Ernst-Günther Tietze: "Liebe im Herbst", Leseproben 

© Copyright 2016 Ernst-Günther Tietze

                                                    Aus Kapitel 1 „Computerclub“                      Literaturverzeichnis

Dagmar

„Was soll das, du weißt doch, dass ich mit dieser Technik nichts am Hut habe!“, sagte ich verärgert zu meiner Schwester, als sie beim Essen fragte, ob ich sie morgen zum Senioren-Computerclub in Mannheim begleiten wolle. „Schließlich habe ich mich pensionieren lassen, als die Bibliothek nach dem Brand darauf umgestellt wurde, weil ich in meinem Alter dies Zeug nicht mehr lernen wollte. Auch Martin mochte davon nichts wissen, als er noch klar war.“ Ich hatte Margitta zur Feier meines 68. Geburtstag in ein historisches Restaurant zu einem Festmenü mit rosa gebratener Entenbrust und einem kräftigen Coteaux du Languedoc eingeladen.

Fabian

Ich bin hin und her gerissen! Da bringt die Margitta Berger einfach ihre Schwester mit in den Computerclub und setzt sie an einen freien Platz, obwohl das nicht zulässig ist. Sie wolle ihr doch nur zeigen, was hier möglich ist, meint sie, denn in Weimar gebe es sowas nicht. Die Dame gefällt mir, sie macht einen aufgeweckten Eindruck, trotzdem darf sie hier nicht aktiv werden. Deshalb fordere ich sie höflich auf, sich neben ihre Schwester zu setzen und zuzuschauen. Ärgerlich sagt Margitta „So habe ich mir das nicht vorgestellt, komm wir gehen“, und die beiden rauschen davon.

Dagmar

Wir saßen am Kaffeetisch, als es klingelte und Margitta mit dem Betreuer ins Zimmer kam. Jetzt konnte ich ihn richtig anschauen, er war groß und sah mit seiner weißen Mähne über dem braungebrannten Gesicht hinreißend aus. Gekleidet war er sportlich in Jeans, T-Shirt mit einem aufgedruckten Fantasiemuster und Sandalen. „Jetzt kann ich mich richtig vorstellen“, meinte ich, „vorhin haben Sie mir ja keine Gelegenheit dazu gelassen. Ich bin Dagmar Petrenko aus Weimar. Früher war ich in der Anna-Amalia-Bibliothek beschäftigt, aber als das Haus auf Computer umgestellt wurde, ließ ich mich vorzeitig pensionieren, auch um meinen kranken Mann zu pflegen. Seit sechs Jahren bin ich verwitwet. Auch mit meinem Alter will ich nicht hinter dem Berg halten, wir haben gestern meinen 68-ten gefeiert.“ „Herzlichen Glückwunsch nachträglich“, unterbrach er mich, „das Alter sieht man Ihnen überhaupt nicht an.“ „Danke für die Blumen“, erwiderte ich. „Ich habe auch noch eine Tochter von 40 Jahren in Kanada, die geschieden ist und ihre vierzehnjährige Tochter alleine großzieht. Und wer sind Sie? Margitta hat mir bisher nichts über Sie erzählt.“

Fabian

Auf der Fahrt nach Mannheim spukte mir diese Frau Dagmar ständig im Kopf herum. Ich hatte ihr angemerkt, dass ich sie beeindruckte, doch war das nur mein Computerwissen oder mehr? Will ich sie überhaupt mehr beeindrucken und was stelle ich mir dabei vor? Nach Angelicas Tod habe ich bewusst Begegnungen mit Frauen vermieden, habe ich jetzt lange genug um sie getrauert? Ich habe mich immer für einen Steppenwolf gehalten, bin hart und abweisend geworden und selbst die Kinder und Enkel kamen nicht mehr an mich heran. Doch allmählich merke ich, dass ich für ein einsames Leben nicht geschaffen bin, ich brauche die Kommunikation mit einem vertrauten Menschen. Und schon lange fehlt mir der körperliche Kontakt mit einer Frau, die ich lieben kann, so wie sie mich. Das war mit Angelica die ganze Zeit wundervoll gewesen, und selbst, als es wegen ihrer Krankheit nicht mehr möglich war, haben wir uns noch Gutes getan. Tief in meinem Innern meldete sich ein „Ja“ zu dieser aufregenden Frau. Vielleicht kann ich ihr ein wenig näher kommen, ich muss es nur behutsam angehen lassen. Irgendwie freue ich mich darauf, sie wieder zu sehen.

