Ernst-Günther Tietze: "Jade und Diamanten", Leseproben 

© Copyright 2000/2014 Ernst-Günther Tietze

Aus Kapitel 1 "Diamanten"                     Literaturverzeichnis

Diamanten sind die Könige der Juwelen. --- Das hatten die Minister der thailändischen Regierung im Kopf, als sie am ersten Montag im Januar 2000 beschlossen, zum Beweis für die überwundene Wirtschaftskrise eine einzigartige Diamantenausstellung „Diamond 2000“ im Gems and Jewelry Tower zu veranstalten, die alles bisher Gesehene in den Schatten stellen sollte: Alle großen Diamanten der Welt sollten als Leihgaben gezeigt werden. Der Innenminister hatte als einziger gegen die Ausstellung gestimmt, denn er wusste genau, wie schlecht die Polizei für den Schutz der wertvollen Ausstellungsstücke ausgerüstet war. „Ich verstehe Ihre Sorgen sehr gut, Khun Plavudh“, sagte der Ministerpräsident, „aber wir müssen der Welt jetzt zeigen, dass wir kein Entwicklungsland mehr sind. Und Sie dürfen beweisen, dass ich Sie zu Recht für diesen Posten ausgewählt habe. Ich sehe ein, dass die Polizei bessere Hilfsmittel braucht. Nennen Sie sie mir und wir werden sie bereitstellen.“

In seinem Büro warf sich der Minister vor der Buddhafigur auf die Knie und das Gebet klärte seine Gedanken: Er hatte einen Mitarbeiter, der vor kurzem von zweijährigen Studien in Europa zurückgekommen war: Siripong Woraphrasittikhul war 29 Jahre alt, hatte Informatik studiert und sprach fließend englisch und deutsch. Kurz vor der Europareise hatte er eine intelligente chinesisch stämmige Architektin geheiratet, deren Vater ein bedeutender Im- und Exportkaufmann war. Zehn Minuten später saß der ihm junge Mann gegenüber. „Ich habe eine große und wichtige Aufgabe für Sie, Khun Siripong“, sagte der Minister freundlich: „Die ‚Diamond 2000’ liegt uns schwer im Magen, weil sie die Verbrecher anziehen wird, wie das Licht die Motten. Sie sollen mein Auge und Ohr sein in den kommenden Wochen und als mein Gehirn alle Informationen verknüpfen, die Sie erhalten. Sie bekommen das Recht, jegliche Information, die Sie für notwendig halten, von allen Behörden und staatlichen Unternehmen einzuholen und beliebig auszuwerten. Sie sind mir unmittelbar berichtspflichtig und haben jederzeit Zugang zu mir.

Sie sollten wissen, dass die Versicherungsprämie für Steine 100 Millionen Baht beträgt, bei Nicht-Inanspruchnahme werden fünfzig Prozent zurückgezahlt. Sie können also einen vertretbaren Aufwand planen. Überlegen Sie bitte, welche Mittel Sie brauchen. Sie bekommen ein eigenes Büro und einen Wagen mit ständigem Fahrer.“ Der Minister überlegte einen Moment: „Noch etwas bedenken Sie bitte: Ihre Aufgabe ist zwar kein Staatsgeheimnis, aber in Ihrem eigenen Interesse sollten so wenig Menschen wie möglich davon erfahren, zumindest von ihrem wahren Umfang. Wenn Sie Mitarbeiter brauchen, müssen diese überprüft werden. Und nun wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Arbeit.“ Mit dem Wai und einer leichten Verbeugung wollte Siripong sich zurückziehen, doch der Minister reichte ihm ganz gegen die Gepflogenheiten die Hand. Er war froh über seine Entscheidung, merkte aber noch gar nicht, dass er eben begonnen hatte, das hierarchische System zu demontieren.

Am Abend berichtete Siripong seiner Frau Su Chan von der neuen Aufgabe, nicht ohne zu verhehlen, dass er überhaupt nicht wusste, wie er sie angehen sollte. „Du hast nur knapp sieben Wochen Zeit“, ließ Su die Gedanken schweifen, „und brauchst wenige, aber sehr gute Leute und einen direkten Zugriff auf die Datenbanken aller Behörden. Das erste ist schwer in einem Ministerium, das zweite nahezu unmöglich, denn man fängt bei Euch gerade erst mit internen Netzen an. Außerdem musst du direkten Kontakt zu zentralen Polizeibehörden im Ausland aufbauen. Und du darfst höchstens fünfzig Millionen Baht ausgeben. Um das ständig im Auge zu haben, brauchst du eine transparente Kostenrechnung. Außerdem brauchst du eine fremdsprachlich versierte Sekretärin, Vater hat vor kurzem eine junge Fremdsprachenkorrespondentin eingestellt, die fließend Englisch und japanisch spricht und etwas von Kostenrechnung versteht. Vielleicht leiht er sie dir.“ Für Siripong war eine leistungsbezogene Kostenrechnung völliges Neuland. Doch er sah Su’s Argument ein und küsste sie zärtlich. „Ich habe zwar vor dem Minister den starken Mann markiert, aber innerlich war mir gar nicht wohl dabei. Du hast mir sehr geholfen mit deinen klaren Gedanken“, sagte er leise und küsste sie. Doch Su nahm ihn an der Hand und führte ihn in ihr gemeinsames Arbeitszimmer. Dort hatten sie ihren PC stehen, darüber stand auf einer Konsole eine große Jadefigur von Kuan Jin. Sie trug einen weiten Mantel, dessen Kapuze ihre Krone überdeckte. In der linken Hand hielt sie ein Fläschchen, aus dem Wasser des Lebens floss. Die Rechte war zum Segen erhoben. Die beiden knieten vor der Statue nieder, berührten mit der Stirn den Boden und baten sie im stillen Gebet um Unterstützung bei Siripongs schwieriger Aufgabe.

Siripong bat den Minister, ihm Jumroen Prongfachan, dem Kommunikationsleiter des Innenministeriums zur Verfügung stellen und nannte die von seiner Frau geschätzten Kosten von 50 Millionen Baht. Der Minister genehmigte die Vorschläge und Jumroen ging ans Werk. Technisch war der Datenzugriff einfacher als Su befürchtet hatte, doch in vielen Köpfen stürzten Welten ein, weil man Informationen bisher mit niemandem teilte, sie waren ein Schatz, der Macht vermittelten. In den nächsten Wochen schaltete Jumroen über alle möglichen Leitungen ein Netz durch ganz Bangkok, an das die Polizei, alle wichtigen Behörden und die staatlichen Verkehrs-, Versorgungs- und Telekommunikationsunternehmen angeschlossen waren.

Am meisten freute Siripong der gute Kontakt zum Polizeichef von Bangkok. General Pongsakorn Saktasana. Der war erfahren genug, um zu begreifen, dass der junge Mann ihm und seinen Polizisten eine wertvolle Hilfe beim Schutz der Ausstellung sein konnte. Und da Siripong den kleinen drahtigen Offizier von vornherein als älteren erfahrenen Kollegen anerkannte, wies der alle Polizeidienststellen an, ihm jegliche Unterstützung zukommen zu lassen.

Aus Kapitel 2 "Die Company"                                 

Der Innenminister hatte Recht mit seiner Befürchtung: Auch die Gegenseite war nicht untätig. Neben vielen großen und kleinen Gaunern, die auf eigene Faust arbeiteten, interessierte sich vor allem eine internationale Organisation für die „Diamond 2000“. Und außerdem war da ein arabischer Multimillionär, der den Buddhismus hasste, diese friedlichste aller großen Weltreligionen, weil sie nach seiner Ansicht die Ausbreitung des Islams verhinderte. Jetzt wollte er einen Coup landen, der alle Anhänger Buddhas tödlich kränken sollte.

Andrew (Andy) McCoolen war der Boss des internationalen Kartells mit Sitz in Chicago. Er hatte Elektrotechnik und Betriebswirtschaft studiert und war dank seiner Führungsqualitäten in wenigen Jahren er der unumstrittene Chef der „Company“ geworden. Unter Benutzung des Internet und von Multi-Band-Mobiltelefonen waren die führenden Leute rund um die Uhr weltweit erreichbar. Und er hatte ein einheitliches Finanzsystem eingeführt. Sowohl die amerikanische Zentrale als auch die Filialen in anderen Ländern waren als normale, Steuern zahlende Wirtschaftsunternehmen unterschiedlicher Richtungen organisiert, wodurch sie die Erträge ihrer Raubzüge recht problemlos „waschen“ konnten. Nun wollte er sich in Thailand selbst informieren und flog nach Bangkok.

Er saß bei einem Absacker an der Bar, als es bei einem Gewitter plötzlich einen nahen Blitz gab, unmittelbar gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag, und das Licht ausging. Nach einer Minute gab es im Hotel wieder Licht, wie alle großen Häuser hatte das Hotel eine Notstromversorgung. In der Nacht wachte er auf und als er an den Stromausfall dachte, kam ihm eine Idee: „Wenn es gelänge, während der Ausstellung in der ganzen Stadt die Stromversorgung lahm zu legen, würde ein fürchterliches Chaos ausbrechen, bei dem unsere Leute im Tower leichte Arbeit hätten.“ Gleich am Morgen gab er den Auftrag, Unterlagen über die Stromversorgung der Stadt zu beschaffen.

Am Nachmittag brachten ihm seine beiden ranghöchsten Mitarbeiter die gewünschten Informationen: Chavalit Virunvesachakul, der Boss der als Reinigungsunternehmen getarnten Filiale ihrer „Company“, hatte gerade durch ein Tiefpreisangebot den Auftrag für die tägliche Säuberung des Ausstellungssaales im Gems and Jewelry Tower an Land gezogen. Sein Begleiter, Phaitchit Wathanawe hatte wichtige Einzelheiten über die Stromversorgung der Stadt zusammengestellt. Er war vor der Wirtschaftskrise ein bekannter Finanzmakler gewesen und hatte durch Kredite an befreundete Unternehmen sein ganzes Vermögen verloren. Weil er im normalen Geschäftsleben vorläufig nicht akzeptabel war, hatte er sich der „Company“ angeschlossen. Er war intelligent, einsatzbereit und kannte Gott und die Welt.

Die Informationen über die Stromversorgung gliederten sich in einen organisatorischen und einen technischen Teil, und beide waren hochinteressant: Seit einem Jahr befanden sich Thailands Versorgungsunternehmen im Umbruch. Als der IMF in der Wirtschaftskrise mehr als 17 Milliarden Dollar bereitstellte, war seine Bedingung die Privatisierung aller Staatsunternehmen gewesen. Bisher die war Stromversorgung in drei staatseigene Gesellschaften gegliedert, jede von ihnen erledigte alle internen Dienstleistungen selbst. Die geplante Struktur sollte aussehen wie in den westlichen Industrieländern: Erzeugungsgesellschaften beliefern ein Transportunternehmen, an das eine Reihe von Verteilungsunternehmen angeschlossen sind, die sowohl Großkunden als auch kleine lokale Vertreiber beliefern. Alle anderen Aktivitäten werden als unabhängige Unternehmen ausgegliedert. Das war teilweise schon geschehen, und alle Serviceleistungen mussten öffentlich ausgeschrieben werden. Dieser Prozess war mitten im Gange und niemand in den betroffenen Unternehmen wusste genau, wo man eigentlich stand.

