Avignon

 


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20. 9. 2002
Rosemarie:
Allmählich wird mir klar, dass ich in einem Jahr Rentnerin sein werde. Bisher habe ich durch den Beruf mein alleine sein kaum bemerkt. Doch wie soll es dann weiter gehen? Im Internet-Forum für Senioren, wo man sich nur mit Pseudonymen kennt, schalte ich abends ein Inserat:

Ich suche einen lieben Partner, ab 62/1.75/NR, der zu mir passt, mit dem ich Pferde stehlen kann und für den ich die Richtige bin, auch wenn der Weg noch so weit ist. Mehr steht in meiner Visitenkarte. löwin1  

Meine Visitenkarte:
Beruf Buchhändlerin, Wohnort Dresden, Jahrgang 1938, 1 Kind, 1 Enkel  
Motto: Sage nie nie; Hobbies: Natur und Kultur

Ernst-Günther
Fünfzehn Monate nach dem Tod meiner Frau Karin wird mir immer klarer, dass ich wieder mit einer Frau zusammen leben will, die ich lieben kann und die mir ihre Liebe schenkt. Zum ersten Mal schaue ich in das Partnerangebot „Späte Liebe“ des Forum und springe elektrisiert auf, als ich das erste, ganz frisch eingesetzte Inserat auf dem Monitor lese. Da sucht eine Frau einen lieben Partner zum „Pferde stehlen“ und offenbart dabei ihr ganzes Wesen in der kurzen und prägnanten Vorstellung des gesuchten Mannes. Wie Glockenklang weckt der Text die Erinnerung an Karin, die ich nach aufregenden Erlebnissen immer wieder gelobt habe, man könne Pferde mit ihr stehlen.
Dresden liebe ich und der Beruf der Löwin zeugt von Geist und Kultur. Diese Frau will ich näher kennen lernen, sie könnte für mich „die Richtige“ sein. Schnell schicke ich eine höfliche aber ebenso nüchterne interne Mail an sie:

Hallo, loewin1,
Ihr Inserat in der späten Liebe interessiert mich. Schauen Sie doch mal auf meine Visitenkarte und in meine Webseite, ob das Interesse auf Gegenseitigkeit beruht. Ich bin gespannt. Gruß, fyps  

Dann kann ich lange nicht einschlafen. Würde ich jetzt zum dritten Mal im Leben eine Frau finden, der ich meine ganze Liebe schenken kann und die mich mit ihrer Liebe glücklich macht?

Rosemarie:
Noch am selben Abend lese ich die Antwort. Auch mich reizt die Nüchternheit und ich schaue interessiert in die Webseite. Zwar stört mich die umfangreiche Selbstdarstellung, doch die liebevolle Schilderung seiner langen Ehe rührt mich an. Noch in der Nacht schicke ich ihm eine Mail über das Forum:

20. 9. 2002  Hallo Fyps,
Dank für Ihre Zeilen im Forum. Ich habe Ihre Visitenkarte und Ihre Webseite mit Interesse gelesen. Es hat mich sehr bewegt. Aber ich kann einem so bewegten Leben nichts entgegensetzen. Ich bin seit 20 Jahren allein und habe meinen Sohn auf eigenen Wunsch allein großgezogen (es musste sein). Ich war immer beruflich tätig, und bin heute verantwortlich für die Fachbibliothek eines Fraunhofer-Institutes in Dresden.
Auch bei mir gab es Höhen und Tiefen, aber sie sind anders gelagert. Was uns ähnlich ist, ist die Liebe zur Musik. Ich habe von Kind an gesungen. Vom 10. Lebensjahr an klassische Kirchenmusik, später war ich 39 Jahre im Sinfoniechor Dresden, dem Extrachor der Semperoper aktiv. Ansonsten bin ich ein ganz normaler Mensch mit Widersprüchen. Da ich ehemaliger DDR-Bürger bin, muss ich nicht erklären, warum ich nicht viel von der schönen Welt gesehen habe.
Mein Sohn ist verheiratet, und dazu gehört, bis jetzt, 1 Enkel (2 Jahre), der mich jung und fit hält. Aber selbst, wenn ich im nächsten Jahr das aktive Berufsleben verlasse, werde ich mich nicht langweilen. Erstens kann ich das gar nicht, und zweiten lässt das eine so interessante Stadt wie Dresden auch nicht zu. Nun schließe ich erst einmal und bin gespannt, ob Sie meine Zeilen etwas unterhalten haben. Ihnen ein schönes Wochenende,
Gruß Loewin 1

Ernst-Günther
Sie hat geantwortet! Ich freue mich riesig. Lange bastele ich an einer passenden Antwort, mit der ich sie für mich gewinnen will und schicke sie wieder über das Mailsystem des Forum:

21. 9. 2002  Hallo, liebe Löwin,
herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Unterhalten, wie Sie schreiben, sollten ihre Zeilen mich wohl gar nicht, ich kann eher sagen, dass sie mich angerührt haben.
Sicher habe ich, nein haben meine Frau und ich ein abwechslungsreiches Leben geführt, doch das ist nun leider vorbei, und sie hat an ihren letzten Tagen, als wir beide genau wussten, dass das Ende nahe ist, zu mir gesagt: „Mach dir noch ein schönes Leben“. Ich bin dabei, das zu versuchen.
Dass Sie diesem Leben nichts entgegen setzen können, glaube ich nicht. Ich hatte verwandtschaftliche Verbindungen in die DDR und weiß einiges über das Leben dort, das viel schwieriger war als bei uns. Dafür, dass Sie Ihren Sohn alleine erzogen haben, gebührt Ihnen eine hohe Achtung. Und im Übrigen muss unser bisheriges Leben doch nicht vergleichbar sein. Wichtig ist das, was vor uns liegt.
Wir sind in der Tat viel gereist und ich will auch weiterhin noch viel von der Welt sehen. Aber ich habe gemerkt, dass das Reisen alleine sehr viel trister ist, als wenn man mit jemandem unterwegs ist, dem man immer wieder etwas Schönes zeigen oder Interessantes erzählen kann. Es gibt so viele schöne Stellen, die ich gerne noch einmal sehen und jemandem zeigen möchte, der sie noch nicht gesehen hat und sich daran begeistern kann.
Ich höre zwar gerne klassische Musik, bin aber selber nicht sehr musikalisch, z. B. kann ich gar keine Noten lesen. Als junger Pfadfinderführer habe ich Akkorde auf der Gitarre gezupft zur Begleitung unserer Volks- und Fahrtenlieder. Aber dem, was Sie von sich schreiben, habe ich nichts entgegen zu setzen.
Wir waren im Herbst 1990 zum ersten Mal in Ihrer schönen Stadt und ich habe sie sofort lieben gelernt. Für mich ist sie neben Nürnberg die schönste Stadt Deutschlands. Auch die wunderschöne Semper-Oper habe ich genossen. Ich hoffe nur, dass die Schäden der Flut möglichst schnell beseitigt werden können.
Wie sind Sie zu dem Pseudonym „Löwin“ gekommen? Ist das eine Idealvorstellung oder sind Sie wirklich so gefährlich?
Ich würde mich über eine Antwort freuen, denn so weit ist der Weg zwischen Dresden und Hamburg gar nicht, und Pferde stehle ich auch immer noch gerne, auch wenn ich schon 71 Jahre alt bin. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag und grüße Sie herzlich,
Ernst-Günther

Als am 22. noch keine Antwort da ist, zweifle ich an der Zuverlässigkeit des Forum-Mailsystems und teile ihr kurz mit, dass ich ihr eine lange Mail geschickt habe.
Abends finde ich in meiner normalen Mailbox eine kurze Mitteilung von Rosemarie Büttner, dass sie meinen Brief nicht bekommen habe. Meine Vorsicht war berechtigt gewesen. Sofort schicke ich den langen Brief noch einmal ab, diesmal an ihre normale Mail-Adresse. Schade, auf diese Weise ist mehr als ein Tag zwischen uns verloren gegangen. Doch in ihrer Adresse steht ihr Name. Im Internet-Telefonbuch finde ich ihre Anschrift und Telefonnummer und dadurch aus dem Stadtplan die Gegend, in der sie wohnt. Einen Moment überlege ich, sie anzurufen, damit sie meine Mail noch heute lesen kann, aber dafür sind wir uns noch zu fremd. Stets habe ich meine Frauen mit großer Behutsamkeit gewonnen, das ist wichtiger als ein verlorener Tag.

22. 9. 2002  Hallo, lieber Fyps,
ich habe Ihre Zeilen zweimal gelesen. Sie haben so viel von sich geschrieben, da fällt mir von meiner Wenigkeit gar nicht recht was ein. …
Also, mein Pseudonym ist mein Sternbild. Außerdem liebe ich Löwen sehr. Nicht weil sie gefährlich sind, sondern weil sie so stolz wirken, ohne arrogant zu sein. Das haben sie uns Menschen oft voraus. Und bei Löwinnen fasziniert mich die unendliche Mutterliebe, irgendwie sind sie mir wesensnah.
Ja Reisen. Um ehrlich zu sein, ich war bisher ein Reisemuffel. Das ist aber erklärbar. Erstens komme ich aus der DDR und zweitens, ich bin da sehr ehrlich, Reisen kostet Geld. Im Moment fehlt mir auch noch die Zeit zum Reisen, aber, ich zähle schon die Monate bis zu meinem 65.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenanfang. Herzliche
Grüße, Rosemarie

23. 9. 2002  Hallo, liebe Rosemarie,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort, ich hatte gestern Abend gar nicht mehr damit gerechnet. Es war gut, dass Sie mich direkt angemailt haben, so konnte ich meinen nicht angekommenen Schrieb einfach kopieren und als Antwort schicken.
Die Erklärung Ihres Pseudonyms gefällt mir. Auch ich sehe mich einem Tier verwandt, dem Wolf. Als junger Mensch habe ich begeistert Hesses Steppenwolf gelesen und mich immer wieder als solcher gesehen. Meine Frau war bisher der einzige Mensch, der mich zähmen konnte, ich hoffe, es bleibt nicht dabei.
Ja, Reisen ist etwas Herrliches, aber alleine eben doch unbefriedigend. Vielleicht ergibt sich einmal die Gelegenheit, Ihnen einige schöne Stellen auf unserer Erde zu zeigen oder gemeinsam Schönes neu zu entdecken.
Warum stellen Sie Ihr Licht derart unter den Scheffel, indem Sie von Ihrer „Wenigkeit“ schreiben? Sie haben als Bibliothekarin eine Ausbildung und Stellung, vor der ich den Hut ziehe, denn sie hängt mit Büchern zusammen, die mir sehr viel bedeuten. Und Sie haben offensichtlich den schwierigen Wechsel von der staatlichen Bevormundung in der DDR zur jetzt notwendigen selbst verantwortlichen Persönlichkeit gut bewältigt, viel besser als manche Ihrer Landsleute. Sie haben alleine Ihren Sohn groß gezogen, der ja wohl auch etwas darstellt. Ich denke, Sie können stolz auf sich sein.
So, nun werde ich erst einmal schließen, vielleicht bekommen Sie die Mail ja noch heute. Ich habe so viel geschrieben, dass manches sicher unüberlegt ist, entschuldigen Sie das bitte.
Herzliche Grüße, und ich freue mich auf Ihre Antwort, Ernst-Günther