Dagmar

Herr Tiemann gab es mir eins dieser Dinger in die Hand. „Das wiegt weniger als ein Kilo. Das Betriebssystem ist Windows 8.1 und man kann jedes Anwenderprogramm drauf installieren. Dies Tablet ist mit 649,- Euro billiger als die Geräte, die wir vorhin gesehen haben und hat nur den einen Nachteil, dass man auf dem kleinen Bildschirm nicht so viel sieht wie bei den anderen Geräten. Wenn Sie eine gute Brille haben, ist solch Tablet durchaus für Sie geeignet, es passt sogar in Ihre Handtasche. Ich lasse es Ihnen mal vorführen.“ Er rief eine junge Verkäuferin, die sich als exzellente Fachfrau erwies und bat sie, das Gerät vorzuführen. Nach dem Einschalten waren sofort Quadrate zu sehen und die Verkäuferin bat mich, mit dem Finger auf eines mit einem „W“ zu tippen, worauf eine Art Briefbogen und eine Tastatur erschienen „Schreiben sie etwas“, forderte Herr Tiemann mich auf und ich tippte zwei Sätze ein. Doch die Schrift war so klein, dass ich sie kaum lesen konnte. „Drücken sie jetzt mit Daumen und Zeigefinger auf den Text und ziehen die Finger auseinander“, schlug er vor. Ich tat es und die Schrift wurde größer, aber der Rest der Zeilen verschwand rechts. „Jetzt setzen Sie den Finger auf den Text und ziehen Sie ihn nach links und wieder nach rechts“, fuhr er fort und ich sah, wie der Text über den Bildschirm wanderte. „Das ist ja eine tolle Sache“, staunte ich.

Fabian

Margitta sagte anerkennend: „Ich wusste ja, dass es dir nicht schlecht geht, habe aber nicht gedacht, dass du so komfortabel wohnst.“ „Na ja, wir haben hier viele Jahre mit vier Personen gelebt“, antwortete ich. „Ich brauchte ein Arbeitszimmer, ebenso die Kinder, und Angelica hat Wert darauf gelegt, für ihre künstlerischen Arbeiten ein eigenes Reich zu haben. Jetzt ist mir das Haus allmählich zu groß und ich denke daran, in eine Seniorenresidenz umzusiedeln. Aber lasst uns mit der Arbeit beginnen. Dagmar pack‘ doch mal deine Schätze aus“, bat ich, dann ließ ich sie das Tablet und das Type Cover zusammenstecken und zeigte ihr den Netzschalter am Tablet. Nach dem Einschalten wurde sie aufgefordert, einen Benutzernamen und ein Passwort einzugeben und ich erklärte: „Das Passwort musst du dir aufschreiben, sonst kommst du nicht mehr in das System.“ Dagmar wählte ihren Vornamen als Benutzer und tippte ein Passwort ein, das sie im Notizbuch vermerkte. Nach der Eingabe zeigte ich ihr, wie sie die Maus mit dem Gerät verbinden kann. Sie bat um eine Pause, da sie nichts mehr aufnehmen könne, ich kochte Kaffee und öffnete eine Packung Kekse. „Das müssen wir noch ein paar Mal machen, damit ich sicher bin“, seufzte Dagmar und ich bestätigte, das sei stets die erste Aufgabe an den nächsten Tagen. „Heute wollen wir nur noch ins Internet gehen.“ Nach dem Kaffee zeigte ich ihr den WLAN-Zugang auf dem Tablet und buchstabierte den Code zur Eingabe. Dann ließ ich sie den Internetexplorer starten und wies ihr den Weg, Firefox und Thunderbird herunter zu laden und zu installieren.