Das Bangkoker Netz war stabil aufgebaut. Von einem Ring von 230-kV-Leitungen gingen alle Leitungen in die Stadt ab, zwei Kraftwerke und zehn Leitungen von außen speisten den Ring. Andy war sich darüber klar, dass er an den Schutzeinrichtungen des Ringes ansetzen musste, wenn er die Versorgung der ganzen Stadt unterbrechen wollte. Er musste detaillierte Informationen über sie haben und wissen, wer für die Instandhaltung zuständig war. Andy bat Phaitchit, die notwendigen Informationen zu beschaffen und ließ noch für die Nacht den Rückflug nach Chicago reservieren.

Doch jedes Mal, wenn er in einem buddhistischen Land war, besuchte er einen Tempel. Diese Gelassenheit, die der Buddha ausstrahlt und die tiefe Gläubigkeit der Menschen hatten ihn immer wieder beeindruckt, er hätte ohne weiteres Buddhist sein können. Vor dem Hotel wurden Bootsfahrten quer über den Fluss zum Tempel der Morgenröte auf der anderen Seite des Flusses angeboten. Bewegt lag der Chef der weltgrößten Verbrecherorganisation mit ineinander gelegten Händen auf den Knien und berührte mit der Stirn den Boden wie die Thais neben ihm. „Großer Buddha“, dachte sein Gehirn ganz ohne sein Zutun, „ich weiß, dass ich kein Recht habe, Dich anzusprechen. Ich tue es trotzdem, weil ich von Deiner Güte und Toleranz weiß, die unendlich viel größer ist als die der anderen Götter dieser Erde. Du kennst weder Rache noch Eifersucht und würdest nie Menschen nur deshalb strafen, weil sie nicht an Dich glauben. Ich bitte Dich nicht um Erfolg bei unserem Coup, das wäre ein Verstoß gegen Deine Güte. Aber ich bitte Dich für mich, dass Du mein Leben segnest. Und ich verspreche Dir, dass ich mir nach dem Coup die Zeit nehmen werde, mich intensiv mit Deiner Lehre zu beschäftigen.“ Als er den Kopf wieder aufrichtete, glaubte er, ein leises Lächeln über das unnahbare Gesicht des Buddha huschen zu sehen. Nur schwer riss er sich los und schlug dreimal eine der vielen Glocken, bevor er zum Hotel zurück fuhr. Die Überlieferung sagt, dass man zum Tempel zurückkehren wird, wenn man dort eine Glocke dreimal geschlagen hat.

Aus Kapitel 3 "Siripong"                                    

Siripong hatte von dem Stromausfall erfahren, der durch einen Blitzschlag in eine Mittelspannungsleitung verursacht worden war. Zwar kamen solche Ausfälle in Bangkok täglich vor und alle großen Hotels und Geschäftshäuser hatten Notstromaggregate, aber wenn er an die Ausstellung dachte, bekam er ein flaues Gefühl. Was wäre die Folge, wenn die Gangster einen Blackout hervorrufen würden? Zumindest ein Verkehrschaos auf den schon jetzt chaotischen Straßen der Innenstadt. Kein Polizeifahrzeug würde mehr durchkommen und die Verbrecher wären in der Dunkelheit kaum zu finden. Er musste wissen, wie sicher die Stromversorgung war, doch davon verstand er nichts. Er konnte die Versorgungsunternehmen fragen, doch kannten sie sie überhaupt? Jumroen gab ehrlich zu, von Datennetzen eine ganze Menge, von Energienetzen aber überhaupt nichts zu verstehen.

Als er am Abend Su von seinen Sorgen erzählte, kam ihr die richtige Idee: „Frag doch Wolf Lehman, vielleicht kann der dir die Sache erklären“, sagte sie, ohne lange zu überlegen. Wolfgang Lehmann war ein deutscher Ingenieur, der viele Jahre die Lastverteilung eines großen deutschen Stromversorgers geleitet und nach seiner Pensionierung er thailändische Landesverteilungsgesellschaft für eine zuverlässigere Versorgung beraten hatte. Das war genau der richtige Tipp, und Siripong dankte seiner Frau für die gute Idee. Schon am nächsten Tag war der Deutsche bei ihm im Büro und erläuterte ihm die Schaltbilder auf dem Monitor mit den vier auf der ganzen Welt ähnlichen Netzebenen:

     -       das vermaschte 230-kV-Transportnetz mit den Kraftwerken und den großen Umspannstationen,
-       die 69-kV-Übertragungsnetze mit den vielen Umspannstationen zur Mittelspannung und einer Reihe von Großkunden,
-       die 11-kV-Mittelspannungsnetze auf den Straßen für die meisten größeren Kunden und zu den Netztransformatoren,
-       die von diesen gespeisten kleinen Niederspannungsnetze zur Versorgung von Kleingewerbe und Haushalten.    

„Wo würden Sie ansetzen, um einen Blackout der Stadt zu bewirken?“, fragte Siripong ganz direkt. „Wenn ich mir diesen kräftigen 230-kV-Ring ansehe, bezweifle ich, dass ein Blackout in ganz Bangkok machbar ist. Man müsste mindestens alle zehn Einspeisungen von außen auslösen oder in allen fünf Stationen mit Einspeisungen beide Sammelschienen tot legen.“ „Ginge es über den Schutz?“ „Sicher, wenn Sie in allen Stationen Leute an den Schutz stellen, die zur selben Zeit ein Aus-Kommando geben.“ Er hatte noch die alten analogen Schutzrelais aus seiner aktiven Zeit im Kopf. „Etwas kommt noch hinzu: Das 230-kV-Netz kann vollständig von der Lastverteilung beim Kraftwerk Nord ferngesteuert werden, und alle Stationen sind mit Schaltpersonal besetzt. Man kann also im Fall eines Fehlers die Versorgung schnell wieder aufnehmen.“ Siripong wusste zunächst Bescheid und bedankte sich mit einer Einladung zum Mittagessen am nächsten Sonntag in ihrem Haus.

 „Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn ich sehe, wie ganz junge Paare Hand in Hand einen Tempel betreten, Kerzen und Räucherstäbchen anzünden und vor dem Buddha niederknien. Das gibt es bei uns nicht einmal in der katholischen Kirche“, sagte Wolf nachdenklich nach dem Essen. „Wir sind so erzogen“, erläuterte Siripong. „Der Buddhismus, und besonders seine Thai-Ausprägung ist eine außerordentlich friedliche und tolerante Religion. Da erscheint es selbstverständlich, dem Buddha, der ja kein Gott ist, und den vielen Geistern Ehrerbietung entgegen zu bringen.“ „Wir beide denken schon lange darüber nach“, warf Barbara ein, „wenn man die wirkliche Lehre von Jesus Christus, nicht was die Kirche daraus gemacht hat, mit den Lehren Buddhas vergleicht, findet man verblüffende Ähnlichkeiten. Da Buddha aber lange vor Christus gelebt hat, muss er doch der Ursprung dieser Lehren sein. 543 Jahre sind eine lange Zeit, und der Weg von Indien nach Palästina ist nicht so weit. Ich bin davon überzeugt, dass der Buddhismus das Christentum ganz erheblich beeinflusst hat.“

Su hatte aufmerksam zugehört. Jetzt kam ihr ein Gedanke: „Nicht zufällig sind ja Ihre und unsere Religion durch begnadete Prediger aus sehr viel älteren Glaubenslehren mit stringenten, Menschen-verachtenden Gesetzeswerken abgeleitet worden. In meinen Augen ist der Unterschied nur gering, ob die Hindufrau jeden Tag die Lebensmittel zur Weihe in den Tempel schleppen muss – und ihn während ihrer Periode nicht einmal betreten darf, oder ob die jüdische Frau ihr Haus abbrennen lassen muss, weil es zufällig am Sabbat brennt. Bei beiden dienten die Gesetze seit Jahrtausenden hauptsächlich zur Wahrung der priesterlichen Vorherrschaft und Macht. Und dann sind diese begnadeten Prediger Buddha und Jesus gekommen und haben die Menschlichkeit, die Zuwendung, die Liebe vor die Gesetze gestellt. Sie haben die alten Götter nicht abgeschafft, nur eben die selbstherrliche Kaste der Priester zwischen Gott und den Menschen mit ihren blutigen Opfern für ungültig erklärt. Diese neue Lehre lag wohl in der Luft, und gemessen an der langen Geschichte der Ursprungsreligionen ist die Zeitdifferenz von 543 Jahren recht gering.“

Aus Kapitel 4 "Anchalee"         Seitenanfang                 Literaturverzeichnis      

Nach drei Tagen hatte Andy die gewünschten Informationen von Phaitchit: Im Zuge der Privatisierung wurde die Instandhaltung der Schutzeinrichtungen neu ausgeschrieben, die Angebotsfrist lief noch bis zum 31. 1. Die Company musste unverzüglich eine thailändische Niederlassung gründen, um zeitgerecht ein Angebot abgeben zu können. Die Zeichnung des großen Saals gab Andy einem befreundeten Architekten zur Prüfung. Der sagte verwundert: „Sieh dir einmal den 12. Stock genau an. Die Zeichnung stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein.“ Andy bat Phaitchit um die Untersuchung dieses Stockwerks. Zwei Tage später meldete er, er habe einen geheimen Raum entdeckt. Das war alles so wichtig, dass Andy sich selbst um die Vorbereitungen vor Ort kümmern und die notwendigen Entscheidungen treffen wollte. Deshalb flog er zwei Wochen nach seinem ersten Besuch wieder nach Thailand. Vorsichtshalber reiste er unter seinem zweiten Namen Dr. Jeremias Thompson und fuhr nach Pattaya.