23. 9. 2002 Hallo, lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre eben angekommene Mail.
Ja, Schnelligkeit ist keine Hexerei! Wenn ich eine Mail von Ihnen bekomme, versuche ich, so schnell wie möglich zu antworten, weil mir vieles einfällt, aber dann einfach wieder entfällt. ... Ich muss noch etwas klarstellen: Ich arbeite zwar als Bibliothekarin im wissenschaftlichen Bereich, habe aber eine Ausbildung als Buchhändlerin, allerdings Wissenschaft und Technik. Mein beruflicher Werdegang ist turbulent, da ich nach der Geburt meines Sohnes auf einen Krippenplatz angewiesen war und eine Arbeitsstelle annehmen musste, die einen solchen aufweisen konnte. So bin ich vom Buchhandel in die Binnenfischerei als Materialbuchhalterin gewechselt. Als ein städtischer Kindergartenplatz folgte, habe ich mich umgeschaut und in einem Mikroelektronikinstitut in der Patentabteilung gearbeitet. Dort wurde mir nach 7 Jahren der Boden politisch zu heiß (davon vielleicht später einmal mehr) und ich wechselte in ein wissenschaftliches Institut. Jetzt bin ich im Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme tätig. …
Ja, Reisen, da könnte ich schon neidisch werden. In der DDR hätte es keinen Sinn gehabt (außer Ungarn, CSSR, Polen u. a.). Übrigens, ganz bescheidene Reiseerlebnisse kann ich auch nachweisen. Nach der Wende hatte ich erst einmal Sehnsucht nach dem anderen Teil der Heimat. Nürnberg, Bayreuth, Hamburg! München. Sie können bestimmt gut von Ihren Reisen erzählen. Ich bin ein neugieriger Zuhörer.
Mein Licht nicht unter den Scheffel stellen, das ist gut gesagt. Ich habe kein gutes Selbstwertgefühl, was man bei meinem Auftreten in der Öffentlichkeit nicht vermutet, deshalb werde ich auch immer anders eingeschätzt. Doch das wissen nur gute Freunde und jetzt auch Sie. Wobei es an Selbstbewusstsein nicht mangelt, aber das sind ja zwei verschiedene Dinge.

Man könnte tatsächlich stundenlang schreiben, aber irgendwann muss ich ins Bett, morgen früh 5.30 Uhr klingelt der Wecker (noch 11 Monate!) und jetzt ist es 21:50 Uhr. Ich hoffe, es langweilt Sie nicht zu sehr, mit mir zu korrespondieren, mir bereitet es Freude.
Gute Nacht und herzliche Grüße, Rosemarie

24. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
Des langen Tages Reise in die Nacht hat schon begonnen. Vielleicht haben Sie auf meiner Webseite gesehen, dass ich als ehrenamtlicher Betreuer in einem Senioren-Computerclub arbeite. ich dachte, dass ich mein ziemlich breites PC-Wissen auf diese Weise anderen nützlich machen kann. Heute hatten wir bis zum Abend zu tun, weil es in der Anlage noch technische Probleme gibt. 
Doch nun will ich mich erst einmal für Ihre wieder sehr ausführliche Mail bedanken, die ich, wie auch die bisherigen, mit großem Interesse mehrfach gelesen habe. Sie langweilen mich überhaupt nicht, sondern ich finde die Korrespondenz mit Ihnen schön und freue mich darüber. Es ist wirklich nicht notwendig, dass Sie meine Mails noch am selben Abend beantworten.
Ich bin am 11. April 1931 geboren. Um Gleichheit herzustellen, muss ich Ihnen beichten, dass ich mir Ihren Geburtstag auch schon aus dem Seniorenforum geholt habe. Und noch etwas sollten Sie von mir wissen: In den Leseproben aus dem Buch „Leben mit Karin“ haben sie vielleicht gelesen, dass ich 1956 bei einem Autounfall den linken Fuß verloren habe. Die Liebe meiner damaligen Verlobten und späteren Frau hat mir damals geholfen, diesen Schock zu bewältigen. …
Ich wohne in Bergedorf im südöstlichsten Zipfel von Hamburg, in einem Gemüse- und Blumenanbaugebiet, in dem es verstreute Einfamilienhausbebauung gibt. Aber bisher genieße ich das freie Wohnen hier in der Natur. Zur Zeit kann ich jeden Tag Eichhörnchen beobachten, die den Nussbaum vor dem Schlafzimmerfenster plündern.
Ich mache nun auch erst mal Schluss, und wie gesagt, Sie brauchen heute Abend nicht mehr zu antworten, ich freue mich morgen ebenso. Herzliche Grüße und eine gute Nacht,
Ernst-Günther

24. 9. 2002  Lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre Mail. Und da ich grundsätzlich alles anders mache, als ich soll, schreibe ich heute Abend noch eine Mail an Sie. Ihre Mail lese ich meist, bevor ich zu Bett gehe. Da Sie immer so nett schreiben, schlafe ich anschließend gut. Und mit dem Zähmen, ich warne Sie, Sie kennen mich noch nicht!!!!!!!!!!!!
Heute schreibe ich nicht so viel, denn ich leiste mir ein Glas trockenen Rotwein. Dafür lasse ich alles stehen. Auf Ihr Wohl! – Schlafen Sie gut und seien Sie herzlich gegrüßt, Rosemarie

25. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
das habe ich gerne, wenn jemand wohlmeinende Ratschläge einfach nicht befolgt. In diesem Fall war es mir natürlich besonders lieb, da ich jetzt schon wieder eine Mail von Ihnen habe. Herzlichen Dank. Und jetzt habe ich auch die Zeit, sie gleich zu beantworten. Leute, die grundsätzlich alles anders machen als sie sollen, sind mir sehr sympathisch, denn ich gehöre auch dazu. Das Ergebnis muss nur dadurch besser werden, als auf dem vorgeschriebenen Weg.
Ich weiß, dass leider nach der Wende viele Westler mit einer unwahrscheinlichen Arroganz zu Ihnen gekommen sind, weil sie meinten, alles besser machen zu können. Dabei haben Sie doch mit sehr eingeschränkten Mitteln das persönliche Leben und die Betriebe jahrzehntelang recht gut in Gang gehalten. ...
Dass Sie trockenen Rotwein trinken, finde ich hervorragend, denn ich tue es auch gerne. Allerdings trinke ich Wein meist nur zum Mittagessen. Ich hoffe, dass es nicht allzu lange dauert, bis wir einmal gemeinsam eine Flasche Rotwein leeren können, möglichst zu einem guten Essen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag und grüße Sie herzlich,
Ernst-Günther

25. 9. 2002  Lieber Ernst-Günther,
die Neugierde eines weiblichen Wesens ist auch mir zu eigen. Also habe ich mich nur meiner Straßenschuhe entledigt und den Computer angeworfen. Zuerst vielen Dank für die, ganz ehrlich, erhoffte Mail. Es ist so bereichernd, sich mit Ihnen auszutauschen. Außerdem haben Sie unbewusst schon wahre Wunder an mir vollbracht. Ich beginne bewusst, mein vergangenes Leben mit all seinen schönen und traurigen Facetten zu lieben. Ich gehe alles ruhiger an und schaue aufgeschlossener in die Zukunft, in der ja alles offen ist. Vielleicht war ich auch zu lange mit mir allein.
Ich habe zwar einen wunderbaren familiären Hintergrund, in erster Linie einen liebevollen und charakterfesten Sohn, eigentlich eine chaotische Säule im Lebenswind - so sieht er sich selbst, ein typischer Computermensch, der sich nicht gern einengen lässt.
Ich glaube, ich habe von Ihnen schon gelernt, „altergemäß jung“ zu bleiben. Es gibt Zeiten, wo man neben sich steht, dann ist man angreifbar und verletzlich. Doch heute geht es mir gut. – Und was erwartet mich jetzt?: Bügeln! Bekomme ich heute noch eine kurze Mail als Belohnung? Herzliche Grüße Rosemarie

25. 9.2002  Liebe Rosemarie,
Ihrem netten Wunsch nach Belohnung kann ich natürlich gar nicht widerstehen, es wird aber wirklich nur eine kurze Mail. Ich sitze nämlich an der Vorbereitung einer Lesung, die ich morgen aus meinem Buch „Die unendliche Kostbarkeit der Frauen“ halte. Ich muss den ausgewählten Text noch um etliches kürzen, um in das vorgegebene Zeitraster zu passen, da auch andere Autoren aus ihren Büchern lesen.
Warum müssen Sie bügeln? Ich hatte meiner Frau schon lange abgewöhnt, meine Hemden zu bügeln. Das ist in meinen Augen eine der überflüssigsten Beschäftigungen.
Ich schicke Ihnen die Fotografie einer Bugeinvilla mit, die ich letztes Jahr in der Türkei gemacht habe. Und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Rest des Tages (ich nehme an, Sie lesen die Mail zu Hause nach der Arbeit) und grüße Sie herzlich,
Ernst-Günther

26. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
jetzt habe ich etwas mehr Zeit, Ihre Mail ausführlich zu beantworten. Meine Lesung ist so weit klar, ich muss sie nur noch ein paar Mal laut lesen, um sicher zu sein. Ich habe schon mehrmals Autoren erlebt, die ihren eigenen Text nicht kannten und beim Lesen fürchterlich stotterten. Das mag ich nicht.
Um Ihren familiären Hintergrund beneide ich Sie. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich 12 Jahre alt war und ich bin wohl nur durch die Gemeinschaft bei den Evangelischen Pfadfindern zu einem einigermaßen brauchbaren Zeitgenossen geworden. Mit meiner Frau, die auch aus einer zerbrochenen Ehe kam, war ich mir einig, dass wir unseren Kindern so etwas nie antun wollen. Diese Erziehung in der Gemeinschaft junger Menschen hat wohl bewirkt, dass ich nicht so egoistisch geworden bin, wie Sie es von dem Vater Ihres Sohnes schildern. Man musste ja alles miteinander teilen. Es spricht für Ihre Selbstständigkeit, dass Sie sich von dem Mann getrennt haben.
Warum müssen Sie bügeln? Ich hatte meiner Frau schon lange abgewöhnt, meine Hemden zu bügeln. Das ist in meinen Augen eine der überflüssigsten Beschäftigungen.
Ich schicke Ihnen die Fotografie einer Bugeinvilla mit, die ich letztes Jahr in der Türkei gemacht habe. Und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Rest des Tages (ich nehme an, Sie lesen die Mail zu Hause nach der Arbeit) und grüße Sie herzlich,
Ernst-Günther