Dagmar

„Jetzt bist du schon im Internet und kannst auf diesem Weg die Erweiterung deines Telefonanschlusse auf DSL beantragen“, schlug Fabian vor. Ich wählte die angegebene Servicenummer, konnte nach kurzer Wartezeit die Erweiterung beantragen und erhielt die Auskunft, man werde mir die Unterlagen per Post zusenden. „Für E-Mail habe ich eine eigene Domain, dort liegt auch meine Webseite“, fuhr Fabian fort. „Du hast eine eigene Webseite?“, fragte Margitta erstaunt, „zeig‘ sie uns doch mal.“ „Ich dachte, das sei im Club bekannt“, antwortete Fabian und schaute mich an. „Du kannst sie anwählen, geh‘ mal wieder auf Firefox.“ Dann sagte er mir, was ich in die Adresszeile eingeben musste. Seine Seite erschien mit seinem Bild und einer Begrüßung. Nach ein paar einleitenden Zeilen waren drei Überschriften zu sehen:

- Mein Leben,

- Meine Berufstätigkeit,

- Meine Bücher.

„Klick‘ mal auf ‚Mein Leben‘, bat er und ich war beeindruckt. Ab seiner Geburt waren alle Daten seines Lebens aufgeführt auch seine Liebe zu zwei verstorbenen Frauen. „Und jetzt klick‘ auf ‚Meine Bücher‘“, fuhr er fort. Ich fand eine Liste von fünf Büchern, die darunter mit den Titelbildern und einer kurzen Inhaltsangabe dargestellt waren. „Wenn du bei den Büchern auf ‚Leseproben‘ klickst, bekommst du ausführliche Ausschnitte aus den Büchern.“ Ich hatte das Buch „Leben mit Angelica“ gesehen. und klickte die Leseproben an. Interessiert las ich die Begegnung mit seiner Frau vor fünfundvierzig Jahren und ihre vielen zärtlichen Briefe, bis Fabian mich zum letzten Kapitel führte, wo ich die liebevolle Beschreibung ihrer letzten Monate bis zum Tode und seine Grabrede lesen konnte. Unvermittelt stiegen mir Tränen in die Augen. „Danke, dass du mir das gezeigt hast“, sagte ich gerührt und dachte: „Dieser Mann hat wohl viel Gefühl für Frauen.“ Er war mir jetzt ein ganzes Stück näher gekommen und ich wollte den Kontakt mit ihm auf jeden Fall bewahren. „Wenn dich das interessiert, gebe ich dir das Buch zum Lesen mit“, sagte Fabian und holte ein Exemplar.

Fabian

Nach dem Besuch der beiden Frauen war ich ziemlich durcheinander. Keine Frau hatte mich in den letzten Jahren derart beeindruckt wie diese Dagmar. Solange Margitta bei ihr ist, kann ich ihr leider nicht näher kommen, aber irgendwie muss ich es versuchen, denn im Innersten weiß ich, dass ich mit ihr vielleicht eine schöne neue Gemeinschaft finden kann.