Im Royal Garden Resort buchte er die größte Suite und beschloss, Arbeit und Vergnügen zu kombinieren. --- Eine bezaubernd natürlich aussehende Frau von etwa dreißig Jahren reichte ihm die Hand. „Ich bin Anchalee Sathornavanakhon“, sagte sie in fließendem Englisch. „Sie suchen eine Begleiterin?“. Sie war schlank und kleiner als er und trug wenig Schmuck, einen kleinen Brillantring und ein zierliches goldenes Armband sowie einen einzigen, allerdings recht auffälligen Ohrhänger. Natürlich war sich die Dame des Eindruckes bewusst, doch um zum Geschäft zu kommen, musste sie zunächst sein Schweigen brechen. So fragte sie: „Sie sind Amerikaner?“ „Ja“, antwortete er, „und mein Name ist An... äh, Jeremias Thompson.“ Sein Versprecher war ihr nicht entgangen. „Sie können von mir fast jeden Service bekommen, die Stunde kostet 2.000 Baht, der volle Tag 30.000.“ „Ich möchte Sie eine Woche lang bei mir haben“, brachte Andy heraus. „Dann gebe ich Ihnen einen Tag Rabatt, aber zahlbar im Voraus.“ --- „Akzeptieren Sie Kreditkarten?“ „Ja, aber mit 5 % Aufschlag.“ Sie ging mit seiner Karte zur Rezeption und war sofort mit dem Beleg über 189.000 Baht zurück. Er unterschrieb und sah, wie man einen Scheck ausfüllte, den sie sorgfältig prüfte und einsteckte. „Und jetzt trinken wir Brüderschaft“, sagte Anchalee. Sie hob ihr Glas und stieß mit ihm an, dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und sagte leise: „Jimmy, du bist mir sympathisch. Ich glaube, wir werden gut miteinander auskommen.“ „Ich habe allerdings nur bis 17 Uhr Zeit“, sagte Andy schuldbewusst, „dann kommen Geschäftsfreunde zu mir und wir haben zwei Stunden zu tun.“

Dann lagen sie in dem großen Bett und streichelten sich am ganzen Körper. Anchalee hatte ihm vorsichtig ein Kondom übergezogen. Schließlich zog sie ihn zu sich heran, und er fühlte ihre wohlige Wärme. Als er aus ihrem stoßweisen Stöhnen erkannte, dass sie auf dem Höhepunkt war, ließ er sich fallen. Eine ganze Weile lagen sie ineinander, bis Andy einschlief, denn der Jetlag war noch in ihm. Er erwachte, als Anchalee ihm über die Haare strich und auf die Uhr zeigte. Es war 20 Minuten vor fünf. Sie verabredeten, dass sie um halb acht zurück sein sollte. „Bleibst du mir auch treu in der Zwischenzeit?“, fragte er scherzhaft, aber Anchalee zuckte zusammen, als ob sie einen Schlag erhalten hätte. Traurig sah sie ihn an und sagte kaum hörbar: „Mein Herr, Sie beleidigen mich. Ich dachte, ich hätte Ihnen zeigen können, wer ich bin.“ Er hielt ihren Arm fest. „Entschuldige die dumme Bemerkung. Ich habe genau gemerkt, was für ein wertvoller Mensch du bist.“ Doch sie riss sich los und ging zum Lift. Irgendwie musste er den faux pas wieder gut machen. Das Hotel grenzt direkt an ein Shopping Center, da hatte gestern Abend eine goldene Halskette mit einem modern gestalteten Brillanten gesehen. Die kaufte er ohne Zögern für knapp 2.000 $. Das war es ihm jetzt wert, um Anchalee zu versöhnen, falls sie überhaupt wiederkommen würde.

Als er zurückkam, saßen Chavalit und Phaitchit in der Lobby. In seiner Suite zeigte Phaitchit ihm den Hardwareschaltplan und die Flowcharts der Schutzgeräte, die er beschafft hatte. Andy erläuterte seine Idee, unter dem Namen einer Londoner Firma eine Niederlassung in Thailand zu gründen, die das Angebot mit den falschen Referenzen abgeben sollte. Phaitchit wusste, dass die Firma Bunphot Thanawathon, die elektrische Anlagen wartet, kurz vor der Pleite steht. „Zahlen Sie dem Besitzer seine Schulden und ein Schweigegeld und setzen mich mit einem falschen Namen als Geschäftsführer ein, deren Vorlagen er bedingungslos zu unterschreiben hat.“ Begeistert stimmte Andy zu und entließ die beiden mit detaillierten Aufträgen.

Um viertel vor acht war von Anchalee noch keine Spur. Andy durchlitt Seelenqualen. Doch als es kurz nach acht klopfte, sprang er wie elektrisiert zur Tür. Gott sei Dank, sie war es, mit einem kleinen Koffer in der Hand. „Eigentlich wollte ich dich nicht wieder sehen, sondern dir nur dein Geld zurück schicken“, sagte sie ernst und blieb in der Tür stehen. „Aber ich mag dich ein wenig und glaube, dass du nur dummes Zeug geredet hast, das darfst du nie wieder tun. Also, lass uns fortfahren, als wenn nichts geschehen wäre.“ „Mit einer Ausnahme“, antwortete Andy erleichtert. „Ich habe dir nämlich als Dank für den wunderschönen Nachmittag ein kleines Geschenk besorgt.“ Mit diesen Worten legte er ihr die Kette um den Hals. Tränen traten in Anchalees Augen. „Du beschämst mich mit deiner Großzügigkeit. Das ist ein außergewöhnlich schönes Stück.“

Als Andy sich nach sechs Tagen verabschiedete, sah er Tränen in ihren Augen. „Sehen wir uns wieder?“, fragte Anchalee. „Ich will alles dafür tun“, war seine Antwort. Im Flugzeug ließ er die Woche noch einmal Revue passieren. Nach dem Coup würde er gemeinsam mit Anchalee einen langen Urlaub nehmen. Die vielen Jahre der Freiheit hatten ihm nicht so viel Glück gebracht, wie er es in dieser einen wunderbaren Woche bei Anchalee so reichlich gefunden hatte. Auch Anchalee war völlig durcheinander. Nach dieser wunderbaren Gemeinsamkeit mit Andy würde es ihr unmöglich sein, mit einem anderen Mann intim zu werden. So sagte sie alle Termine ab und fuhr nach Mae Hong Son. Auf langen Wanderungen durch die einsamen Bergwälder fanden ihre Gedanken die notwendige Klarheit: Für diesen Beruf war sie nicht hart genug, sie würde allmählich an ihren Gefühlen zerbrechen. Sie müsste sich eine ehrliche Arbeit suchen, aber dass sie Andy brennend liebte, wurde ihr immer klarer.


Aus Kapitel 5 "Diamond 2000"
                 

Am Montag, vier Tage vor Eröffnung der „Diamond 2000“ traf sich Siripong mit General Pongsakorn im Gems and Jewelry Tower. Die einbruchssicheren Vitrinen waren geliefert worden und sie wollten sich deren Aufstellung und überhaupt den ganzen Saal ansehen, um Bescheid zu wissen und vielleicht noch Verbesserungen der Sicherheit vorzuschlagen. Der riesige fensterlose Saal war noch fast leer und machte einen seltsamen Eindruck. In der Mitte bildete der Treppenhausturm mit den Fahrstühlen, der Nottreppe, dem Vorraum und den Toiletten einen breiten Block; eine große Doppeltür war der einzige Zugang in den Saal. In einer Ecke befand sich ein Altar, ein Tisch mit einer farbigen Seidendecke, die bis zum Boden reichte. Siripong hatte immer noch den Stromausfall im Kopf. „Wie sieht es mit der Notbeleuchtung aus?“, fragte er den Hausmeister, der sie begleitete. „Wir haben zwei Transformatoren an der Einspeisung vom Stadtversorger und einen automatisch anlaufenden Diesel“, antwortete dieser, „das sollte für jeden Notfall genügen. Siripong bat, die Versorgungsanlage sehen zu dürfen. Sie sah sauber und ordentlich installiert aus, aber er verstand zu wenig davon. Deshalb vereinbarte er einen weiteren Termin, zu dem er Wolf bitten wollte.

Als er abends seiner Frau von dem geplanten zweiten Besuch im Tower erzählte, bat sie, ihn begleiten zu dürfen. Wolf betrachtete fachkundig die Schaltanlage. Entweder waren die Trafos überdimensioniert oder der Diesel war zu klein. „Können Sie die Transformatoren ausschalten?“, fragte er den Hausmeister. „Ich möchte den Diesel starten sehen.“ Der lehnte das Ansinnen ab. „Nach meiner Ansicht ist der Diesel nicht in der Lage, das Haus zu versorgen, wir brauchen sofort einen Verantwortlichen für das Haus“, sagte Wolf ärgerlich. „Bis zur Eröffnung muss entweder der Diesel getauscht werden, oder die Notstromanlage ist so weit zu entlasten, dass sie nur die wichtigsten Verbraucher versorgt. Schnell war die Geschäftsführerin der Tower-Verwaltung zur Stelle und man einigte sich, die Klimaanlage von der Notstromversorgung abzutrennen. Selbst Wolfs Wunsch, den Dieselanlauf echt zu erproben, wurde nun erfüllt. Nach einer Warnung an die Mieter schaltete der Hausmeister beide Transformatoren aus. Das Licht ging aus, sonst geschah nichts. „Prüfen Sie mal die Batterie!“, grinste Wolf. Und wirklich: Die Batterie, die den Diesel zum Anlaufen bringen muss, war voller Bleischlamm. Ein Blick in das Tagebuch zeigte, dass die letzte Prüfung zwei Jahre zurück lag.

Su bat, den Ausstellungssaal sehen zu dürfen. Die Vitrinen waren inzwischen alle aufgestellt. Aufmerksam betrachtete die junge Architektin den Saal. Es wollte ihr nicht in den Kopf, dass nur ein einziger Zugang vorhanden sein sollte. Aber so genau sie auch in jede Ecke schaute, eine weitere Öffnung war nicht zu sehen. „Habt ihr mal unter den Altar geschaut?“, fragte sie. „Dieselbe Frage hat mir Ihr Mann gestern auch gestellt“, lächelte der General. „Es ist absolut nichts darunter als der Fußboden, wie er sich im ganzen Raum befindet, sowie eine Steckdose für die Lampen auf dem Altar.“ Su musste sich mit dieser Antwort zufrieden geben, doch der Saal ging ihr nicht aus dem Kopf.

Zum Nachmittag hatte der Innenminister Siripong zum Bericht gebeten. Als der das Datennetz erwähnte, seufzte der Minister: „Wenn ich gewusst hätte, dass diese Sache derart ins Geld geht, hätten wir sie nie genehmigt bekommen. Der Premier fragt mich bei jeder Rechnung nach dem Nutzen dieses Spielzeugs. Ich glaube, Sie sollten ihm mal etwas darüber vortragen.“ Siripong bat, damit bis nach der Ausstellung warten zu dürfen.