26. 9. 2002  Lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre Mail. Über den Blumengruß habe ich mich sehr gefreut. Ich hoffe, Ihre Lesung hat große Resonanz gefunden.
Ich bin heute blitzartig zum Zahnarzt, weil ich im 10 Min.-Takt tolle Zahnschmerzen hatte, ich hoffe, dass die Schmerzen im Laufe der Nacht verschwinden. ... 
Mir gehen mal wieder viele Dinge durch den Kopf, die ich erst ordnen muss. Vielleicht vertraue ich mich Ihnen einmal an, lassen Sie mir Zeit. Noch eines: Ich denke auch, dass wir einmal eine Flasche Rotwein miteinander leeren, aber bügeln tue ich trotzdem weiter. Man muss es ja nicht übertreiben. Vorher sollen Sie mich, der Gerechtigkeit willen, erst einmal im Bild sehen, und das geht erst nach dem Urlaub meiner jungen Leute.
Herzliche Grüße, Rosemarie

26. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
Es ist schon halb zwölf, ich komme gerade von der Lesung zurück. Ich war zufrieden und hörte, dass es gut war. Über Ihre Mail habe ich mich gefreut, wenn auch die Schilderung Ihrer Schmerzen nicht erfreulich ist. Ich schreibe jetzt nur kurz, um Ihnen eine gute Besserung zu wünschen. Vielleicht schauen Sie ja morgen früh in die Mailbox.
Auf Ihr Bild bin ich gespannt und natürlich lasse ich Ihnen gerne Zeit. Wir sind so alt geworden, dass wir schon lange nichts mehr überstürzen müssen.
Herzliche Grüße, Ernst-Günther

27. 9. 2002  Lieber Ernst-Günther,
es ist 20.30 Uhr, und ich bin eben nach Hause gekommen. War beim Friseur und wollte anschließend einkaufen. Erstes ist einigermaßen geglückt, dass Zweite bringt mich zur Verzweiflung. Das Ergebnis sollten ein Paar Schuhe sein. Die Geldbörse blieb voll. Die Tasche leer.
Wie gut Sie mich schon kennen. Natürlich habe ich, bevor ich heute früh ging, noch in die Mailbox geschaut und mich über Ihre nächtliche Mail gefreut, nur zur Antwort blieb keine Zeit mehr, denn morgens ist jede Minute geplant. Und eine gestresste, lieblose Mail sollte es nicht werden. Also, bitte nicht böse sein. Mein Zahn hat sich wieder beruhigt und ist bis jetzt artig geblieben.
Ich werde mich erst einmal frisch machen, dann schreibe ich vielleicht noch etwas. Inzwischen herzliche Grüße, Rosemarie

29. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
endlich habe ich Zeit, an Sie zu schreiben, ich habe schon lange darauf gewartet und es tut mir Leid, dass ich Sie so lange ohne Antwort gelassen habe. Gestern war ich bei Freunden und weil es sehr spät wurde, habe ich bei ihnen übernachtet. Wenigstens hatte ich heute früh Gelegenheit, über das Internet in meinen Mail-Server zu schauen und Ihnen eine kurze Nachricht zu senden. Ich freue mich, dass Ihr Zahn sie in Ruhe lässt. So etwas kann einen zur Verzweiflung bringen.
Ich habe übrigens in der Lesung am Donnerstag aus dem Roman „Die unendliche Kostbarkeit der Frauen“ gelesen. Das Thema der Lesung war „SciFi, Horror etc. Ich habe aus der Einschubgeschichte aus dem Kapitel 16 den Teil gelesen, der in meiner Webseite abgedruckt ist, und zu dem davor u. a. noch eine romantische Liebesgeschichte gehört. Die Hörer waren recht beeindruckt.
Heute Abend habe ich dann Zeit, bei guter Musik in „Die Zeit“ zu schauen. Ich habe manchmal Schwierigkeiten, das Blatt innerhalb einer Woche durch zu bekommen. Als ich noch arbeitete, war das einfacher. Da fuhr ich zweimal 40 Minuten mit der S-Bahn und konnte in Ruhe lesen. Und diese Ausgabe ist mit ihrer Wahlanalyse besonders interessant.
In der Hoffnung, dass Sie mir mein langes Schweigen nicht übel nehmen, wünsche ich Ihnen einen schönen Sonntag und grüße Sie herzlich, Ernst-Günther

29. 9. 2002  Lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre Mail. Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr mehr Zeit für Kultur und Muse finde. Wenn man nur seinen Pflichten nachgeht, geht man auch an vielem vorbei und irgendwann sagt man sich; das kann doch nicht alles gewesen sein. Mal sehen, wie sich meine herbstliche Zukunft so gestaltet. Meine Lebenserfahrung hat mich gelehrt, wenn ich etwas erzwingen wollte, ging es schief, wenn ich mich führen lasse, funktioniert es. Das entspricht auch meiner Lebensanschauung.
Ich habe als junges Mädchen Liebesgedichte geschrieben und auch sehr gern gelesen. Poesie schreiben, liegt mir mehr als Prosa. Leider existieren nicht mehr viele davon. Ich habe Sie bei Liebeskummer genau wie Liebesbriefe meiner Verehrer im Badeofen verbrannt und mich dann im warmen Wasser gebadet. So habe ich die Herren der Schöpfung über die Esse zum Teufel gejagt.
Ich schreibe Ihnen morgen wieder mehr, heute kommt nichts Gescheites von mir heraus. Mit gehen mal wieder viele Dinge durch den Kopf, die ich erst ordnen muss. Vielleicht vertraue ich mich Ihnen einmal an, lassen Sie mir Zeit.
Nun wünsche ich Ihnen noch einen schönen Sonntagabend und ...... ich freue mich über jede Mail von Ihnen. Ich trinke heute Abend wieder ein Gläschen auf Ihr Wohl.
Herzliche Grüße, Rosemarie

30. 9. 2002  Liebe Rosemarie,
vielen Dank für die Mail von gestern Abend. Ich habe vor dem Schlafen gehen noch mal den PC angeworfen und mich über Ihre schnelle Antwort gefreut, wie über jede Mail von Ihnen, war dann aber zu müde, um noch etwas Vernünftiges in die Tasten zu hämmern. Doch ich freue mich sehr, dass Sie ein Gläschen Wein auf mein Wohl getrunken haben.   Ganz sicher werden Sie nach Ihrer Pensionierung genug Zeit für Kultur und Muse haben. Man sagt ja, Rentner hätten alles Mögliche, nur keine Zeit, doch das ist nur eine Frage der Organisation, genau wie im Berufsleben. Man muss halt auch hier Prioritäten setzen, wobei das Abweichen davon nicht mehr kritisch ist, solange man seine Mitmenschen damit nicht vergrätzt. Ich habe jedenfalls vor allem die Freizügigkeit genossen, mit der ich über meine Zeit verfügen konnte. Genau das sagen Sie auch mit Ihrer Lebensanschauung, sich führen zu lassen, die Dinge auf sich zu kommen zu lassen.
Schade, dass Sie Ihre Liebesgedichte nicht aufbewahrt haben, ich würde sie gerne lesen, denn sie sagen bestimmt viel über Sie, oder zumindest über die Person, die Sie damals waren. ...
Jetzt grüße ich Sie erst einmal herzlich, Ernst-Günther

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1. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
danke für Ihre Mail, sie bringen mich ganz schön ins Schwitzen. Jetzt tippe ich doch tatsächlich meine handschriftlichen restlichen Verse aus früheren Zeiten in den Computer. Ich blättere mich nicht gerne so weit auf, denn diese Verse haben alle einen persönlichen Hintergrund, aber was soll’s, sie kennen mich ohnehin schon erstaunlich gut, da kann ich kaum noch was verbergen. ...
Als ich meine Zeilen vorhin wieder las nach all den Jahren, habe ich über diese vergangene Zeit nachdenken müssen. Es ist doch eigenartig, wie unterschiedlich man in der Jugend erlebt und empfindet und dann, wenn man älter wird. ... Ich frage mich nur, was Sie zu meiner Poesie sagen werden. Herzliche Grüße, Rosemarie

AN H. ................ (26.05.1960)
Ich weiß nicht, ob ich hoffen darf.
Ich möchte gern, doch trau’ ich mir es nicht.
Ich liebe Dich, doch ohne Gegenliebe,
warum das eigentlich?
Dich zu gewinnen, ist sehr schwer,
weil Du zu klug und fast zu nüchtern bist.
Wann werden wir uns einmal wieder sehen,
ob morgen oder nächstes Jahr?
Wart’ nicht zu lang;
Vielleicht empfindest Du zu spät,
dass ich Dir mehr noch als ein Freund nur war. ...