Aus Kapitel 2 „Übungen“

Dagmar

Weil ich mich heute auf die Begegnung mit Fabian freute, hatte ich wieder das helle Kleid mit dem afrikanischen Muster angezogen, den Bernsteinschmuck angelegt und mich dezent geschminkt. Aber als er mich bei der Begrüßung am Bahnhof mit seinen hellen Augen anstrahlte, fühlte ich mich ziemlich durcheinander und hatte das Gefühl, dass er auch aufgeregt ist. In seinem Haus servierte er eine Tasse Kaffee, dann begannen wir zu arbeiten. Für heute hatte er Textverarbeitung vorgesehen, dafür ließ er mich „Free Office“ herunter laden und installieren, dann das Textprogramm aufrufen. „Gib einen beliebigen Text ein“, bat er. Wie von selbst formulierten meine Finger einen Dankesbrief:

Lieber Fabian,

ich finde es nett, wie fürsorglich und trotzdem erfolgreich du mich in die Computerei eingeführt hast. Ich habe es nie für möglich gehalten, in meinem Alter noch einem derart netten und zuvorkommenden Mann zu begegnen, der so viel Mühe für mich aufwendet. Ich hoffe, dass wir noch viele gemeinsame Unterrichtstunden miteinander verbringen können.

Dagmar.

 „Danke, ich danke dir von Herzen“, rief er und umarmte mich, doch das genügte mir jetzt nicht mehr. Ohne nachzudenken küsste ich ihn und unsere Zungen umschlangen einander, bis wir keine Luft mehr bekamen. „Du“, sagte ich schwer atmend, „das darfst du nicht machen.“ „Entschuldige vielmals“, antwortete er lachend, „es soll nicht wieder vorkommen.“ „Das wäre schade“, meinte ich, ebenfalls lachend und konnte gar nicht aufhören, seine Lippen zu fühlen. Wie lange war ich nicht so geküsst worden! „Wir sind ja verrückt“, rief er schließlich und ich antwortete „Ja, ich bin ganz verrückt nach dir und habe das Gefühl, dass es dir genauso geht.“ „Du hast Recht“, antwortete er nachdenklich, „seit Angelicas Tod war ich nicht mehr so glücklich. Ich bin dir so dankbar, dass du mir deine Zuneigung so offen zeigst, ich hätte nicht gewagt, einfach auf dich zuzugehen. Doch jetzt sage ich voller Freude: ‚Doch küsst mich ein weiblicher Mund, so bin ich schon wieder gesund.‘ Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Als ich bedenkenlos antwortete. „Ja, Papageno, mir geht es doch ebenso, nur ein sanftes Täubchen werde ich nicht sein“, lief ein glückliches Strahlen über sein Gesicht. Was habe ich da angerichtet, ohne nachzudenken? Er führte seine Hand vorsichtig an den Ausschnitt meines Kleides und sah mich fragend an. Als ich nickte, liebkoste er meine Brüste. „Jetzt fühle ich schon eines deiner Geheimnisse“, fuhr er leise fort, „das Weitere möchte ich mir für später aufbewahren.

Fabian

Das war ein richtiges Wechselbad der Gefühle für mich, zuerst Dagmars Liebesbrief, dann die Küsse und zuletzt ihre Aussage, dass sie sich auch in mich verliebt hat. Ich sah eine glückliche Zukunft vor mir, die mich aus meiner Einsamkeit erlösen konnte. Ich umarmte und küsste Dagmar innig, doch nachdem ich ihre Brüste gefühlt hatte, hätte ich sie jetzt gern unverhüllt bewundert, wagte aber nicht, ihr das zu sagen. Offenbar fühlte sie meine Unsicherheit und fragte, warum ich so still sei. „Ich traue mich nicht, dich um etwas Unschickliches zu bitten“, flüsterte ich, worauf sie lachend antwortete: „unsere Küsse haben doch die Unschicklichkeit eröffnet, da kann deine Bitte nicht mehr so schlimm sein. Sag nur, was du dir wünschst.“ Verlegen flüsterte ich ihr den Wunsch ins Ohr. „Das ist überhaupt nicht unschicklich“, antwortete sie lachend, „die können sich noch gut sehen lassen.“ Ich zog sie aufs Sofa, sie streifte das Shirt über den Kopf und ich konnte nach dem Öffnen des BH ihre mittelgroßen, straffen Brüste bewundern. Mit den Händen liebkoste ich die beiden lieblichen Kugeln und als ich behutsam die Spitzen küsste, wurden sie fest, wobei Dagmar zuckte, als ob ein elektrischer Schlag ihren Körper durchfuhr und leise stöhnte. Da kamen mir die Worte von selbst: „Schon seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, weiß ich, dass du eine schöne Frau bist. Aber jetzt fehlen mir die eigenen Worte und ich kann nur die Bibel zitieren: ‚Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön und ist kein Fehl‘ an dir‘, sagt sie und ich beziehe diese Worte gerne auf dich. Ich bin glücklich, dass ich solch eine schöne Frau lieben darf.“