Wenn Su Chan Woraphrasittikhul ein Problem beim Wickel hatte, ließ es ihr keine Ruhe, bis es gelöst war. Immer wieder störte sie der Gedanke an den Ausstellungssaal bei der Arbeit. Schließlich rief sie ihren Mann an: „Habt ihr Grundrisspläne vom Tower?“ „Leider kaum“, antwortete er, „einzig verfügbar ist ein Satz Pausen in den Akten des Towers, die die Leute dort nicht weggeben.“ „So kannst du nicht sicher arbeiten“, sagte Su mit Entschiedenheit. „Die Geschäftsführerin muss auch daran interessiert sein, ordentliche Unterlagen zu haben. Ich nenne dir jetzt eine Agentur, die solche Pläne digitalisiert. Ich werde dort anrufen, dass in einer Stunde jemand vom Tower vorbei kommt und die Pläne scannen lässt. Er kann sie sofort wieder mitnehmen. Bereits morgen früh ist die automatische Digitalisierung fertig.“ Siripong hatte schon lange Sorgen wegen der mangelnden Unterlagen gehabt. Jetzt schickte er einen Kuss durch die Leitung und bat seine Frau, einen Extra-Datensatz für sein System anfertigen zu lassen.

Am Abend dankte Siripong seiner Frau noch einmal für den Vorschlag mit den Plänen. Doch Su war verlegen, weil sie am nächsten Morgen mit ihrem Chef auf die Insel Koh Samui fahren musste, um dort ihre Entwürfe für einen großen Hotelneubau vorzulegen. Sie würden insgesamt drei Tage fort bleiben und hofften, mit einem Auftrag in der Tasche zurück zu kommen. Nach dem Abendessen knieten beide vor Kuan Jin nieder und baten um Schutz und Segen für diese Reise. Danach trug Siripong seine Frau ins Schlafzimmer, wo sie lange und innig Abschied feierten. An den beiden nächsten Abenden telefonierten sie lange miteinander, berichteten ihre Tageserlebnisse und sagten einander immer wieder, wie sehr sie sich liebten.

Aus Kapitel 6 "Vorbereitungen"                     

Sechzehn Tage später flog Andy wieder als Dr. Thompson nach Bangkok und fuhr sofort weiter nach Pattaya. Er hatte schweren Herzens darauf verzichtet, Anchalee wieder zu sehen, um alle Kräfte dem Raub zu widmen. Deshalb war er auch nicht im Royal Garden eingekehrt, sondern im Dusit Resort. Schon am nächsten Morgen erfuhr Anchalee von Andys Anwesenheit. Als sie begriff, dass er sie mied, fiel sie erneut in eine trübe Stimmung. So wie sie sein Schweigen deuten musste, wollte er nichts mehr von ihr wissen. Und doch musste sie wissen, was mit ihm los war. Sie bat die Leute in der Rezeption des Hotels gegen eine kleine Aufmerksamkeit, ihr Jimmys sämtliche Ein- und Ausgänge mitzuteilen.

Andy träumte, dass Anchalee in seinen Armen lag, er konnte sich nicht bewegen. Langsam drehte sie sich auf ihn und nahm ihn in sich auf. Immer wilder bewegte sie sich mit kleinen Schreien, bis er sich nicht mehr zurück halten konnte. Seltsamerweise sah er deutlich, wie es aus ihm in langen Stößen in ihren Bauch hinein spritzte. Laut schrie er ihren Namen und spürte noch ihre Küsse auf den Lippen, als er aufwachte. Zur selben Zeit wachte auch Anchalee auf, weil sie ihren Namen rufen hörte: Es war Jimmys Stimme. Sie stand auf, machte Licht und sah sich im Haus um. Dann blickte sie aus dem Fenster: nichts. Sie musste wohl geträumt haben. Allmählich hatte sie das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Lange konnte sie dieses Leben nicht mehr aushalten.

Den Freitag Vormittag ließ Andy langsam angehen. Schritt für Schritt ging er dann den Ablauf noch einmal durch und notierte im Notebook die Punkte, um sie am Nachmittag mit den beiden Vertrauten durchzusprechen:

    1. Heute Nacht werden die beiden „Räuber“ nach der feierlichen Eröffnung in den geheimen Raum eingeschleust,
2. zur gleichen Zeit wird die Batteriezuleitung zum Anlassen des Diesel unterbrochen, um jeden Anlauf zu verhindern,
3. um 19:15 steigen die beiden „Räuber“ leise aus dem geheimen Raum und verbergen sich unter dem Altar,
4. der Blackout geschieht um 19:18,
5. die beiden kommen blitzschnell unter dem Altar hervor, verrammeln die Haupttür von innen, schlagen die getauschten Glasscheiben ein, nehmen die bestellten         Diamanten aus den Vitrinen und verschwinden im geheimen Raum,
6. die beiden „Räuber“ verlassen den geheimen Raum, verbergen sich im Gebäude und verschwinden am nächsten Tag als normales Publikum mit dem Raub.

Im Fernsehen wurde die Feier zur Eröffnung der „Diamond 2000“ übertragen. --- Als die Kamera über den Kreis der Gäste schwenkte, sprang Phaitchit auf und zeigte auf einen jungen Mann im Hintergrund: „Das ist unser Hauptgegner“, rief er aufgeregt, „der Sonderbeauftragte des Innenministers für den Schutz der Ausstellung. Er hat sich ein Datennetz zusammen gebastelt, an das alle Behörden angeschlossen sind. Leider ist es uns nicht gelungen, in das Netz hinein zu kommen.“ Ein erregter Schauer lief Andy über den Rücken, als er seinen unmittelbaren Gegner so deutlich sah. Nun, er würde den Kampf mit diesem Behördenjüngling gewinnen. Dann wurden die einzelnen Exponate gezeigt. Mit unverhohlener Freude sahen sie die Stücke, die schon bald in ihrer Hand sein würden. Ein kritischer Blick auf die Vitrinen zeigte ihnen, dass der Austausch der Glasscheiben nicht zu erkennen war.

Samstag war Andy nervös. Um Ruhe zu finden, ließ er sich zu der riesigen vergoldeten Buddhastatue fahren, die die Stadt im Süden überragt. Er erstand ein Bündel aus zwei dünnen Kerzen, drei Räucherstäbchen und einem oben geschlitzten Stab, mit dem er nichts anzufangen wusste. Er kniete vor der Statue nieder, berührte mit der Stirn den Boden und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Zunächst drehten sie sich um den Diamantenraub und noch einmal zog der ganze Ablauf an ihm vorüber mit der inhärenten Ungewissheit des Ausgangs. Doch dann schob sich der Gedanke an Anchalee in den Vordergrund Immer mehr wurden ihm ihre Qualitäten bewusst: die natürliche Anmut, die Klugheit, die außerordentliche Bildung, die sanfte und doch selbstbewusste Fraulichkeit, das warmherzige Eingehen auf andere. Diese Erinnerung ließ ihn zur Ruhe kommen.

Die Kerzen und Räucherstäbchen fielen ihm ein. Er wollte sie entzünden, doch sein Feuerzeug funktionierte nicht. Da hielt ihm eine alte Frau, die neben ihm kniete, ein brennendes Streichholz hin. Er blickte ihr ins Gesicht: Es war Anchalee. Zuerst glaubte er, die Gedanken spielten ihm einen Streich. Doch sie sagte mit ihrer warmen Stimme: „Nimm, sonst verbrenne ich mir die Finger.“ Gehorsam zündete er eine Kerze an, sie entzündete die andere Kerze und die Räucherstäbchen und zeigte ihm, wie sie vor dem Buddha in den Halter zu stecken waren. Jetzt war nur noch der gespaltene Stab übrig. Sie klemmte einen 100-Baht-Schein hinein und steckte ihn zu anderen Stäben. Das genügte Andy nicht, er tat zwei 500-Baht-Scheine dazu. Er war nicht in der Lage, etwas zu sagen, so sehr hatte ihn ihr Erscheinen überwältigt, gerade als sie in seinen Gedanken war.

Als Anchalee sich erhob, folgte er ihr. Nach einer Weile brach sie das Schweigen: „Zuerst dachte ich, du wolltest nichts mehr von mir wissen. Aber nun sehe ich, dass dich etwas quält. Wenn du nicht mit mir darüber reden kannst, so wisse doch, dass ich dich liebe und nur an dich denke. Ich konnte nach dir keinen anderen Mann mehr ansehen und habe meinen Beruf aufgegeben.“ Andy war so überwältigt von diesen Worten, dass er nichts sagen konnte. Doch er wusste, dass er aus Liebe für diese Frau seine Freiheit aufgeben würde.. „Ich wohne im Dusit“, flüsterte er. „Ruf mich morgen an, dann bin ich frei. Auch ich liebe dich sehr, doch heute darf ich noch nicht für dich da sein.“ Er drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und war in der wartenden Limousine verschwunden. Da wurde ihr klar, dass Andy von seiner Liebe zu ihr gesprochen hatte. Langsam ging sie zum Buddha zurück und warf sich vor ihm nieder. „Hab Dank, du gütiger Buddha, und segne meinen Geliebten, was auch immer er vorhat“, flüsterte sie.

Aus Kapitel 7 "Der Coup"               Seitenanfang               Literaturverzeichnis           

Zwei Stunden später, achtzehn Minuten nach Schluss der Ausstellung am ersten Besuchstag ging schlagartig in ganz Bangkok das Licht aus. Da alle Ampeln ausgefallen waren, entstand ein furchtbares Verkehrschaos. Über den Polizeifunk erfuhr Siripong das ganze Ausmaß der Unterbrechung und ließ sich mit der Stromnetzgesellschaft verbinden. Dort herrschte völliges Chaos und als er schließlich die Lastverteilung erreichte, erfuhr er, dass in sechs von den zehn Schaltanlagen des 230-kV-Ringes die Sammelschienen fehlerhaft seien. „Ehe wir die wieder klar haben, können Stunden vergehen“, sagte man ihm. Fünf Minuten später traf er General Pongsakorn im großen Saal. Im Schein der Taschenlampen konnten sie die Bescherung sehen: Die großen weltberühmten Diamanten lagen unversehrt in ihren Glaskästen. Aber an vielen kleineren Vitrinen waren Scheiben eingeschlagen und der Inhalt fehlte. Diese Scheiben bestanden nicht mehr aus Panzerglas. „Wir müssen es mit einer äußerst schlagkräftigen Bande zu tun haben“, sagte der General wütend, „und alle unsere Bemühungen haben nichts genutzt.“ Siripong musste zustimmen. Mit solch gewaltigem Verbrechenspotenzial hatten sie nicht gerechnet und deshalb kläglich versagt. Der internationale Flughafen und die Ausfallstraßen wurden gesperrt.