2. 10. 2002  Liebe Rosemarie,
Sie haben mich mit Ihren Versen betroffen gemacht. Sie sind, wie Sie schreiben, sehr persönlich, aber es klingt viel Enttäuschung hindurch. Sie müssen als junge Frau sehr gelitten haben, 1960 waren Sie doch erst 21 Jahre alt. Die Verse lassen sich allerdings etwas leichter lesen, wenn man Ihre Anmerkungen aus heutiger Sicht dazu liest. Auch ich habe mich beim Lesen meiner Tagebücher aus dieser Zeit schon an den Kopf gefasst und gefragt, was ich da geschrieben habe. Jedenfalls danke ich Ihnen herzlich für diese Offenbarung. …
Es ist schon wieder spät. Damit Sie die Mail vielleicht heute noch lesen können, schließe ich jetzt und grüße Sie herzlich, Ernst-Günther

3. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
Dank für Ihre Mail. Das hätte mir mal jemand prophezeien sollen, dass ich so eine eifrige Mail-Schreiberin werde. Aber, erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!
Ich kann nicht verschweigen, dass ich mich auf jede Mail von Ihnen freue, das ist etwas besonderes. Ich kann es nicht erklären, aber ich fühle mich irgendwie verstanden und versuche, das auch zurückzugeben.
Heute ist der Alltagstrott erst mal wieder zu Ende, aber mir macht meine Arbeit nach wie vor Spaß, nur wäre ich mit 6 Stunden auch zufrieden. ... Und jetzt ist es schon wieder 23:21 Uhr. Doch ich wollte Sie nicht ohne Nachtgruß lassen, den Sie nun wahrscheinlich erst morgen früh entdecken. Deshalb zusätzlich ein schönes Wochenende,
Schlafen Sie gut. Herzliche Grüße, Rosemarie

4. 10. 2002  Liebe Rosemarie
herzlichen Dank für Ihre Mail von gestern Abend. Sie werden demnächst eine kleine Postsendung von mir erhalten, die heute in den Briefkasten gegangen ist. Als kleines Zeichen des Dankes für Ihre Gedichte sende ich Ihnen per Post meinen Roman „Jade und Diamanten“, in den viel von meinen Thailand-Eindrücken eingeflossen ist. Ich versichere jedoch, dass ich die in Pattaya geschilderten Ereignisse nicht aus eigener Erfahrung beschrieben habe, sondern nur vom Hörensagen kenne. Neben seinem schlechten Ruf hat Pattaya viele schöne Ecken, die meine Frau und ich an manch’ verlängertem Wochenende entdeckt haben.
Ich grüße Sie herzlich, Ernst-Günther

5. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
Ich habe mich sehr über Ihre Mail gefreut. Manche Zeilen habe ich mehrmals gelesen. ...
Ich bin ja wohl schon seit einer Weile die Königin Ihrer Gedanken. Vielleicht kann ich irgendwann einmal ein wenig zur Königin Ihres Herzens werden. Martin Luther hat einmal gesagt: „Wenn nicht geschehen wird, was wir wollen, so wird geschehen, was besser ist“. Darüber kann man unendlich grübeln und dabei Philosoph werden. Verzeihen Sie meine Worte, eigentlich sollte ich sie gar nicht abschicken, ich bin heute in einer eigenartigen Stimmung. ...
Herzliche Grüße, Rosemarie

8. 10. 2002  Liebe Rosemarie
Ich habe Ihre Mail hier im Computerclub gefunden und mich sehr darüber gefreut, doch kann ich jetzt nur kurz antworten: Ich finde Ihre Definition „Königin meiner Gedanken“ großartig. Auch ich wünsche mir doch schon lange eine „Königin meines Herzens“ und ich glaube, wir sind auf dem Weg dort hin. So wollen wir es halten. Und die Bestätigung durch Luthers Zitat ist genau so treffend. Ich habe schon lange gelernt, die Dinge so zu nehmen wie sie kommen, (wenn sie denn erträglich sind) und dabei oft gemerkt, dass ein geheimer, besserer Sinn darin verborgen ist. Nun bin ich gespannt, welch geheimer Sinn in unserer Begegnung steckt.  
Ich grüße Sie ganz herzlich, Ernst-Günther

15. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
heute endlich sage ich Ihnen herzlichen Dank für Ihr Päckchen, Ihren Brief und Ihre Mail. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Ihre Zeilen habe ich mehrmals gelesen.
Auch in Ihr Buch habe ich auch schon geschaut, nur müssen sich erst mein Schnupfen und mein Husten, die die Augen trübe machen, verziehen, damit ich wieder einen klaren Blick bekomme. Das vorzeitige Novemberwetter hatte ganze Arbeit geleistet. Nun geht es mir wieder besser, bin auch wieder im Dienst, und ich werde mich der Lektüre weiter widmen. Sicher kann ich Ihnen dann meine Gedanken dazu schildern.
Da ich mich im Forum ausgeklinkt habe, sende ich Ihnen mein Bild auf diesem Wege und hoffe, Sie sind nicht allzu sehr enttäuscht. Die Größe und den Ausschnitt hat meine Schwiegertochter ausgewählt, da ich keine Digitalkamera besitze. Es wirkt dadurch so aufdringlich, aber ich kann nichts dafür, bitte um Verzeihung.
Ich denke oft über unsere herzliche E-Mail-Begegnung nach. Ich möchte sie nicht missen. Und nun wünsche ich Ihnen eine gute Woche. Bleiben Sie gesund und seien Sie herzlich gegrüßt, Rosemarie

16. 10. 2002  Liebe Rosemarie,
es war eine Freude für mich, Ihre Mail zu lesen, das war wirklich eine Überraschung, wenn ich auch nicht verhehlen kann, dass ich sie schon lange erwartet hatte. Gestern habe ich den PC schon recht früh ausgeschaltet. Ich hatte in der Nacht zuvor bei der ARD die Oper „Hoffmanns Erzählungen“ aufgenommen, in einer 50 Jahre alten Aufzeichnung, und sie dann gestern Abend bei einem Glas Rotwein genossen. Ich liebe diese Oper mit ihrer herrlichen Musik, und ganz besonders die Barkarole hat es mir angetan. So kann ich Ihre Zeilen erst heute beantworten.
Herzlichen Dank für Ihr Bild, mit dem Sie sich überhaupt nicht zu verstecken brauchen. Ich finde, Ihr Gesicht strahlt eine große Güte aus, das erinnert mich sehr an meine verstorbene Frau, die niemandem weh tun konnte und immer nach Möglichkeiten gesucht hat, einen Ausgleich zu finden.
Ich freue mich, dass Sie den Grippeanfall gut überwunden haben. Diese Krankheit hat ja wohl halb Deutschland getroffen.
Ich bin gespannt, wie Ihnen mein Buch gefällt. Und falls Sie noch nicht so weit gekommen sind, muss ich Sie warnen: Neben den beiden Kriminalfällen enthält es einige detaillierte erotische Schilderungen. Mich hat darauf hin mal jemand gefragt, ob ich einen Softporno schreiben wollte. Meine Antwort war, dass es heute weitgehend üblich ist, schlimme Dinge wie Mord und Krieg in epischer Breite zu schildern. Da sollte es doch erst recht möglich sein, so schöne Dinge wie die Liebe zwischen Mann und Frau ebenfalls ungekürzt darzustellen, solange Brutalität und andere Perversionen außen vor bleiben.
Nun wünsche ich Ihnen auch noch einen guten Rest der Woche und grüße Sie herzlich, Ernst-Günther

17. 10.20 02  Lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre nette Mail. Dass meine Mails Ihnen Freude bereiten, finde ich schön. Auch ich freue mich, wenn ich von Ihnen Post bekomme.
Ich lese fleißig in Ihrem Buch und es beeindruckt mich. Auch zu den erwähnten erotischen Schilderungen bin ich schon gekommen. Doch ich bin sehr offen in diesen Dingen, und ich denke, man kann über alles schreiben und sprechen, wenn es mit dem nötigen Respekt, Feingefühl und Geschmack geschieht. Durch das Lesen in der Straßenbahn empfinde ich die Fahrt zum Dienst viel zu kurz (20 Min.). Neulich hätte ich um ein Haar meine Haltestelle verpasst, ich war so mit Lesen beschäftigt, das spricht für den Autor.
Zu dem geheimen Sinn unserer Begegnung: Lassen wir uns doch überraschen. Meine Lebenserfahrung und mein Instinkt gehen da so Ihre eigenen Wege. Außerdem bin ich eine Frau. Und Sie sind klug genug, um mich auch so zu verstehen. Also schweigen wir uns über unser kleines Geheimnis vorerst vor einander aus. Einverstanden?
Noch möchte ich mit dem Menschen, der mein Wesen so verändert und mir mein Selbstwertgefühl wiedergegeben hat, und zu dem ich ein großes Vertrauen habe, darüber nicht sprechen. Und doch bin ich glücklich, dass es Sie gibt und möchte unseren schönen Briefwechsel nicht missen.
Ich habe das Schreiben wieder entdeckt und mich von der poetischen Muse küssen lassen. Ich habe wunderschöne Literatur zum Thema Liebe und Freundschaft gefunden. Sie sehen, heute geht es mir bedeutend besser und ich sehe alles in einem anderen Licht. Schließlich sollen meine Zeilen für sie unentbehrlich werden und das geht mit Trauerstimmung nicht. Also, Besserung ist in Sicht.
Inzwischen ist es 21.30 Uhr geworden und artige Kinder müssen ins Bett. 5.30 Uhr ist die Nacht herum. Wie ersehne ich die Zeit, wo es auch einmal 8.30 Uhr werden kann. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, grüße sie herzlich und freue mich auf Ihre nächste Mail, Rosemarie
P.S.: Diese Verse gefallen mir besonders gut: 
*Wer einen Platz im Herzen eines anderen Menschen hat, ist nie allein. (Sprichwort)
*Verstehen heißt: mit dem Herzen hellsehen.
(Victor Hugo)

20. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
vielen Dank für Ihre Mail vom 16. 10. Ich hatte Ihnen schon am 17. 10. darauf geantwortet. Aber leider kam diese Mail zurück mit einer Fehlermeldung. Ich hoffe, der Fehler ist inzwischen behoben worden. So versuche ich mein Glück heute noch einmal. Andererseits bin ich froh, dass diese Mail nicht angekommen ist. Ich hatte sie in einem schlechtem seelischen Zustand geschrieben, und meine Zeiten hätten womöglich „Porzellan zerschlagen“.
Gestern war ich bei Freunden in Freiberg. Am Nachmittag waren wir in der Stadt unterwegs und konnten auch an einer Führung durch den Dom mit anschließendem Orgelspiel teilnehmen. Da hätte ich Sie am liebsten an meiner Seite gehabt. Bei dem herrlichen Klang der dortigen Silbermann-Orgel hätten wir sicherlich ähnlich empfunden. Auch wurde ich dabei an meine Kindheit und frühe Jugend erinnert, in der ich mit Begeisterung Schütz, Bach, Mozart usw. in der Kirche gesungen habe.
Was Sie zu meinem Bild und meinem Gesicht gesagt haben, auch dass es Sie an Ihre verstorbene Frau erinnert, fand ich lieb. – In Ihrem Buch lese ich fleißig und bin beeindruckt. Natürlich bin ich schon bei den von Ihnen angesprochenen erotischen Seiten angekommen. Ich kann mir schon vorstellen, dass manch Leser Erstaunen zeigt. Doch erstens bin ich keine 15 mehr und zweitens stehe ich diesen Dingen sehr offen gegenüber. Ich denke, man kann über alles schreiben und sprechen, wenn es mit dem nötigen Respekt, Feingefühl und Geschmack geschieht. Die Fahrt zum Dienst (20 Min.) ist entschieden zu kurz. Ich hatte mir vor vielen Jahren das Lesen in der Straßenbahn abgewöhnt. Unsere alten Bahnen  ruckelten zu sehr, und das tat meinen Augen weh. Das ist nun anders und lädt mich ab sofort wieder zum Lesen ein.
Sie fragen nach dem geheimen Sinn unserer Begegnung. Den ahne ich zwar, aber ich weiß ihn nicht.
Übrigens, durch das „Schreiben“ merkt man, wie das eigene Deutsch durch die neuen Konversationsmöglichkeiten, wie Telefon usw. zu verkümmern droht. Deutsch war immer mein Lieblingsfach, aber ich habe schon lange nicht so oft in den Duden geschaut, wie seit unserem Austausch.
Nun wünsche ich Ihnen noch einen schönen Sonntag und einen guten Wochenanfang.
Seien sie herzlich gegrüßt. Rosemarie