Dagmar

Die „unschickliche“ Behandlung meiner Brüste durch Fabians weiche Lippen hatte mich ziemlich erregt, ich strich ihm über die Haare und zog, einem plötzlichen Impuls folgend, seinen Kopf fester an mich. Und dann wollte ich ihn noch näher fühlen, zog sein Hemd aus und drückte meine Brust an seine. Es war himmlisch, seine Haut direkt auf meiner zu fühlen, und ich zog ihn ganz an mich. Eng aneinander geschmiegt lagen wir auf dem Sofa. Unsere Zungen führten einen immer wilderen Tanz auf, während unsere Hände den nackten Rücken des anderen liebkosten. Bald konnte ich Fabians steigende Erregung deutlich fühlen, das brachte mich auf eine verwegene Idee, wie ich schon ein Stück seines Wesens erforschen kann. Ich drückte mich noch fester an ihn, bis er bald am ganzen Körper bebte und leise stöhnte. Das hatte ich gewollt und freute mich darüber. Verlegen flüsterte er: „Entschuldige bitte, aber du hast mich so eng umarmt, dass ich mich nicht lösen konnte.“ Glücklich antwortete ich: „Das ist doch ganz natürlich und ich bin dir dankbar, dass ich dich so erleben durfte. Jetzt kenne ich auch schon ein Geheimnis von dir.“ „Du bist großartig“, stammelte er, „das habe ich zwei Jahre lang nicht erlebt, auch die innigen Küsse nicht. Angelica hat mir schon bevor wir vollkommen zusammen kamen, ihre Liebe auf diese Weise erwiesen, und zuletzt konnte sie sie nur noch so zeigen. Nun setzt sich das mit dir wundervoll fort.“

Fabian

Nachdem ich Dagmar in den Zug gesetzt und Margitta die Ankunftszeit gemeldet hatte, war ich zu aufgewühlt, um nach Hause zu fahren und lief ziellos die Planken entlang. Diese Frau hatte sich mir schon weit geschenkt, ich war jetzt verantwortlich dafür, die Verbindung behutsam weiter aufzubauen. Denn dass ich mein weiteres Leben gemeinsam mit ihr führen wollte, war mir so klar, wie kaum etwas. Schließlich trank ich in einer Bar einen Cognac, das beruhigte mich. Dagmar würde sich sicherlich morgen aus Weimar melden.

Sonntag klingelte kurz nach 17 Uhr das Telefon, ich hatte schon gehofft, dass Dagmar ihre Ankunft melden würde. Doch sie hatte noch etwas auf dem Herzen: „Ich habe die Einwahldaten für das Internet von Vodaphone bekommen, finde aber den WLAN nicht. Kannst du mir helfen?“ „Wie heißt denn dein Anschlussgerät?“, fragte ich. „Im Handbuch steht ‚Easybox 903‘“, antwortete sie. Ich fand das Gerät im Internet. „Das Ding hat oben links einen Schalter, mit dem der WLAN eingeschaltet werden kann“, erklärte ich ihr. „Drück mal drauf, da müsste eine weitere Lampe angehen und schau dann wieder auf dein Tablet.“

Dagmar

Ich war so begeistert von Fabians tatkräftiger Hilfe, dass ich ihm in einer Mail danken musste:

Weimar, 31. 5. 2015 Mein ganz lieber Fabian,

ich weiß gar nicht, wie ich Dir für deine ständige Hilfe bei der Computerei danken soll. Du hast mich so geduldig und liebevoll in die Materie eingeführt und das Sahnehäubchen war eben Deine Führung ins Internet, die ich alleine nie bewältigt hätte. Doch auch für die persönliche Führung gestern und vorgestern danke ich Dir von Herzen. Ich habe jahrelang in einem seelischen Dornröschenschlaf gelegen und überhaupt nicht mehr gewusst, dass ich eine Frau bin. Du hast mich wunderbar zärtlich aufgeweckt und mir die Tage so schön gemacht, wie ich es schon lange nicht erlebt habe, mein Liebling. Ich freue mich bannig, dich übermorgen in die Arme schließen und küssen zu können und vielleicht auch ein bisschen mehr.

Jetzt will ich bald ins Bett gehen und mich von der Reise erholen, denn die Abende mit Margitta waren lang, wenn wir auch nur wenig über Dich gesprochen haben.

Viele herzliche Küsse sendet Dir Deine Dagmar.

Nach fünf Minuten hatte ich Fabians Antwort:

Mannheim, 31. 5. 2015 Meine geliebte Dagmar,

herzlichen Dank für Deine liebe Mail, über die ich mich zweifach gefreut habe: Einmal weil Du so gut gelernt hast, mit der E-Mail umzugehen und zum zweiten über Deine wundervolle Liebeserklärung. Nach unserem Abschied gestern konnte ich nicht gleich nach Hause gehen, sondern bin durch die Stadt gewandert und habe mich beim Anblick des Elefanten an Dich erinnert. Nachdem ich in einer Bar einen Cognac getrunken habe, fühlte ich mich von Deiner Liebe umhüllt und wurde ruhig, so dass ich nach Hause fahren konnte. Ich konnte lange nicht einschlafen, weil meine Gedanken bei Dir waren. Ein paar Verse sind mir eingefallen, die ich Dir mitsende:

Du bist meine Frau,

ich weiß, ich liebe Dich so sehr,

mit Dir will ich mein Leben teilen.

Vor langem schon wurde mir Liebe geschenkt,

eine wundervolle Liebe von einer großartigen Frau

über viele Jahre, Jahrzehnte.

Bin ich ihr stets gerecht geworden,

habe ich ihr immer genug Liebe gegeben?

Trotzdem hat sie nie an mir gezweifelt.

Ihr Weg ist vollendet,

ich blieb zurück, alleine

und denke oft an sie.

Du hast mich angenommen

und achtest ihr Vermächtnis.

Ich möchte Dir viel Liebe geben.

Denn jetzt bist Du meine Frau,

ich weiß, Du liebst mich so sehr,

Willst Du mein Leben mit mir teilen?

Nun wünsche ich Dir eine gute Nacht und küsse Dich in Gedanken, Dein Fabian

Nun musste ich Fabian doch noch mal anrufen und ihm sagen, dass ich gerne seine Frau sein will. Meine Gedanken waren noch lange bei ihm.

Aus Kapitel 3 „Wiedersehen“           

Fabian

Endlich lief der Zug in Weimar ein. Als ich aus der Tür sprang, stand Dagmar fast vor mir und nahm mich in die Arme. „Herzlich willkommen in meiner Stadt“, rief sie, doch meine Antwort wurde durch ihre Küsse erstickt, ich konnte ihr kaum die Rosen in die Hand drücken.