Als gegen 20 Uhr der Strom wiederkam, loggte Su Woraphrasittikhul sich in das Datensystem ihres Mannes ein, vielleicht konnte sie ihm helfen. Tatsächlich waren für den Saal im 13. Stockwerk nur die Eingangstüren eingezeichnet, sonst keine weitere Öffnung. Aber als sie sich den 12. Stock ansah, erkannten ihre geübten Augen sofort, dass die Summe der Maße von Räumen und Wänden 30 Zoll kürzer war als das Gesamtmaß. Eine Damentoilette war zu kurz bemaßt. Genau über dieser Toilette befand sich im Saal der Altar. Sofort rief sie ihren Mann an und Jumroen verband sie mit dem General. Die Polizisten maßen die Damentoilette aus, und wirklich fehlte dem Raum ein Stück. Als sie die scheinbare Außenwand untersuchten, wurden sie in einer Klozelle fündig: Hinter dem Spülkasten gab es eine Öffnung. Hinter der dünnen Wand fand sich ein schmaler Schacht über die ganze Höhe und Breite des Toilettenraumes. In einer Ecke stand eine Leiter, die zu einer verschlossenen Klappe in der Decke führte. Als ein Polizist hinauf kletterte und die Klappe öffnete, fand er unter dem Altar zwei völlig verängstigte Männer und den Beutel mit den Diamanten, verborgen im Kopf der hohlen Buddhafigur.

Der General meldete sich bei Siripong: „Bei einem der Männer haben wir ein Handy gefunden, auf dem der Buchstabe „T“ zusammen mit einer Nummer gespeichert ist, die mit 0011 beginnt, das ist doch die Auslandsvorwahl für die USA.“ Siripong ließ sich die Nummer geben: „Das ist ein Mobiltelefon aus den Staaten, kann sein, dass der Kerl hier im Land ist.“ Bei der Telefongesellschaft sahen sie, dass die Nummer im Netzknoten Pattaya gemeldet und zuletzt um 19:29 Uhr von dem sichergestellten Handy angerufen worden war. Offensichtlich war ein Verbrecher, dessen Namen mit „T“ begann, nach Pattaya gereist, Im Immigrationsregister fanden sie einen Dr. Jeremias Thompson aus Chicago. Siripong fragte die Hotelmeldelisten in Pattaya ab. Im Dusit war er seit dem 16. gemeldet und noch nicht ausgecheckt. Zehn Minuten später klopfte die Polizei an Dr. Thompsons Tür. „Mr. Andrew McCoolen?“, fragte der Offizier höflich. Andy war so verdattert, dass er mit „ja“ antwortete. Der Offizier ließ sich seinen Pass zeigen und sagte dann, scheinbar erstaunt: „Aber Sie heißen doch Dr. Thompson, wir müssen Ihre Sachen durchsuchen.“ In einem Geheimfach des Koffers fanden sie seinen Pass auf den Namen McCoolen und einen weiteren für Jim Screw aus London, sowie den Plan der Ausstellung mit Kennzeichnung der beraubten Vitrinen. Der Amerikaner wurde verhaftet und nach Bangkok gebracht. Sofort informierte die Rezeption Anchalee über Andys Verhaftung. Wie könnte sie ihm helfen? Vielleicht über Phaitchit, der sicherlich in die Sache verwickelt war. „Dr. Thompson ist verhaftet worden!“, rief sie in den Hörer und legte sofort wieder auf.

Phaitchit überlegte einen Augenblick, er kannte die Frauenstimme, aber es fiel ihm so schnell nicht ein, woher. „Wir müssen sofort weg, Sirigul, schau doch mal, welche Flüge jetzt noch von Bangkok weggehen“, sagte er zu seiner Frau. Er zerriss alle Papiere, die ihn mit der „Company“ oder Bunphot in Verbindung bringen konnten, und spülte die Schnipsel durch die Toilette, sein Handy schaltete er aus. Sirigul buchte Tickets für einen Flug nach Hat Yai im Süden des Landes in einer Stunde. Beide steckten alles Bargeld und ihre eigenen falschen Pässe mit unterschiedlichen Namen ein. Die Edelsteine versteckten sie an ihren Körpern. Sie waren sich über das Risiko klar, aber wichtiger war die große Unabhängigkeit, die sie ihnen gaben. Fünf Minuten später fuhren per Bus zum Inlandsflughafen, wo sie noch die Maschine nach Hat Yai erwischten. Dort verkleideten sie sich als Muslims. Mit dem billigsten Bus fuhren sie über die Grenze und fielen unter den einfachen Malaysiern in keiner Weise auf, die von den Kneipen und Bordellen zurückkamen und an der Grenzstation nur flüchtig kontrolliert wurden. Von Georgetown auf der malaysischen Insel Penang flogen sie um 6:05 über Tokio weiter nach Chicago, wo sie Montag Mittag eintrafen und sich mit einigen Steine der „Company“ zur Verfügung stellten.

Die Vernehmung der Gefangenen war Angelegenheit der Polizei, Siripong brauchte sich darum nicht zu kümmern. Seine Aufgabe hatte er dank Su’s Hilfe ausreichend erfüllt. Er fühlte sich am Ende seiner Kräfte und ließ sich nach Hause fahren. Als er vor dem Haus ankam, stand Su schon in der Tür, sie hatte den Wagen gehört. Wortlos fielen sie sich in die Arme und küssten sich. „Ich habe Angst um Dich gehabt“, sagte Su nach einer Weile. „Und ich weiß nicht, wo ich ohne dich jetzt wäre“, antwortete er leise und strich ihr über das Haar.

Aus Kapitel 8 "Jadebuddha"                                

Siripongs und Su‘s Erleichterung währte nur eine kurze Nacht, um halb sieben klingelte das Telefon. Was der Innenminister ihm berichtete, war so unglaublich und katastrophal, ja außerhalb alles Denkbaren, dass er noch einmal nachfragte, ob er richtig verstanden habe: Der Jadebuddha war aus dem Wat Phra Kaeo gestohlen worden! Bei der Sonnenaufgangs-Begrüßung hatte der geistliche Betreuer des Buddha festgestellt, dass das Original durch eine täuschend echte Nachbildung aus Glas ersetzt worden war, die sogar die goldenen Kleider der echten Statue trug. Der Minister, noch beeindruckt von Siripongs gestrigen Erfolgen, wünschte, dass er die Untersuchung koordinierte, um den Buddha so schnell wie möglich wieder zu beschaffen.

Als Andy Siripong am Tisch der Vernehmungsbeamten sitzen sah, lief ihm ein ähnlicher Schauer über den Rücken, wie neulich als Phaitchit ihn beim Fernsehen auf den jungen Mann hingewiesen hatte. Er war überzeugt gewesen, den Kampf mit diesem Jüngling zu gewinnen – und hatte ihn schmählich verloren. Siripong kam sofort zur Sache. „Wo haben Sie den Jadebuddha versteckt?“ Andy begriff kein Wort. „Welchen Buddha?“, fragte er verwirrt. Da explodierte Siripong: „Diamanten zu rauben ist ja nichts ungewohntes für Leute Ihres Schlages. Dass Sie dafür die ganze Stadt verdunkeln mussten, was zum Tode von mindestens fünf Menschen geführt hat, ist schon ein stärkeres Stück. Aber dass Sie unserem Volk sein größtes Heiligtum, den Smaragdbuddha gestohlen haben, zeugt von einem moralischen Tiefstand, wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Und ich schwöre Ihnen, dass wir Sie so lange unter verschärften Bedingungen grillen werden, bis Sie uns den Buddha unversehrt zurückgeben.“

Andy überlegte verzweifelt, was sie eigentlich von ihm wollten. Langsam dämmerte ihm, dass wohl irgendjemand den Blackout genutzt haben könnte, um den Smaragdbuddha zu stehlen. Klar, dass die Polizei jetzt ihn verdächtigte. Da half nur völlige Offenheit. „Ich bin ein zutiefst gläubiger Mensch und achte gerade Ihre Religion wegen ihrer Friedlichkeit und Toleranz ganz außerordentlich“, begann er seine Verteidigung. „Nie würde es mir in den Sinn kommen, einen heiligen Gegenstand oder gar ein Götterbild zu stehlen. Ich habe noch gestern Nachmittag in Pattaya zum Buddha gebetet. Mag sein, dass diese Worte Sie nicht beeindrucken. Bedenken Sie aber bitte, dass der Smaragdbuddha auf der ganzen Welt unverkäuflich ist. Aus demselben Grunde haben wir ja auch die großen Diamanten nicht angerührt. Auch dürfte es kaum möglich sein, den Buddha außer Landes zu schaffen. Was sollten wir also mit ihm?“

„Woher kannten Sie den geheimen Raum“, war die nächste Frage. „Wir haben die Bemaßungsdifferenz in den Plänen entdeckt.“ Siripong wandte sich noch einmal an Andy: „Es scheint, dass Sie die Wahrheit gesagt haben und unsere Vermutung richtig war. Das muss eine Bande sein, die Sie an Rücksichtslosigkeit und Brutalität weit übertrifft. Zur Belohnung für Ihre Ehrlichkeit erleichtern wir Ihnen die Haftbedingungen auf den bei Ihnen üblichen Standard. Es wäre gut, wenn Sie uns weiter unterstützen.“ Andy bedankte sich und fügte hinzu: „Ich werde alles in meinen Kräften stehende tun, um Ihnen zu helfen. Der Diebstahl des Buddha widert mich im höchsten Maße an.“

In Phaitchits Telefondaten fand Jumroen Anchalees Anruf um 21:15 und sie brauchten nicht lange, um Andys Kontakte zu ihr im Royal Garden und ihre Informationslinie aus dem Dusit heraus zu finden. Bei der Überprüfung ihrer Konten fand man eine größere Einzahlung am Tag nach McCoolens erster Ankunft, danach jedoch keine weiteren Eingänge mehr. Diese Informationen waren für Siripong so interessant, dass er am Nachmittag mit dem Vernehmungsoffizier nach Laem Chabang fuhr. „Wir wollen mit Ihnen über Ihre Kontakte zu Mr. McCoolen sprechen, den Sie unter dem Namen Dr. Jeremias Thompson kennen dürften. Was wussten Sie über seine Absichten?“, fragte der Offizier. „Nichts. Er hat sich mir gegenüber als Berater ausgegeben und sich verschiedentlich mit einigen Leuten getroffen, die ich nicht kannte.“ „Nun, Khun Phaitchit dürften Sie wohl kennen, sonst hätten Sie ihn nicht gleich nach Mr. McCoolens Verhaftung angerufen“, warf der Offizier ein. Anchalee wurde rot. „Sie haben Recht. Ich kenne ihn von früher, er hat mir zuweilen ausländische Geschäftsleute als Kunden geschickt.“ „Halten Sie es für möglich, dass Mr. McCoolen einen Buddha stehlen würde?“ „Niemals! Als ich ihn das letzte Mal traf, betete er vor dem großen Buddha in Pattaya. Ich habe ihm geholfen, Kerzen anzuzünden, weil er keine Streichhölzer bei sich hatte. In meinen Augen ist er ein gläubiger Mensch, der dem Buddhismus nahe steht.“