21. 10. 2002  Liebe Rosemarie,
herzlichen Dank für Ihre gestrigen Zeilen. Natürlich hätte ich jetzt gerne gewusst, was in der Mail gestanden hat, die nicht zu mir finden wollte. Wir haben uns ja schon einmal über Neugierde unterhalten und ich merke immer wieder, dass ich diese - in meinen Augen durchaus positive - Eigenschaft besitze. Im Übrigen kann ich mir von Ihnen gar nicht vorstellen, dass Sie in der Lage sind, Porzellan zu zerschlagen.
Das Orgelkonzert hätte ich auf jeden Fall gerne mit Ihnen zusammen gehört. Freiberg und seinen Dom kenne ich leider gar nicht. Ich habe bis eben noch nicht einmal gewusst, wo das ist, es aber auf der Karte auf halbem Weg nach Chemnitz gefunden.
Das Lesen in der Bahn ist mir sehr vertraut. Wenn ich nicht irgendwo in Deutschland bei Kunden war, bin ich täglich zweimal 30 Minuten mit S- und U-Bahn gefahren und hatte dann noch einen Fußweg von 15 Minuten zwischen der U-Bahn und dem Büro. Diese Zeit reichte aus um „Die Zeit" in jeder Woche ausführlich zu lesen. Und der Spaziergang vor der Arbeit bewirkte eine gute Durchlüftung des Gehirns.
Es freut mich, dass Sie sich an den Schilderungen der Liebe in meinem Buch nicht stoßen. Es wäre mir gar nicht möglich gewesen, diese Dinge, die zu den schönsten im Leben gehören, ohne Respekt, Feingefühl und Geschmack zu beschreiben.
Geschrieben habe ich mein Leben lang sehr gerne. Schon in der Schule haben mir die Aufsätze Spaß gemacht. Dann hatte ich bis zu ihrem frühen Tod eine Freundin in Süddeutschland, zu der wöchentlich mehrere Briefe gingen. Zwei Jahre später lernte ich meine spätere Frau im Harz kennen. Unser zweijähriger Briefwechsel, der einen dicken Ordner füllt, ist ja auszugsweise in meinem Buch abgedruckt, wovon wiederum ein kleiner Teil auf meiner Webseite zu finden ist. Während meiner Berufsjahre und vor allem in der Beratungszeit hatte ich viele Berichte zu verfassen und mich immer wieder über die Kollegen (ebenfalls ausgewachsene Ingenieure) gewundert, die den Bleistift abbrachen, wenn sie etwas zu Papier bringen mussten. Nun, und nach der Pensionierung schrieb ich die Fachbücher, die beiden Romane und letztlich das Buch über meine Frau. Jetzt sitze ich wieder an einem Stoff, der sich mir aber noch nicht richtig öffnen will. Deswegen sage ich auch noch nichts darüber.
Sie haben einen sybillinischen Satz geschrieben, ich zitiere: "Sie fragen nach dem geheimen Sinn unserer Begegnung. Den ahne ich zwar, aber ich weiß ihn nicht." Können Sie sich vorstellen, dass ich gerne wissen möchte, was Sie ahnen. Wenn Sie Ihre Ahnung aber für sich behalten wollen, achte ich Ihre Zurückhaltung.
Ich schließe jetzt erst einmal, damit Sie die Mail vielleicht noch beim Heimkommen vorfinden. Ich kann mir vorstellen, dass Sie immer noch neugierig sind und gleich in die Mailbox schauen. Ich sende Ihnen herzliche Grüße, Ernst-Günther

21. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
man kann bei Ihnen doch nicht wachsam genug sein. Aber erst einmal Dank für Ihre Mail von heute früh. Ich verhalte mich manchmal wie ein kleines Kind. Wenn ich nach Hause komme: Schuhe aus, Computer an, Hände waschen. Ist das nicht schlimm? So sehr freue ich mich auf eine Mail von Ihnen.
Sie möchten also wissen, was in der geheimnisvollen Mail stand? Es stand alles drin, was Sie eigentlich nicht erfahren sollten und was ich nur aus meiner unbeherrschten Stimmung heraus niederschrieb. Aber ich sehe schon, diese Aussage genügt Ihnen nicht. Auf Ihre Verantwortung hin stelle ich diese Mail in die Anlage.
Und nun zu Ihrer Bildungslücke: Der Freiberger Dom zählt zu den Kulturdenkmälern von europäischem Rang, ist Gotteshaus, Konzertraum und ein herausragendes Kunstwerk. ... Zu den Führungen wird in der Regel die große Silbermannorgel gespielt. Gottfried Silbermann gehörte zu den bedeutendsten Orgelbauern Europas im 18. Jahrhundert.
Zu dem geheimen Sinn unserer Begegnung: Lassen wir uns doch überraschen. Meine Lebenserfahrung und mein Instinkt gehen da so Ihre eigenen Wege. Also schweigen wir uns über unser kleines Geheimnis vorerst aus. Einverstanden? Denken Sie immer an Martin Luther. Sie sehen, heute geht es mir bedeutend besser, schließlich sollen meine Zeilen für sie unentbehrlich werden und das geht mit Trauerstimmung nicht.
Inzwischen ist es 21.30 Uhr und um 5.30 Uhr ist die Nacht herum. Wie ersehne ich die Zeit, wo es auch einmal 8.30 Uhr werden kann. Heute früh hätte ich fast meine Haltestelle verpasst, ich war so mit Lesen beschäftigt, das spricht für den Autor.  
Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, grüße sie herzlich und freue mich auf Ihre nächste Mail, Rosemarie

22. 10. 2002  Liebe Rosemarie,
so langsam legt sich der Aufruhr in meiner Seele wieder, den ich beim Lesen Ihrer Mail empfunden habe.
Ich war ja heute wieder als Betreuer im Computerclub und habe dort meinen Mailserver abgefragt. So war ich den ganzen Vormittag über in einer sehr eigenartigen Stimmung. Denn das ist mir schlagartig klar geworden, dass die – nun sagen wir vorsichtig – „Zuneigung“, die ich schon bei den ersten Mails zu Ihnen gefasst habe, immer stärker in mir wird, und ich bin ganz das Gegenteil als unglücklich darüber. Nur weiß ich noch nicht recht damit umzugehen. Doch auch ich bin glücklich, dass es Sie gibt.
Es macht mich betroffen, wenn Sie schreiben, dass ich Ihr ganzes Wesen verändert und Ihnen Ihr Selbstwertgefühl wiedergegeben habe, und dass Sie ein großes Vertrauen zu mir haben. Das möchte ich auf keinen Fall enttäuschen. Zweifellos besteht zwischen Ihnen und mir eine besondere, sehr schöne Beziehung, von der keiner genau sagen kann, wohin sie führen wird.
Ihren schönen Zitaten möchte ich noch eines hinzufügen, das aus meinem liebsten Buch stammt, dem kleinen Prinzen von Saint Exupéry: „Adieu“, sagte der Fuchs. Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Und nun will ich noch ein paar Zeilen auf Ihre Mail von gestern Abend antworten. Vielen Dank für die ausführliche Information über Freiberg. Ich bin beeindruckt und bedaure, dass ich bei meinen mehrfachen Besuchen in Dresden von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre nichts davon gewusst habe. Ich wäre bestimmt mal hinüber gefahren. Vielleicht ergibt sich irgendwann eine Gelegenheit, das nachzuholen. Gottfried Silbermann hingegen ist mir ein Begriff, weil er auch in unserer Gegend Orgeln gebaut hat.
Dass mein Buch so spannend ist, Sie fast die Haltestelle verpassen zu lassen, habe ich gar nicht gedacht, aber es freut mich. Inzwischen müssen Sie es ja fast durch haben. Und nun sende ich diese Mail ab, damit Sie nach dem nach Hause kommen, Computer einschalten, Hände waschen und Schuhe ausziehen vielleicht ein bisschen Freude haben. Ich hoffe sehr, dass Sie meine Worte so verstehen, wie ich sie gemeint habe: als einen kleinen Einblick in meine Seele. Ich grüße Sie ganz herzlich, Ernst-Günther

22. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihre Mail. Was aus Ihren Zeilen spricht, macht mich froh und glücklich. Dass Sie so empfinden, wie ich es von mir habe kaum auszusprechen gewagt, lässt unaussprechliche Freude in mir aufkommen. Meine Seele fühlt sich so frei und gelöst, weil nun kein Schweigen mehr zwischen uns ist und gegenseitiges tiefes Verstehen wie eine kostbare Blume im Verborgenen blüht. Ich danke Ihnen für dieses Geschenk und werde es gut verwahren.
Für heute herzliche Grüße, Rosemarie
Mit den nachstehenden Versen wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.

Ich lese Deine Zeilen immer wieder,
sie geben neue Kraft mir, zu mir selbst zu steh’n.
Das Wertgefühl zum eig’nen Selbst hab’ ich verloren,
vor vielen Jahren, und es mußt’ gescheh’n,
dass ich Gefühle eingemauert in Verstand,
in Pflichtgefühl und Selbstverteidigung.

Das Leben brauchte mich an and’rer Front
und gab mir Mut, den Alltag zu besteh’n.
Das Kostbarste, was einer Mutter eigen:
Endlose Liebe geben ohne aufzuseh’n.

Jetzt bin ich frei von liebgeword’nen Ketten,
die Mutterliebe mir gebot und glücklich macht.
Die Jugend sucht den eig’nen Weg jetzt, frei von Zwängen
und braucht nur noch das Aug’, das im Verborg’nen wacht.

Durch Dich hab ich den eig’nen Wert erkannt,
und weiß jetzt, wer ich wirklich bin.
Ich danke Dir und werd’ es nie vergessen
und daran denken, wenn ich traurig bin.

Ich darf Gefühle leben, froh und traurig sein.
Ich darf Dich lieben, nur für mich allein.
Erschrick nicht ob der Offenbarung.
Es soll nicht Ängste schüren, Freude soll es sein.