Dagmar

Jetzt wurde die Sehnsucht in mir übermächtig, ich zog ihn aufs Sofa, wo er mich innig küsste und meine Brüste streichelte. „Komm!“, sagte ich und führte ihn nach oben ins Schlafzimmer. In Nullkommanix waren wir aus den Sachen und lagen auf dem Bett, wo er mich zärtlich streichelte, bis ich es nicht mehr aushielt und ihn zu mir zog. Auch jetzt bewegte er sich behutsam, bis sich alles um mich drehte und ich aufschrie. Da sank er stöhnend auf mich und ich dachte erstaunt: „Alle Männer stöhnen im Orgasmus.“ Als wir zur Ruhe gekommen waren, überlegte Fabian eine Weile, dann sagte er: „Jetzt ist nichts mehr zwischen uns wie vorher, wir haben uns auf der höchsten Ebene erkannt, die zwischen zwei Menschen möglich ist. Ich habe diese Begegnung stets als ein herrliches Geschenk der Natur angesehen, bei dem beide vollkommen unverstellt aus sich heraus gehen, aber wenn man das erste Mal in dieser Weise zueinander findet, ist es eine unbeschreibliche Offenbarung, hab‘ Dank für deine Liebe, mein Liebling.“

Auch ich wollte ihm für dieses beglückende Erlebnis danken, nahm ihn noch einmal in die Arme, schmiegte mich an ihn und küsste ihn wie wild. Noch lange lagen wir eng umschlungen beieinander. „In deinem Buch hat mich die zarte Beschreibung deiner ersten innigen Begegnung mit Angelica bewegt, ich könnte deine wundervollen Worte auswendig sagen. Da wusste ich, dass du ein zärtlicher Liebhaber bist, und du hast das Vertrauen vollkommen bestätigt.“ Ich überlegte, wie der Tag weitergehen könnte. „Warst du schon mal in Weimar?“, fragte ich Fabian, doch er antwortete, er habe nie die Gelegenheit gehabt. Als ich im Internet fand, dass morgen Abend der „Rosenkavalier“ gespielt wird, bestellte ich zwei Karten.

Fabian

Beim Frühstück sah ich, wie Dagmar heimlich eine Pille in den Mund steckte. „Musst du in deinem Alter noch die Pille nehmen?“, lästerte ich, „Das solltest du gar nicht mitbekommen“, antwortete sie ernst, „ja, ich muss regelmäßig diese Pillen nehmen, denn ich habe eine schwere Angina Pectoris. Nur damit kann ich noch eine Weile leben, doch die Gefahr eines Herzinfarktes nimmt immer mehr zu. Bis eben wusste das kein Mensch außer meinem Arzt, jetzt bist du der Zweite.“ Ich bekam einen fürchterlichen Schreck. Gerade hatte ich eine wundervolle Frau gefunden und nun war sie schwer krank und hatte vielleicht gar nicht mehr viel Zeit zum Leben. Ich umarmte und küsste sie. „Das soll unserer Liebe keinen Abbruch tun, ich werde dich immer lieben wie heute“, stotterte ich. Da glänzten Tränen in ihren Augen und sie sagte leise „Danke, aber es war leichtsinnig zuzulassen, dass du dich in mich verliebst. Unsere Verbindung hat nicht die geringste Zukunft, wir sollten uns schnellstens trennen, bevor wir einander noch mehr verfallen“, dann küsste sie mich innig.

„Wie lange hast du das schon?“, wollte ich wissen. „Wohl schon länger“, antwortete sie nachdenklich, „aber die Beschwerden fingen vor anderthalb Jahren an und werden immer stärker.“ „Und wie sind die Aussichten auf Heilung“, fragte ich weiter. „Ziemlich negativ“, antwortete sie langsam. „Es ist eine seltene Form der Krankheit, mit der die Medizin kaum Erfahrungen hat. Sporadische Krämpfe in den Herzkranzgefäßen lösen Durchblutungsstörungen des Herzmuskels aus, was zu vorübergehendem Herzstillstand führt. Die Folge sind anfallartige Schmerzen in der Brust, im schlimmsten Fall ist ein Herzinfarkt möglich. Die Pillen minimieren die Krämpfe durch Dämpfung des nervösen Systems, so dass ich ein einigermaßen normales Leben führen kann und es sogar gewagt habe, mit dir eine neue Liebe zu beginnen, was eigentlich verantwortungslos ist.