„Warum haben Sie Khun Phaitchit angerufen? Damit haben Sie sich strafbar gemacht“, führte Siripong das Verhör weiter. „Ich glaube nicht, dass es strafbar ist, eine allgemein bekannte Information weiter zu geben. Aber ich will Ihre Frage offen beantworten: Nach Dr. Thompsons Verhaftung wurde mir klar, dass er mit seinen Besuchern irgendetwas Verbotenes ausgeheckt haben musste. Ich wollte ihm helfen und dachte mir, dass ein freier Phaitchit ihm vielleicht nützlicher sein könnte als ein gefangener.“ „Warum wollten Sie ihm helfen?“ „Darüber möchte ich nicht reden.“ „Lieben Sie ihn?“, fragte Siripong sanft. „Das dürfte Sie wohl kaum etwas angehen!“, wollte Anchalee scharf antworten, doch ein Schluchzen machte ihre Worte fast unverständlich. So nahm sie sich zusammen und sagte immer noch schluchzend: „Ja, ich liebe ihn sehr und ich glaube, bei ihm ist es ähnlich.“ Ein Gedanke kam ihr: „Können Sie ihm Grüße von mir ausrichten?“ „Aber sicher“, nickte Siripong, „und ich denke, Sie können ihn auch besuchen.“

Aus Kapitel 9 "Asian Explorer"                  Seitenanfang                 Literaturverzeichni

Kurz vor Sonnenaufgang am Montag wurde die Küstenwache über die Notruffrequenz gebeten, den Standort ihres nächsten Bootes vor Hua Hin mitzuteilen. Nach einer halben Stunde ging ein Fischerboot bei dem Küstenwächter längsseits und ein Mann kam an Bord. Was er berichtete, veranlasste die Besatzung, sofort die Polizei in Bangkok zu informieren, die den Fischer mit einem Hubschrauber abholen ließ. Siripong konnte auch an diesem Morgen nicht ausschlafen. Der Fischer erzählte folgendes: „Vor zwei Wochen kam ein schwarzbärtiger Mann zu mir und fragte, ob ich eine Menge Geld verdienen wolle. Ich antwortete: ‚Ja, aber es muss mit rechten Dingen zugehen.‘ Er erläuterte mir, dass ich Samstag-Abend ab 22 Uhr auf dem Chao Phraya vor Samut Prakan auf ihn warten solle, er würde mit einem Longtail-Boot aus der Stadt kommen. Ich solle ihn dann zu einer Stelle an der Küste fahren, die er mir noch nennen würde. Nach einigem Zögern stimmte ich zu. Er gab mir 10.000 Baht und sagte, einen gleichen Betrag würde ich nach der Aktion bekommen.

Wirklich kam er vorgestern gegen 23 Uhr mit einem zweiten Mann den Fluss hinunter. Sie wuchteten ein großes, schweres Paket auf mein Schiff. Der Mann wies mich an, auf einem bestimmten Kurs mitten in den Golf hinaus zu fahren. Nach acht Stunden kam ein Frachter in Sicht, er hieß ‚Asian Explorer’. Ich musste bis an die Bordwand fahren, ein Kran nahm zuerst das Paket an Bord, der Mann gab mir das restliche Geld und wurde ebenfalls auf den Frachter gehievt. Vorher hatte er uns dringend geraten, niemandem etwas über diese Aktion zu erzählen. Doch als er oben war, warf er plötzlich einen Gegenstand in unser Boot. Zum Glück erkannte mein Sohn ihn sofort als eine Handgranate und warf ihn über Bord, wo er nach wenigen Sekunden explodierte. Ich sah, wie der Mann auf dem Frachter eine Pistole hervor holte und gab Gas. Im Zickzackkurs entkamen wir ihm. Abends sahen wir auf unserem kleinen Fernseher die Rede des Premierministers und da wurde uns klar, dass wir geholfen hatten, den Smaragdbuddha aus dem Lande hinaus zu schaffen. Ebenso klar wurde uns, dass unser Leben in Gefahr war, denn wir waren die einzigen, die seinen Verbleib kannten. Wir beschlossen, uns am Morgen in den Schutz der Küstenwache zu begeben. Ich versichere bei allem, was mir heilig ist, dass wir nicht gewusst haben, was in dem Paket war und dass wir den Diebstahl des Buddha zutiefst verabscheuen.“

Die Runde brauchte einen Moment, um den Bericht zu verdauen. Der General fand als erster die Sprache wieder: „Das ist genau das, was ich befürchtet habe. Ich habe allerdings nicht geglaubt, dass es nur ein paar Stunden dauern würde, die Statue außer Landes zu bringen. Und ich muss mir schwere Vorwürfe machen, dass wir nicht daran gedacht haben, den Fluss ebenfalls abzusperren. Bei dem Verkehrschaos nach dem Blackout hätten auch die Diamanten auf diesem Weg ganz schnell heraus gebracht werden können, denn der Tower ist nur zehn Minuten vom Fluss entfernt.“ Siripong erfuhr vom Schiffsmeldedienst, dass die „Asian Explorer“ den Bangkoker Hafen eine halbe Stunde vor dem Coup verlassen hatte. Sein Ziel war Port Bin Kassim, der Hafen von Karachi in Pakistan. Auf dem Weg dorthin sollte er nach vier Tagen Colombo anlaufen, Siripong setzte sich mit der Royal Navy in Verbindung, ob sie den Frachter stoppen könnten. Der sei schon in malaysischen Gewässern, war die Antwort. Da fiel ihm der Amerikaner ein, vielleicht hatte er auch in Sri Lanka eine schlagkräftige Truppe. Um frei zu kommen, wäre er bestimmt zu vielem bereit. Als Siripong dem Minister die Idee unterbreitete meinte der: „Wenn er uns den Buddha zurück holt, wäre wohl eine Gnadenregelung für ihn möglich.“

Zum dritten Mal traf Siripong heute mit Andy zusammen. Überschwänglich dankte dieser ihm für das Treffen mit Anchalee. „Ich bin zwar ein alter Gauner“, sagte er, „und habe sicher viele Jahre in der Zelle vor mir. Aber wenn ich hier je wieder raus komme, will ich den Rest meines Lebens mit dieser Frau zusammen verbringen.“ „Vielleicht können wir Ihnen die Wartezeit verkürzen, wenn Sie uns helfen“, lächelte Siripong und erzählte ihm von der „Asian Explorer“. „Sehen Sie eine Möglichkeit, in Colombo mit List an den Buddha heran zu kommen?“ Andy überlegte einen Moment. „Kann ich Phaitchit sprechen?“, fragte er. „Das ist ein Mann, der so etwas vor Ort organisieren könnte.“ Da musste Siripong gestehen, dass sie Phaitchit gar nicht gefangen hatten. „Und wissen Sie, wer ihm die Flucht ermöglicht hat? Ihre Anchalee, die ihn gleich nach Ihrer Verhaftung gewarnt hat. Wir wissen nicht, wo Phaitchit und seine Frau sind, doch sie können das Land noch gar nicht verlassen haben.“ Andy grinste breit: „Ist sie nicht ein Juwel? Aber so clever wie ich Phaitchit kenne, ist er längst nicht mehr in Thailand.“ Er rief eine Nummer aus dem Speicher seines Handys und fragte, ob man etwas von Phaitchit wüsste. Wieder ging ein breites Grinsen über sein Gesicht, dann sagte er, wohl auf eine Frage nach seinem Befinden: „Noch weiß ich nicht, was aus mir wird, aber ich habe gute Aussichten, mich um das Land hier verdient zu machen.“ „Phaitchit ist seit acht Stunden in Chicago“, erklärte er dann, immer noch grinsend, dem erstaunten Siripong. „Ich glaube, ich kenne unsere Leute besser als Sie. Er ist wirklich ein fähiger Mann. Ich habe seine Telefonnummer bekommen, werde aber erst etwas in die Wege leiten, wenn wir uns über die Konditionen für ihn und auch für mich geeinigt haben.“

Noch während der Fahrt hatte Andy Phaitchit in Chicago angerufen und nach Colombo geschickt. Nun saß er neben der Frau, nach deren Liebe er sich so lange gesehnt hatte. Immer wieder musste er sie umarmen und küssen, während er über seine Aufgabe berichtete, die ihm vielleicht die Freiheit und ihnen beiden das gemeinsame Glück bringen konnte. Stockend gestand er ihr seine Entscheidung, sein weiteres Leben mit ihr zu verbringen. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu einem Schränkchen, auf dem eine große, schöne Figur des schreitenden Buddha stand. Andy war angenehm überrascht und hatte durchaus das Bedürfnis, dem Buddha für die wunderbare Wende in seinem Schicksal zu danken. Gemeinsam knieten sie nieder und baten ihn um Hilfe bei der Aufgabe wie auch für das gemeinsame Leben miteinander.

Aus Kapitel 11 "Colombo"          

Harsha Vareja, der Chef der „Company“ in Sri Lanka holte Phaitchit und seine Frau Sirigul am Flughafen ab und brachte sie ins Hotel, damit sie sich ein wenig erfrischen konnten. „Zum Abendessen sollten wir in den Hafen gehen“, schlug er vor, „da können wir den ersten Ortstermin abhalten. Beim Essen meldete Sirigul sich zu Wort: „Ich denke schon seit einer ganzen Weile über ein mögliches Problem nach: Sind wir eigentlich sicher, dass die Statue noch an Bord ist, wenn der Frachter nach Colombo herein kommt? Der Gegner, weiß, dass die Thais genau wissen, dass die Statue auf dem Frachter ist. Die Männer waren für einen Moment sprachlos, dass eine Frau in ihrer Runde kritische Fragen stellte. Phaitchit legte ihr die Hand auf den Arm und sagte: „Gut, Sirigul! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen.“ Er wusste, was er an ihr hatte. Harsha hatte sich bald wieder gefangen: Bis morgen früh werde ich wissen, welche Schiffe im Umkreis von 500 Meilen dafür in Frage kommen. Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre klugen Fragen.“ Zwei Stunden später meldete er sich: „Im Hafen liegt die ‚Evergreen Carrier’, die nach einer Inspektion Freitag Abend nach Port Bin Kassim auslaufen sollte. Die Inspektion ist verschoben und die Ladearbeiten sind vorgezogen worden. Das Schiff wird morgen Abend um 18 Uhr auslaufen. Die Idee Ihrer Frau, dass der Buddha auf hoher See übernommen wird, ist damit sehr wahrscheinlich geworden.“ Phaitchit dankte und gleich danach klingelte auch bei Andy das Handy. Der versprach, die Informationen unverzüglich an Siripong weiter zu geben.