23. 10. 2002 Liebe Rosemarie,
nachdem ich gestern früh kurz im Computerclub und dann am Nachmittag zu Hause sehr genau und mehrmals Ihre zunächst nicht übertragene Mail gelesen hatte, glaubte ich, eine Steigerung unserer Beziehung sei nicht mehr möglich. Heute hatte ich eine Vertretung im Club und las dort kurz die Mail von gestern Abend, die mich außerordentlich angerührt hat, weil Sie sich in Ihren Versen weit öffnen. Ich habe schon vor ein paar Wochen erstaunt bemerkt, welche Macht Sie mit Versen ausüben können, aber dass ich diese nun auf mich beziehen darf, ist fast zu groß für mich. Ich danke ihnen ganz herzlich für diese Offenbarung, die mir kostbar ist wie ein Diamant. Dementsprechend werde ich sie bewahren. Und nun möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, den Sie ja mit Ihren Versen schon fast vorweg genommen haben: Ich möchte Ihnen das „Du“ anbieten. Es wird wohl noch etwas dauern, bis wir gemeinsam ein Glas Rotwein darauf trinken können, aber wenn Sie einverstanden sind, können wir es ja jeder für sich in Gedanken an den anderen tun. Wenn Sie aber meinen, wir sollten diese Schranke wahren, kann ich das auch gut verstehen.
Ich muss immer wieder auf Ihre Verse schauen. Ich begreife einfach nicht, wodurch ich Sie Ihren Wert habe erkennen lassen. Wir haben doch nur ganz einfach miteinander geplaudert, uns dabei allerdings in hohem Maße gegenseitig akzeptiert. Und wenn Sie schreiben, dass Sie mich nun lieben dürfen, erschrecke ich überhaupt nicht darüber, sondern es ist für mich genau die Freude, die Sie geben wollen. Mir geht es doch längst ebenso. Ich frage mich nur immer wieder, was Besonderes an uns beiden ist, dass wir so schnell so eng zueinander gefunden haben. Das, was zwischen uns ist, ist für uns beide ein wundervoller Schatz.
Ich muss beim Schreiben jetzt noch einmal an Ihre Verse denken: Wunderbar zutreffend finde ich Ihre Worte von der Jugend, die den eigenen Weg geht und nur noch im Verborgenen beobachtet werden sollte. Genau so haben wir es auch gehalten und unsere Kinder haben es uns immer gedankt. Ich glaube, bei Ihnen wird es ähnlich sein. Und nun schließe ich meine Epistel wieder. Froh und dankbar werde ich jetzt noch ein wenig vor die Tür gehen und die Sonne genießen. Ich grüße Sie von Herzen (mit dem man ja besonders gut sieht), Ernst-Günther

23. 10. 2002  Lieber Ernst-Günther,
wie von mir zu erwarten, habe ich heute wieder die Reihenfolge: Schuhe aus, Computer an, Händewaschen eingehalten. Ich musste wissen, was Du mir auf meine gestrige Mail schreibst. Ich danke Dir, dass Du sie richtig verstanden hast. Ich habe Deine Zeilen heute besonders oft gelesen, und weiß eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Die uneingeschränkte Offenheit, die wir beide miteinander pflegen, unser tiefes Vertrauen ist wirklich wie ein Wunder. Dann wollen wir es auch als Wunder behandeln, es wird uns geschenkt, das sollten wir nicht vergessen.
Wenn Du fragst, was an uns beiden so Besonderes ist, dass wir so schnell so eng zueinander gefunden haben, dann weiß ich nur eine Antwort, die mir meine Glaube gibt: es war Führung. Keiner von uns beiden hat doch alles so gezielt vor sich gesehen. Ich war allein und ging ins Forum, Du warst traurig, und schriebst mir. So fing es an. Denke doch einmal an den Spruch, den ich Dir aus meinem Poesiealbum geschrieben habe: Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das höchste Glück auf Erden. ... Und das ist doch eigentlich das Geheimnis unserer Beziehung.
Wie Du bemerkt hast, bin ich zum „Du“ übergegangen, wie es Dein (und jetzt auch mein) Wunsch ist. Ich danke Dir. - Ich möchte, dass Du weißt, dass ich immer versuchen werde, Dich zu verstehen und nicht zu verletzen. Das ist, wenn man es richtig sieht, eine schöne Aufgabe.
Übrigens, was machen Deine Eichhörnchen? Ich habe vor meinem Balkon eine große Birke, dort tummeln sich Meisen, die sich auch zwischen meinen Balkonblumen Futter suchen.
Jetzt mache ich wirklich Schluss. Schlaf schön und sei lieb gegrüßt, Rosemarie

24. 10. 2002  Liebe Rosemarie,
das „Du“ will mir noch gar nicht so richtig in die Tasten, fünf Wochen lang haben wir uns ja hoch offiziell angeredet. Aber ich glaube, unsere Freundschaft ist reif dafür. Ich danke Dir, dass Du meinen Vorschlag akzeptiert hast.
Ich danke Dir auch für Deine Mail, die Du ja auch schon wieder halb in der Nacht geschrieben hast. Ich finde es schön, dass Du unsere Begegnung als Fügung ansiehst, so wollen wir es halten. Und ich bin glücklich, dass Du über Deinen Glauben sprichst. Es sind nicht viele in den neuen Ländern, die diesen Begriff so selbstverständlich gebrauchen. Als Ingenieur bin ich ja gewohnt, alles bis auf den Grund zu hinterfragen und in einzelne Elemente zu zergliedern. Hier sollte ich sicherlich unsere Begegnung einfach als Gnade, als Geschenk annehmen. Und wenn ich Dir dabei wirklich Dein Selbstwertgefühl als Frau ein wenig wiedergegeben habe, so hat sich das als Gnade ergeben, ohne dass es mir bewusst geworden ist. Deshalb danke ich Dir ganz besonders für den Satz, dass Du immer versuchen wirst, mich zu verstehen und nicht zu verletzen.
Du fragst nach meinem Eichhörnchen. Ich wollte es Dir schon gestern schreiben, habe dann aber nicht mehr daran gedacht: Gestern früh saß es auf einem abgeschnittenen Aststumpf des Haselnussbaumes vor meinem Schlafzimmerfenster, hatte eine Nuss zwischen den Vorderpfoten und knabberte genüsslich daran. Ich konnte mich nicht von diesem Bild los reißen und beobachtete das putzige Tierchen, bis es nach dem Mahl wieder in den Blättern verschwand. So etwas ist eine schöne Beigabe zum Wohnen im Grünen.
Ich grüße Dich ganz herzlich, jetzt schon ein Stückchen „Dein“ Ernst-Günther

24. 10. 2002  Mein lieber Ernst-Günther,
ich bringe es doch nicht über das Herz, Dich heute ohne Gute Nacht Gruß ins Bett gehen zu lassen. Bin eben von meinen Kindern zurück gekommen. Es war wunderschön mit meinem "Spatzen". Kinder sind ja so etwas Herrliches. Ich hatte mir immer 3 davon gewünscht.
Für Deine lieben Zeilen danke ich Dir und für die schöne Blume. Ich liebe Blumen sehr. Bitte, sei nicht böse, wenn meine Zeilen kurz sind, morgen schreibe ich mehr, aber heute werde ich gleich ins Bett fallen. Ich wollte Dich nur nicht ohne Gruß lassen. Schlaf gut, ich denke an Dich. Herzliche Grüße, Deine Rosemarie

25. 10. 02  Meine liebe Rosemarie,
auf den kurzen Brief schnell eine - leider auch nur kurze - Antwort, die Dich erfreuen soll, nachdem Du Dir die Schuhe ausgezogen hast. 
Herzlichen Dank, dass Du so spät noch an mich gedacht hast. Bald muss ich wieder los, denn ich will in Bergedorf noch etwas einkaufen und Mittag essen, dann meinen Wagen von der Werkstatt abholen und danach werde ich den ganzen Nachmittag im Computerclub verbringen, wo die Lieferfirma eine Reihe von Unstimmigkeiten beseitigen muss. Das wird sich vermutlich bis in den Abend hinziehen. Du musst Dich aber nicht mit der Antwort beeilen. Wenn ich sie morgen früh lesen kann, freue ich mich ebenso darüber.

Bis bald einstweilen herzliche Grüße, Dein Ernst-Günther

25. 10. 2002  Mein lieber Ernst-Günther,
Ich fand Deine liebe Mail vor und habe mich ganz toll darüber gefreut. Bitte lache mich nicht aus, aber ich komme mir im Moment vor wie in einem Schnellzug der Liebe. Das ist der helle Wahnsinn. Aber, ich bin glücklich. Unser herrlicher Briefwechsel ist ja fast ein Fulltime-Job (auf Neudeutsch!“). Es gibt immer soviel zu beantworten und zu erzählen, und zum Schluss vergisst man doch noch die Hälfte.
Ich bin heute schon 14 Uhr vom Dienst weg und habe, als ich zur Straßenbahn ging, die wunderschöne Herbstfärbung betrachtet. Eigentlich ist doch der Herbst bis auf die kurzen Tage und die kühlen Temperaturen auch eine schöne Jahreszeit. Das kann man auch auf unseren Lebensabschnitt beziehen. Ein waches Auge für die weichen Farben der Natur, helle Gedanken für die verkürzten Tage und Wärme im Herzen für die kühleren Außentemperaturen lassen doch auch unsere Tage lebenswert erscheinen.
Und was tue ich am Wochenende? Morgen muss ich endlich mal in der Wohnung fleißig sein. Es ist allerhand liegen geblieben, war mit den Gedanken immer woanders!!!!!!!!! Was nicht heißt, dass ich beim „Werken“ nicht an Dich denke. Du wirst sicher gemerkt haben, dass meine Wortwahl jetzt manchmal kess wird, aber ich glaube, Du stimmst da gern mit ein. Ich erlange langsam mein eigentliches Wesen wieder, das den Humor sehr liebt. Sollte ich übers Ziel hinausschießen, rufe mich bitte zurück. 
Und jetzt werde ich zu Abend essen, etwas Fernsehen und nicht zu spät ins Bett gehen. Bekomme ich noch einen Gute-Nacht-Gruß? Herzliche Grüße, Deine Rosemarie

Ernst-Günther
Ich hatte mir vorgenommen, Rosemarie anzurufen, wenn ich abends eine Mail von ihr habe. Als sie sich meldet, sage ich: „Hier ist der Gute-Nacht-Gruß“. Sie begreift sofort und freut sich mächtig. Ihre Stimme ist nett und freundlich. Ich habe ihr Bild angewählt, das sie mir schon früher gemailt hat, und sage ihr das, worauf sie bestätigt, dass sie mein Bild auf dem Buch immer wieder anschaut. Über 40 Minuten sprechen wir über vieles, was wir uns bisher noch nicht geschrieben haben.
Am nächsten Tag komponiere ich eine lange Mail an sie:

26. 10. 2002  Meine liebe Rosemarie,
das wird eine lange Epistel, denn ich habe lange wach gelegen und über vieles nachgedacht, was ich mit Dir besprechen möchte. Dabei geht es um das, was zwischen Dir und mir vielleicht einmal sein könnte.
Ich denke immer noch über Deinen „Schnellzug der Liebe“ nach. Mit diesem Wort hast Du ausgesprochen, was in Wahrheit längst zwischen uns begonnen hat. Seit meiner ersten großen Liebe vor fast 50 Jahren zu einem Mädchen, das dann von einem Lastwagen getötet wurde, denke ich darüber nach, was Liebe eigentlich ist, und bin kaum um eine Erkenntnis reicher geworden.
Und nun endlich zu meinen Überlegungen der letzten Nacht: Ich habe ja mit Karin (ich nenne sie lieber beim Namen als immer von „meiner verstorbenen Frau“ zu sprechen) 45 Jahre glücklich zusammen gelebt. Wahrscheinlich ist sie mehr auf mich eingegangen als ich auf sie, obwohl ich mich immer darum bemüht habe. Doch als früherer Pfadfinderführer und späterer Vorgesetzter im Beruf war ich stets gewohnt, die Richtung anzugeben. Bei Dingen, die ihr wichtig waren, hat sie allerdings sehr klar ihre Forderungen vertreten und ich habe sie erfüllt.
Ich suche jetzt wieder eine Frau, mit der ich zusammen leben kann. Ich bin mir sehr klar darüber, dass die tiefe Liebe zwischen Karin und mir nicht wiederholbar sein wird, aber vielleicht einiges davon. Nach allem, was ich bisher von Dir weiß, könnte es mit Dir noch sehr schön werden, wenn Du denn überhaupt eine derart enge Bindung willst. Allerdings birgt ein solches zusammen Leben einige Risiken:
Man muss sich dazu noch wesentlich besser kennen als wir es zur Zeit tun. Wir kennen unser Aussehen, unsere Stimmen und ein wenig von unseren Neigungen, aber wir haben uns noch nie in die Augen geschaut, noch nie (nicht einmal im Händedruck) berührt, wissen nicht, ob wir uns riechen können, und absolut nichts über unsere geistigen und körperlichen Bedürfnisse.
Meine Einkünfte sind ausreichend, um uns ein auskömmliches Leben mit vielen Reisen zu sichern, besonders, solange wir in meinem schuldenfreien Haus wohnen können. Aber meine statistische Lebenserwartung beträgt nur noch 10 Jahre, Deine hingegen doppelt so viel.
Meine liebe Rosemarie, das klingt alles furchtbar nüchtern, wo wir doch gerade erst festgestellt haben, dass eine Liebe zwischen uns wächst. Aber ich meine, gerade deshalb muss jeder von uns die Vorstellungen und Wünsche des anderen genau kennen. Ich werde Dich auch lieben, wenn Du Dir ein derart enges Zusammenleben mit mir – noch – nicht vorstellen kannst, nur würde dann die Planung für den Rest meines Lebens ganz anders aussehen; ich weiß selbst noch gar nicht wie. Ich weiß auch, dass ich Dich jetzt mit Fragen überfalle, über die Du möglicherweise noch nie nachgedacht hast. Deshalb brauchst Du Zeit, das ist mir ganz klar. Wir sind ja auch jetzt gerade erst an einem Punkt angekommen, wo sich diese Fragen stellen.
Ich möchte noch viel mehr schreiben, doch ich weiß, dass Du schon sehnsüchtig auf meine Antwort wartest. Deshalb schließe ich jetzt erst einmal und vertage das Weitere auf die nächsten Mails. Ich grüße Dich ganz herzlich (wie gerne würde ich Dich in die Arme nehmen), Dein Ernst-Günther

Rosemarie:
Als ich diese Mail lese, weiß ich, dass wir uns jetzt unbedingt persönlich kennen lernen müssen und rufe Ernst-Günther an. Ich schlage ihm den 31. Oktober vor, der bei uns Feiertag ist und will den Freitag danach als Brückentag nehmen. Als er fragt: „Gehen wir zu mir oder zu Dir?“, muss ich schallend lachen. Weil er ein separates Gästezimmer hat, einigen wir uns, dass ich nach Hamburg komme. Jeder gesteht dem anderen, dass er Schmetterlinge im Bauch hat. Ich werde im Internet auf den Fahrplan schauen und mich wieder melden.

28. 10. 2002  Guten Morgen, meine Liebe Rosemarie,
... Die Telefonate mit Dir sind unwahrscheinlich schön für mich. Du hast so eine frische und fröhliche Stimme und Dein Lachen ist so herzhaft und befreiend, dass ich nur immer mit lachen konnte. Ich wünsche uns, dass wir noch viel miteinander lachen können.
Nun sind es nur noch drei Tage, bis wir uns in die Augen schauen, uns anfassen und unbegrenzt miteinander sprechen können, ich freue mich mächtig darauf. Natürlich bin ich auch gespannt auf diese erste Begegnung, doch habe ich nicht die geringste Furcht, dass wir voneinander enttäuscht sein werden.
Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag. Sicher werden wir heute Abend wieder miteinander sprechen. Bis dahin herzliche Grüße von Deinem Ernst-Günther

28. 10. 2002  Mein lieber Ernst-Günther,
es war wieder Gedankenübertragung, ich habe fast zu der Zeit, als Du Deine Mail abgeschickt hast, in die Box geschaut. Aber erst einmal vielen Dank! Ich halte mich mit meiner Wortwahl ein bisschen zurück, da ich vom Dienst aus schreibe, und „wie es darinnen aussieht, geht niemand was an“ (Franz Lehár, Das Land des Lächelns).
Ich wünsche Dir einen sonnigen Tag und denke an Dich. Wir telefonieren heute Abend.
Ganz lieb, Deine Rosemarie

29. 10. 2002  Guten Morgen, meine Liebe,
die Sonne scheint und es ist gar nicht kalt. Solch Wetter wünsche ich mir für die Tage mit Dir, damit Du Hamburg mal ohne Regen erleben kannst.
Es war wieder wunderschön, gestern mit Dir zu sprechen Übrigens hätte ich gewusst, wo „es darinnen aussieht“. Trotzdem glaube ich, gerade auf diesem Feld viel von Dir lernen zu können. – In zwei Tagen bist Du schon fast hier, ich freue mich!
Der erste Teilnehmer mit einigen Fragen ist eben schon gekommen, deshalb mache ich jetzt erst mal Schluss und freue mich auf eine Mail von Dir und ganz sicher wieder ein liebes Gespräch zum Abend.
Herzliche Grüße bis irgendwann nachher, ich grüße Dich von Herzen und wünsche Dir einen schönen Tag, Dein Ernst-Günther

29. 10. 02  Hallo, mein lieber Ernst-Günther,
Dank für Deine Mail. Es sollte auch eine Überraschung sein. Ich bin heute Abend später zu Hause. Muss zum Zahnarzt, zur Nachbehandlung der Blitzaktion von vor 4 Wochen. Dann zum Bahnhof meine Fahrkarte holen (sehr wichtig!!!!!!!!!) und anschließend noch Wege erledigen. Ich schätze, ich bin gegen 20 Uhr zu Hause. Das nur so ausführlich, damit Du nicht umsonst wartest. Ich melde mich dann.
Pass gut auf Dich auf, herzliche Grüße Deine Rosemarie

30. 10. 2002  Guten Morgen, meine liebe Rosemarie,
zu allererst hoffe ich, dass deine Halsschmerzen besser geworden sind, damit Du fröhlich in diesen Tag und auf unsere Begegnung morgen blicken kannst. Wenn Du irgend kannst, gib mir doch noch vor dem Abend Bescheid, wie es Dir geht. ...
Du weißt doch, dass mein Herz schon lange bei Dir ist. Ich liebe das, was ich bisher von Dir weiß und kennen gelernt habe, und ich möchte so gerne alles an Dir lieben. Um viel mehr voneinander zu wissen und kennen zu lernen, treffen wir uns doch morgen. Ich hoffe inständig, dass wir beide dabei zu dem Schluss kommen, zwischen uns könnte eine dauerhafte Gemeinschaft möglich sein.
Zum Abend schaue ich wieder in die Box und würde mich über ein Bulletin von Dir freuen.
Herzliche Grüße bis dahin, Dein Ernst-Günther

31. 10. 2002
Rosemarie:
Mein Zug aus Dresden bekommt unterwegs 23 Minuten Verspätung. Meine Knie werden weich, denn die ganze Fahrt ist für mich ohnehin aufregend. Jetzt bis zum Augenblick der Begegnung noch länger zu warten, kostet Nerven. Ich schaue in den Spiegel und bin mit meinem Bild einigermaßen zufrieden. Wie wird dieser Mann auf mich reagieren? Wird die persönliche Begegnung die große Zuneigung noch verstärken, die wir in den Mails und Telefonaten der letzten Woche aufgebaut haben? Wie wird der Abend verlaufen und dann die Nacht? Werden wir ganz zueinander finden? Ich wäre dazu bereit, wenn er sehr zärtlich ist.

Ernst-Günther
Ich bin schon 20 Minuten vor Ankunft des Zuges am Hauptbahnhof und kaufe eine langstielige rote Rose. Ich habe Herzklopfen, ich weiß genau, diese Begegnung wird entscheidend für mein weiteres Leben sein. Und dann hat der Zug auch noch 23 Minuten Verspätung! Als Rosemarie aussteigt, erkenne ich sie sofort, laufe auf sie zu und umarme sie.

Rosemarie:
Endlich in Hamburg angekommen, erkenne ich Ernst-Günther, wie er mit einer riesenlangen roten Rose auf mich zu kommt. Ich laufe ihm entgegen, schwebe ihn an den Hals und flüstere: „Geschafft“. Damit ist die Spannung erst einmal gelöst.

Ernst-Günther
Ich habe Rosemarie zum Essen ins "Salathai" eingeladen und freue mich, wie sie mutig die thailändischen Speisen genießt. Anschließend spazieren wir Hand in Hand an der Alster entlang zum Rathausmarkt und ins Hanseviertel. Ich möchte hier mit Rosemarie Kaffee trinken, wo ich oft mit Karin gesessen habe.