Siripong bat Jumroen, am nächsten Tag um neun Uhr eine codierte Konferenzschaltung mit Colombo und ihnen hier vorzubereiten. In Colombo würde es dann zwar erst halb acht sein, aber sie hatten keine Zeit zu verlieren. Zur Vorbereitung nahmen die Männer ihre Notebooks vor, weil sie damit am besten arbeiten konnten. „Wie ähnlich wir doch in unserer Arbeitsweise sind“, dachte Siripong verblüfft, als ihm wieder in den Sinn kam, dass sein Gesprächspartner der Chef einer international gefürchteten Verbrecherbande war, auf dessen Festnahme er wochenlang hin gearbeitet und sie erst vor vier Tagen als großen Erfolg gefeiert hatte. Nun war er ihm durch die gemeinsame Aufgabe schon fast zum Freund geworden. Die beiden Frauen blickten ihnen über die Schultern. Su erläuterte Anchalee, die wenig Erfahrung mit Computern hatte, was die Männer gerade machten. „Könnt ihr nicht das Wiederauslaufen der ‚Evergreen Carrier’ aus Colombo verhindern?“, meinte sie dann. Andy wandte sich erstaunt um: „Alle Achtung, Madame Su, Sie sind ein heller Kopf!“ „Das ist sie in der Tat“, ergänzte Siripong mit strahlendem Gesicht, „sie hat schließlich auf den Plänen des Gems and Jewelry Tower den geheimen Raum entdeckt und damit den Fehlschlag ihres Coups bewirkt.“ „Ich hoffe, Sie können mir das verzeihen“, fügte Su hinzu, und ihr war gar nicht mehr so fröhlich zumute, nachdem sie jetzt Andy und Anchalee persönlich kennen gelernt hatte. Doch Andy lachte: „Ich habe schon immer etwas für Frauen übrig gehabt, die schön und klug sind, fragen Sie Anchalee. Nein, ich kann Ihnen ihre scharfen Augen nicht übel nehmen, wenn es auch zu meinem Nachteil war. Es ist doch selbstverständlich, dass Sie ihren Mann unterstützt haben.“

„Ähnliches ist mir auch durch den Kopf gegangen“, nahm Phaitchit in Colombo Wort, „nur hatte ich noch keine Zeit zu einer strukturierten Bearbeitung.“ Nach einer Weile meldete sich Harsha: „Ich übernehme das unklar machen der ‚Evergreen Carrier’ mit meinen Leuten. Ich denke, wir können sie so verunsichern, dass sie die geplante Inspektion doch ausführen, also bis Freitag Abend hier bleiben. So lange wird die ‚Asian Explorer’ nicht auf hoher See warten, sondern herein kommen, sobald der Kapitän erfährt, dass aus dem Rendezvous nichts wird.“ Dann erläuterte er der Runde, dass seine Leute kurz vor dem geplanten Auslauf der „Evergreen Carrier“ die Kühlwasser-Ansaugöffnungen des Hauptdiesels verschließen sollten. „Die Öffnungen sind durch Gitter geschützt“, erklärte er. „Wir schmieren eine unter Wasser schnell härtende Masse hinein und säubern die Gitter, so dass von außen nichts zu erkennen ist. Etwa zehn Prozent Kühlwasser sollten noch durchkommen, dann ist die Kontrolle positiv und die Maschine wird erst unter Last zu heiß. Das Chaos dürfte perfekt sein, denn eigentlich brauchen sie die Maschine noch, um an den Kai zurück zu kommen. Damit wird die Inspektion unausweichlich.“ Bei der weiteren Besprechung meldete sich Sirigul wieder: „Dazu habe ich noch eine Variante: Das Paket enthält eine Kopie, der echte Buddha ist irgendwo versteckt“, sagte Sirigul und heimste wieder erstaunte Blicke ein. „Okay“, sagte Harsha, „damit müssen wir rechnen.“

In Bangkok berichtete Siripong der Regierung über die Entwicklung. Der Außenminister hatte einen Vorschlag: „Vielleicht können wir die ceylonesischen Behörden für eine Zusammenarbeit ihrer Geheimpolizei mit uns gewinnen. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich unseren Botschafter anweisen, entsprechende Gespräche zu führen.“ Die Behörden von Sri Lanka reagierten erstaunlich schnell und unkompliziert auf die Anfrage des Botschafters. Nach Hinweisen des Botschafters, dass seine Regierung beim Kampf gegen die tamilischen Rebellen im Norden aktiv werden könne, verband ihn der Außenminister direkt mit dem Polizeipräsidenten von Colombo, nicht ohne diesem die uneingeschränkte Unterstützung der Thais ans Herz zu legen. Der Chef der Geheimpolizei bestimmte das Einsatzkommando, dessen Führer Rajiv Tomataraike sich gleich mit Harsha und den Thais zusammensetzte, um die Einzelheiten abzusprechen.

Um 17:50 Uhr ging der Hafenlotse an Bord der „Evergreen Carrier“, der Hauptdiesel wurde gestartet und pünktlich um 18 Uhr ging die letzte Leine nach oben. Langsam drehte das Schiff und nahm Fahrt auf zur Hafenausfahrt. Der Bug war schon fast in der engen Ausfahrt, als über die Notfrequenz ein Ruf des Kapitäns kam: „Myday, hier ,Evergreen Carrier’. Haben Maschinenproblem und sind manövrierunfähig. Brauchen sofortige Schlepperhilfe.“ Man sah, wie der Frachter Fahrt verlor und auf das Backbordfeuer der Einfahrt zutrieb. Doch schon rasten Schlepper auf den Havaristen zu, übernahmen blitzschnell Leinen und versuchten ihn zu stabilisieren. Zwanzig Minuten nach dem Ablegen war der Frachter wieder an der Pier vertäut. Harsha hatte seine Leute an alle Funkkanäle gesetzt. Einer von ihnen fing kurz danach den erwarteten Spruch auf: „Evergreen Carrier an Asian Explorer: Treffen unmöglich, habe Maschinenschaden.“ Die „Asian Explorer“ bestätigte die Meldung, sie hätten sich nach dem Notruf schon so etwas gedacht. Sie fragten, ob im Hafen irgendetwas Außergewöhnliches beobachtet worden sei. Als dies verneint wurde, antworteten sie: „Dann laufen wir direkt ein.“ Für Harsha und Phaitchit war das die Bestätigung, dass Ahmed und der Buddha noch an Bord des Frachters waren.

Aus Kapitel 12 "Befreiung"                       

Donnerstag früh machte die „Asian Explorer“ fest und Harsha schlug dem Kapitän vor, die Ladearbeiten noch in der Nacht zu beginnen, um das pünktliche Auslaufen am Abend sicher zu stellen. „Wenn Sie uns einen guten Mann beistellen, der sich mit der Fracht im Laderaum auskennt, genügt das“, beruhigte Harsha ihn. „Okay“, entschied der Kapitän, „dann fangt in einer Stunde an.“ Da passte es ihm gar nicht, dass noch die Behörden an Bord kamen, diesmal sogar die Chefs der Immigration und des Hafenzollamtes persönlich. „Haben Sie Passagiere an Bord?“, fragte der Immigrations-Chef. „Ja, einen“, antwortete der Kapitän. „Hat er ein Visum für Sri Lanka?“ „Soviel ich weiß, will er nicht an Land gehen. Ich denke, er wird längst schlafen.“ „Bitte führen Sie uns zu ihm.“ Ahmed saß auf dem Bett, die Beamten erkannten ihn nach dem Bild aus Thailand. „Ihren Pass bitte!“ Der Beamte blätterte das Dokument von vorn bis hinten durch. „Seltsam“, sagte er, „Sie haben einen Einreisestempel nach Thailand aber keinen Ausreisestempel. Wie sind Sie aus dem Lande heraus gekommen?“ Ahmed erzählte etwas von einer unbesetzten Kontrollstation am Hafen, doch der Beamte sagte ungerührt: „Tut mir leid, bitte begleiten Sie uns ins Büro.“ Die Männer hatten gleich nach dem Betreten der Kabine ein großes Paket in der Ecke gesehen. Wie erwartet kam der Jadebuddha zum Vorschein. „Was ist das?“, fragte der Beamte mit gespieltem Erstaunen. „Rufen Sie sofort den Kapitän!“ Als der kam und die Statue sah, fiel ihm der Unterkiefer herunter. Er hatte nicht gefragt, was das Paket enthielt, das der Passagier in der Nacht an Bord gehievt hatte. Nun musste auch er mit zur Hafenverwaltung kommen. Phaitchit prüfte den Buddha und war schließlich sicher: „Vor uns steht nicht der gestohlene Buddha, sondern eine Kopie.“ Er bat Harsha, im ganzen Schiff intensiv nach der Statue zu suchen, doch der schlug vor, zunächst alle Räume des Schiffes durch das Einsatzkommando sichern zu lassen, bis weitere Informationen vorlägen.

Nach dem Festmachen der „Asian Explorer“ waren einige Matrosen an Land gegangen, einer wandte sich einem Bordell zu. Harsha hatte den Mädchen mit einigen Geldscheinen gewinkt, wenn sie nützliche Informationen erfahren könnten. „Habt ihr nicht mal wieder einen reichen Passagier an Bord?“, fragte das Mädchen. „Ja, diesmal haben wir einen“, antwortete der Matrose, „aber der kommt sicher nicht zu dir, ein Araber mit schwarzem Bart, ist auf See mit einem Riesenpaket an Bord gekommen und verlässt die Kabine nie. Nur vorhin habe ich ihn mit seinem Spezi und einem Paket im Laderaum 3 gesehen.“ „Wer ist denn sein Spezi?“ „Na, Ibrahim, unser Küchengehilfe, der einzige, der zum Passagier hinein darf. Aber willst du nun mit mir klönen oder mich noch mal ran lassen?“ „Wenn du noch ein paar Scheinchen drauf legst, tue ich alles für dich.“ Sie sah ihn an: Noch stand ihm nichts. „Ich muss mal eben etwas holen, um dich hoch zu kriegen“, sagte sie, schlüpfte in den Morgenmantel und war aus der Tür. Mit kurzen Worten informierte sie Harshas Mann, der draußen wartete und war sofort mit einer Tinktur wieder im Zimmer. „Es war schön und ich werde dich weiter empfehlen“, sagte er danach und drückte ihr die zusätzlichen Scheine in die Hand. Sie lächelte, wusste sie doch, dass sie mit ihrer Information heute Abend das Zehnfache verdient hatte.