Rosemarie:
Als Ernst-Günther mir das sagt, freue ich mich. Karin und ich hätten sicherlich Freundinnen sein können. Immer wieder geben wir uns leichte Küsse auf die Wangen und die Haare. – In Bergedorf erklingt in Ernst-Günthers Wagen klassische Musik aus dem Radio. Das ist schön.

Ernst-Günther
Nachdem ich Rosemarie mein Haus und das Gästezimmer gezeigt habe, sprechen wir über unsere Zukunft. Ich frage, ob sie bereit ist, mit mir zusammen zu leben. Sie stimmt zu, will jedoch ihre Wohnung in Dresden behalten. Das ist mir lieb, denn auch ich mag diese Stadt.

Rosemarie:
Nach dem Abendessen liest Ernst-Günther mir beim Wein ein türkisches Liebesmärchen vor, dann schaut er mich an und sagt „Ich möchte dich mal richtig küssen.“ Gerne beuge ich mich zu ihm.

Ernst-Günther
Als ich am Morgen nach einer wundervollen Nacht in Rosemaries liebes Gesicht schaue, weiß ich: Jetzt bin ich nicht mehr alleine. Das macht mich unendlich glücklich.

Rosemarie:
Beim Frühstück mit einer Flasche Sekt bitte ich Ernst-Günther, mit mir zu Karins Grab zu fahren. Ich möchte mich bei ihr mit einem schönen Strauß für ihn bedanken, so wie er es bei seinem ersten Besuch in Dresden am Grab meiner Eltern tun will. Ich bin überzeugt, dass Karin und meine Mutti, die ich so sehr geliebt habe, uns zusammen geführt haben. Ich kaufe einen schönen Strauß und stelle ihn auf das Grab, dann küssen wir uns herzlich und innig.

Ernst-Günther
Wie ich schon vor 45 Jahren Karin an Dietlinds Grab mit Küssen dankte, muss ich jetzt auch diese liebe Frau küssen, weil sie Karin in unsere neue Gemeinschaft hinein nehmen will. Als Dank dafür und zur Erinnerung an unsere erste gemeinsame Nacht schenke ich ihr den Widderarmreif, den ich Karin in Heraklion zur Silberhochzeit gekauft und mir vor ihrem Tode als einziges Schmuckstück erbeten habe. Mein Verstand sagt, das sei noch zu früh, ich wisse ja gar nicht, ob wir zusammen bleiben würden, aber mein Herz sagt ja.

Rosemarie:
Ich bin überwältigt von der Geste und auch von der Schönheit des Stückes und will es zunächst gar nicht nehmen, doch allmählich finde ich doch Gefallen daran und lege ihn an.
Als wir überlegen, was wir über die Jahreswende unternehmen können, kommt uns die Idee, über Silvester nach Prag zu fahren, das ja von Dresden nicht weit entfernt ist.
Am Samstag muss ich leider schon wieder fahren. Auf dem Bahnsteig küssen wir uns, bis der Zug einläuft. Ich habe das Gefühl zu schweben.

Ernst-Günther
Gleich, als ich nach Hause komme, schicke ich Rosemarie eine Mail:

2. 11. 2002  Hallo, liebe Rosemarie, Du meine liebe Frau,
jetzt bist Du bald zu Hause, sicherlich auch noch erfüllt von unserer Begegnung wie ich, da sollst Du einen Brief von mir vorfinden. Wenn ich "meine liebe Frau" schreibe, dann ist das mein voller Ernst, denn Du bist die Frau, mit der ich mein weiteres Leben verbringen will. 
Und deshalb sende ich Dir jetzt ebenfalls ein Gedicht, das ich in meinem ersten Roman geschrieben habe, und das mein Fühlen jetzt sehr gut ausdrückt:

Einsam war ich,                                 Du hast mich angenommen.
Ein Panzer schloss mich ein,       -        Du hast ihn aufgebrochen.
Verzweiflung bedrückte mich,    -        Du gabst mir Hoffnung.
Oft wurde ich enttäuscht,        
          Dir kann ich mich anvertrauen.
Stolz verschloss mein Herz,               Du hast es weit geöffnet.
Meine Seele fror,                              Deine Liebe wärmt mich.
Ein Wunder ist mir geschehen:           Du Engel liebst mich.
Mit all meiner Liebe                          will ich Dir danken.
Mein ganzes Leben lang                   will ich Dir gehören.

Vor einem Weilchen habe ich Mittag gegessen, und es war trist und einsam und hat nicht halb so gut geschmeckt wie mit Dir zusammen. Und wenn ich daran denke, dass ich heute Abend wieder alleine in meinem Bett liege und niemanden zum Kuscheln habe, werde ich ganz traurig und zähle die Tage, bis Du frei bist, mit mir zusammen zu sein. Wird es Dir ähnlich gehen? Aber was wir an diesen beiden Tagen miteinander hatten, war wunderschön, einzigartig. Noch einmal herzlichen Dank, dass Du Dich mir geschenkt hast.
Ich grüße Dich von ganzem Herzen, meine Königin, Dein Ernst-Günther  

Rosemarie:
Auf der langen Fahrt zurück nach Dresden bin ich wie benommen. Wie lange habe ich auf solch einen lieben Menschen gewartet - und jetzt ist es plötzlich Wirklichkeit geworden. Von zu Hause rufe ich Ernst-Günther sofort an und danke ihm auch von Herzen für seine Mail. Im Internet finde ich ein Angebot, einige Tage über die Jahreswende in Prag zu verbringen und in der Neujahrsnacht "Die Fledermaus" in der Staatsoper zu sehen. Das gefällt uns beiden gut

3. 11. 2002  Noch einmal einen guten Morgen und schönen Tag, meine liebe Rosemarie.
Es war so schön, vorhin gleich wieder Deine liebe Stimme zu hören, wo ich noch gar nicht damit gerechnet hatte. Das entschädigt mich ein bisschen für das einsame Erwachen vor dem schönen roten Himmel.
Ich schicke Dir das gesamte Gedicht mit, von dem Du vor hundert Jahren schon den letzten Abschnitt bekommen hast, und das mich immer wieder begeistert:

„Es ist, was es ist“, sagt die Liebe,
„Es ist ein Unglück“, sagt die Berechnung,
„Es ist nichts als Schmerz“, sagt die Angst,
„Es ist aussichtslos“, sagt die Einsicht,
„Es ist, was es ist“, sagt die Liebe,
„Es ist lächerlich“, sagt der Stolz,
„Es ist leichtsinnig“, sagt die Vorsicht,
„Es ist unmöglich“, sagt die Erfahrung;
„Es ist, was es ist“, sagt die Liebe.

Und nun wünsche ich Dir noch einen schönen Tag und freue mich, Dich nachher wieder richtig zu hören. Ich könnte Dich stundenlang küssen, so sehr liebe ich Dich. 
Herzlich, Dein Ernst-Günther

Rosemarie:
Seit diesem herrlichen Wochenende telefonieren wir täglich mehrmals miteinander und wechseln viele liebe Mails.

Ernst-Günther
Am 21. 11. fallen wir uns in Rosemaries Wohnung um den Hals und küssen uns innig. „Honigseim und Milch“, sage ich glücklich. Wir trinken Kaffee und essen den herrlichen Kuchen, den sie in der Nacht noch gebacken hat.

Rosemarie:
Irgendwann ist es Zeit, Abendbrot zu essen. Bei einem guten Medoc und Musik sitzen wir und lassen es uns schmecken. Danach liest Ernst-Günther die Geschichte „Der Schweigende“ vor, in der wir immer wieder Anspielungen auf unsere Liebe sehen. Ich habe den Kopf in seinem Schoß und höre glücklich zu, während er mein Gesicht und Hals streichelt.

Ernst-Günther
Am 22.11
essen wir abends im gepflegten Restaurant auf dem Theaterschiff. Als Rosemarie sagt, sie fühle sich von ihrer Herkunft zu meiner Ebene gehörig, stimme ich zu. Genau das fühle ich schon lange.

Rosemarie:
Sonntag fahren wir nach Berlin. Als im Totengedenk-Gottesdienst Karins Namen verlesen wird, ergreife ich Ernst-Günthers Hand, das berührt ihn. Auch das gemeinsame Abendmahl mit ihm ist für uns großartig und später erzählt er mir von dem ersten Abendmahl mit Karin nach dem vollkommenen Eins-Werden und dem letzten auf der Terrasse kurz vor ihrem Tode.

25. 11. 2002  Hallo, Du meine geliebte Herzenskönigin,
... Wir hatten drei wundervolle Tage miteinander, in denen wir uns noch besser kennen gelernt haben und unsere Liebe viel fester geworden ist. Bis zum nächsten Mal sind es ja nur noch 11 Tage. Ich freue mich schon mächtig darauf. In großer Liebe grüße ich Dich, geliebtes Herz, Dein Ernst-Günther

 25. 11. 2002  Hallo, mein geliebter Schatz,
Du bist wirklich ein Meister des Wortes. Ich habe auch empfunden, dass unsere Liebe eine neue Stufe erreicht hat, und darüber bin ich sehr glücklich. Man könnte fast sagen, jetzt tritt der Ernst des Lebens ein. Das klingt vielleicht ein bisschen nüchtern, ist aber sehr liebevoll gemeint. Ich drücke Dich ganz toll. In Liebe, Deine Rosemarie

Ernst-Günther
Zwei Wochen später ist Rosemarie wieder in Hamburg, wo wir für die Silvstergala in Prag ein schickes Abendkleid für sie kaufen. Als mir ihr Hals etwas nackt aussieht, erwerben wir bei Wempe noch eine schöne Goldkette. Abends stelle ich Rosemarie meinem Sohn Andreas vor, der sie umarmt und ihr das „Du“ anbietet.

Rosemarie:
Zu Weihnachten kommt Ernst-Günther nach Dresden. Auch ich stelle ihn meinem Sohn und seiner Familie vor, die ihn sofort akzeptiert. Am 28. 12. schlägt Ernst-Günther mir auf der Fahrt nach Prag vor, dort Ringe zu tauschen. 

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1. 1. 2003
Ernst-Günther
Beim Läuten der Neujahrsglocken zwei Monate nach unserer ersten Begegnung streife ich in der Oper Rosemarie den Ring auf den linken Ringfinger und sage zu Ihr "Ich will dich lieben und für dich sorgen mein Leben lang." Ich bin bewegt, denn genau vor 46 Jahren habe ich mich mit Karin verlobt.

Rosemarie:
Auch ich bin bewegt von dem Ernst meines Geliebten, als ich ihm den Ring aufsetze, und verspreche ihm eine schöne gemeinsame Zukunft. Dann küssen wir uns lange und innig.