Im Hafenamt repetierte Phaitchit: „Der echte Jadebuddha ist in Bangkok gestohlen worden. Dreieinhalb Stunden später ist Ahmed mit einem schweren Paket auf dem Chao Phraya gekommen, um dann illegal an Bord der ‚Asian Explorer’ zu gehen. Vorsichtshalber hatte er in Bangkok eine Kopie der Statue besorgt und als Fracht für die ‚Asian Explorer’ aufgegeben. Vor dem Einlaufen in den Hafen sind er und Ibrahim mit dem Paket im Laderaum 3 gesehen worden. Sie dürften dort die Kopie aus dem Frachtbehälter geholt und das Original hinein getan haben. Wie können wir diesen Behälter finden?“ Der Polizist Rajiv führte das Brainstorming weiter: „Ahmed und Ibrahim haben im Laderaum 3 einen Behälter geöffnet und schwere Statuen geschleppt. Dabei haben sie geschwitzt. Wenn wir Hunde mit ihrer Witterung in den Frachtraum schicken, müsste diese den Behälter identifizieren.“

Die Hunde liefen schnurstracks auf einen großen metallenen Stückgutbehälter zu. Doch als der erste Hund an dem Behälter hochsprang, jaulte er auf und fiel zu Boden. Ein Funke war übergeschlagen und es roch nach verbranntem Fleisch. Im selben Augenblick standen sie im Dunkeln. „Jeder wird sterben, der den Behälter berührt!“, war eine Stimme aus der Tiefe des Raumes zu hören. „Ibrahim“, flüsterte Phaitchit. „Und nun macht, dass ihr aus dem rauskommt. Ich habe hier eine Bombe, mit der ich das ganze Schiff versenken werde, wenn ihr nicht in zehn Sekunden draußen seid.“ Ahmed wurde geholt. „Lassen Sie mich zu ihm“, schlug er vor. „Nein“, antwortete Rajiv, „Was fordern Sie, wenn Sie ihn besänftigen?“ „Freies Geleit für mich, Ibrahim und den Behälter nach Port Bin Kassim.“ „Rajiv lachte höhnisch: „Sie glauben doch wohl nicht, dass wir darauf eingehen. Jetzt mache ich Ihnen unseren Vorschlag: Wir holen den Buddha aus dem Behälter. Sie beide können auf dem Schiff nach Karachi weiterfahren. Schlagen Sie ihm am Telefon vor, was ich Ihnen eben angeboten habe. Dann verhandeln wir über Sie weiter mit ihm. Geht er nicht auf unseren Vorschlag ein, stürmen wir den Laderaum und riskieren die Explosion.“ Ahmed war klug genug, um zu erkennen, dass mehr nicht zu erreichen war.

Der Kapitän wählte die Nummer des Laderaumes 3 und gab Ahmed den Hörer. Nach zwei Ruftönen meldete sich Ibrahim: „Ich rede nur mit Ahmed?“ „Na endlich!“, rief Rajiv. Das war das Stichwort, die Polizisten stießen die Tür auf und ergriffen den überraschten Ibrahim, der direkt dahinter am Telefon stand und noch den Hörer in der Hand hatte. „So, das war’s dann ja wohl“, sagte Rajiv zu dem überraschten Ahmed, der plötzlich Handschellen an den Knöcheln fühlte. Mit Phaitchit und Harsha liefen sie zu dem Behälter, an den ein Kabel angeklemmt war. „Warten Sie einen Moment“, sagte der Ingenieur, löste die Sicherung und klemmte das Kabel ab. Nun konnten sie den Behälter öffnen. Er enthielt große Mengen weiches Verpackungsmaterial, doch der Buddha war nicht darin. „Weit kann er ihn nicht gebracht haben, er ist viel zu schwer“, meinte Rajiv. „Was ist unter diesen Platten?“, fragte er den Ingenieur. „Die Tanks für Ballastwasser.“ Er wies vier Meter weiter auf die Platten: „Hier ist eine Lücke zwischen zwei Tanks.“ Als hier die Platten aufgehoben wurden, kamen den Thais die Tränen: Inmitten von Schmutz und öligem Wasser lag achtlos hinein geworfen ihr heiliger Smaragdbuddha. Die Statue wurde in die Kapitänskajüte gebracht und gesäubert, dann prüfte Phaitchit die Kriterien: Es gab keinen Zweifel, vor ihnen stand der echte Buddha. Außer einer Schramme war er unbeschädigt. Die aufgehende Sonne schien durch das Fenster und hüllte den Buddha in ihr goldenes Licht. Erstaunt sahen die Schiffsoffiziere und die ceylonesischen Polizisten, wie die Thais auf die Knie fielen und eine Weile in stillem Gebet verharrten.

Aus Kapitel 14 "Hochzeit"                                     

Anchalee hatte den Hochzeitstag festgelegt. Der Mond stehe günstig, sagte sie. Andy trug zur Feier des Tages einen einfachen dunklen Anzug mit Krawatte, aber für Anchalee hatte er Wert auf ein festliches Kleid gelegt. Sie kam sich richtig komisch vor in dem langen weißen Brautkleid mit Perlen und Spitze, doch sie sah blendend darin aus. Die Registrierung bei der Gemeindeverwaltung war erst nach einer persönlichen Intervention des Innenministers bei der Immigrations-Behörde möglich geworden, die Dr. Thompsons falschen Pass einziehen und in Andrew McCoolens Pass ein Visum und einen Einreisevermerk stempeln musste. Ebenso ruhig verlief der Besuch im Tempel, wo sie ihren Bund von den Mönchen weihen ließen.

Doch als sie nach Hause kamen, glaubten sie, sich verfahren zu haben: Anchalees Nachbarn hatten die Straße gesperrt und Tische und Stühle heraus gestellt. Viele von Anchalees früheren Kolleginnen aus Pattaya waren gekommen und hatten Esswaren mitgebracht. Auch für Bier, Wein und andere Getränke war gesorgt worden. Und das war noch nicht die letzte Überraschung: Aus der Menge löste sich der Innenminister, öffnete Anchalee die Wagentür, machte den Wai und reichte ihr den Arm. Seine Frau tat das gleiche mit Andy. Die beiden Brautleute wurden ins Haus geführt und mussten im Wohnzimmer nebeneinander niederknien. Dem Minister wurde ein Topf mit weißer Paste gereicht. Mit dem Finger tupfte er den beiden fünf Punkte auf die Stirn. Dann nahm er ein weißes Band und legte ihnen die Enden auf die Köpfe, um sie sichtbar miteinander zu verbinden. „Ihr habt beide einen langen und kurvenreichen Weg gehabt bis zum heutigen Tag“, sagte er feierlich. „Ich wünsche euch, dass euer gemeinsames Leben in Zukunft geradliniger verläuft.“ Die Gäste klatschten begeistert. Dann wurde draußen getafelt. „Das ist wahrscheinlich das erste Mal, dass ein internationaler Verbrecherboss so hoch geehrt wird“, flüsterte Andy seiner Frau ins Ohr, als sie etwas abseits standen. „Vergiss nicht, dass du eine Hure geheiratet hast“, flüsterte sie lachend zurück, „ich glaube, wir passen ganz gut zueinander.“ Die beiden hatten noch gar nicht bemerkt, dass unter den Gästen auch Musikanten waren. Nachdem sich alle gestärkt hatten, holten diese ihre Instrumente vor und spielten zum Tanz auf. Es tanzte sich zwar nicht besonders gut auf der staubigen Straße, aber das tat der Begeisterung keinen Abbruch.

Andy und Anchalee saßen am Abend noch mit den beiden eingeladenen Paaren zusammen. Als Andy darüber staunte, wie gut Sirigul über den Ablauf in Colombo Bescheid wusste, erzählte Phaitchit auch dem Hochzeitspaar, wie sie durch kritische Fragen den Ablauf in die richtige Richtung gelenkt hatte. „So haben wir alle unseren Anteil an dem Erfolg“, fasste Anchalee das Gespräch zusammen. „Ich habe vorhin schon Siripong und Su unsere Freundschaft angeboten. Ich meine, wir sollten Phaitchit und Sirigul in diesen Kreis mit einbeziehen.“ Sie erhob das Glas und alle küssten sich auf die Wangen, um die Freundschaft zu besiegeln.

Als die Freunde gegangen waren, konnten die Eheleute endlich das neue breite Bett einweihen, das Anchalee zur Feier des Tages gekauft hatte. Nach langem zärtlichem Liebesspiel fanden sie schließlich die Erfüllung ineinander. Anchalee strich über Andys Hoden und sein schlaff gewordenes Glied, dann über ihre Scham und ihren Bauch. „Diesen Weg ist dein Samen gegangen“, sagte sie feierlich, „und nun wächst in mir unser Kind heran.“ Andy sah sie fragend an. „Ja“, fuhr sie, schon wieder lachend fort, „um deine Bitte zu erfüllen, habe ich die Spirale entfernen lassen, und heute ist mein fruchtbarer Tag. Ich bin sicher, dass wir eben unser Kind gezeugt haben.“ Andy war überwältigt, doch dann meinte er lächelnd: „Sollten wir es nicht vorsichtshalber noch einmal versuchen, um ganz sicher zu sein?“ Anchalee lachte noch immer. „Es wird bestimmt nichts schaden. Und ich denke, dass es auch für dich wichtig ist, diesen Schöpfungsakt bewusst zu erleben.“ So glitten sie noch ein zweites Mal ineinander. Als Andy nach langen zärtlichen Bewegungen fühlte, wie sein Same strömte, war ein so feierliches Gefühl in ihm, wie er es noch nie erlebt hatte. Dank der ihnen von Gott verliehenen Schöpfungskraft gaben er und seine geliebte Frau jetzt einem neuen, einzigartigen Menschen das Leben. Das war so etwas Großes, dass alle bisherigen wunderbaren Begegnungen mit Anchalee dagegen zu reinen Lustbarkeiten verblassten. Auch Anchalee hatte das Spiel mit allen Sinnen bis zum Höhepunkt genossen, vor allem, weil ihr die innere Bewegung ihres Mannes nicht verborgen blieb.

Obwohl es in Thailand noch wenig üblich ist, wollte Andy bei der Entbindung anwesend sein. So konnte er während der Wehen Anchalees Kopf streicheln und ihre Hand halten. Dann wurden die Wehen häufiger und stärker und schließlich lag ein winziges Pärchen in ihren Händen. Andy durfte die Nabelschnüre durchtrennen. „Bisher gehörtet ihr ganz zur Mutter, wurdet von ihrem Blut versorgt“, sagte er leise, „durch den Schnitt werdet ihr selbstständige Menschen und gehört nun zu uns beiden.“ Dunkles Haar wie bei der Mutter zierte das Köpfchen des Jungen, das Mädchen hatte rötliche Haare und blaugrüne Augen. „Das Rad des Lebens hat sich ein Stück weiter gedreht“, flüsterte Andy seiner erschöpften Frau ins Ohr. „Dadurch, dass wir beide uns gefunden haben, wurde unser Leben viel wertvoller als vorher, und nun haben wir zwei neue Leben geschaffen, die unseren Weg fortsetzen werden.“ Lächelnd erwiderte Anchalee seine Küsse.

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