Dagmar

Es bewegte mich, wie ernst Fabian meine Krankheit nahm. Sicher war es verantwortungslos, ihn in mich verliebt zu machen und ihm mit meinem wahrscheinlichen Tod neues Leid zu bereiten. Aber für mich ist es doch wundervoll, bis zu meinem Ende einen lieben Menschen um mich zu haben, ist das sträflicher Egoismus? Zumindest kann ich ihm so lange noch alle meine Liebe geben, das ist ja auch etwas Gutes für ihn, um ihn aus seiner Einsamkeit zu befreien. „Weißt du denn genau, wie die Krankheit heißt?“, fragte Fabian in meine Gedanken hinein und ich fragte, warum er das wissen wolle. „Weil wir im Internet danach forschen können, da gibt es sicherlich detaillierte Informationen. Wähl‘ den Namen auf deinem Tablet an.“ Als ich „Vasospastische Angina pectoris“ eingab, bekam ich eine Seite mit vielen medizinischen Einrichtungen. „Doch unter der Überschrift „Ausblicke“ wurde auf eine neu entwickelte hoffnungsvolle Operation hingewiesen. Unverblümt wurde berichtet, dass eine Reihe von Patienten die Operation nicht überlebt habe.

„Schau mal, da ist ein Link“, sagte Fabian und zeigte auf einen blau geschriebenen Namen. Als ich es anklickte, öffnete sich das Portal des kardiologischen Instituts in Seattle, auf der eine neue Bypass-Operation mit ihren Erfolgschancen und Risiken beschrieben wird. Auch die Kosten von 10.000,- § für Vorbereitung, Operation und eine zweiwöchige Reha wurden genannt. „Das können wir vergessen“, sagte ich enttäuscht, „so viel kann ich nicht aufbringen.“ Da nahm Fabian mich in die Arme. „Vergiss nicht, dass ich dich liebe und noch lange mit dir zusammen leben will. Da ist es doch klar, dass ich dich nicht verlieren will und für dein langes Leben etwas tue. Speichere die Adresse, kopiere die wichtigsten Angaben nach Word und drucke sie aus. Dann beschaff‘ dir unverzüglich einen Termin bei deinem Arzt und hol‘ seinen Rat ein. Wenn er einverstanden ist, buchen wir die Operation in Seattle und ich begleite dich.“

„Und wenn ich dabei draufgehe?“, fragte ich mit einem bangen Gefühl. „Das bestreiten die Leute in Seattle nicht“, sagte Fabian, „ich glaube aber, das hängt vom Zustand des Patienten ab. Natürlich musst du selbst entscheiden, ob du das 30-prozentige Risiko eingehen willst, bei der Operation draufzugehen oder mit 100-prozentiger Sicherheit in den nächsten Jahren qualvoll stirbst. Wie du dich auch entscheidest, ich werde dir auf jeden Fall beistehen.“ „Ich glaube, du hast Recht, hab‘ Dank für deine harten Worte“, antwortete ich nachdenklich, „ich werde gleich um einen Termin beim Arzt bitten.“ Ich bekam den Arzt selbst an den Apparat, der sehr interessiert war und mich für morgen früh um 8 Uhr bestellte. Ich druckte die Kopien aus den Webseiten für ihn aus.

                Aus Kapitel 4 „Weimar“               Seitenanfang           Literaturverzeichnis        

Fabian

Um 8 Uhr waren wir beim Arzt, Dagmar bat ihn, mich mit ins Sprechzimmer zu lassen. Interessiert las der Internist die Ausdrucke aus dem Internet und gab offen zu, davon noch nichts gehört zu haben. Das könne durchaus Erfolg versprechen, meinte er, wies aber auch auf die hohe Letalität hin. „Können Sie mir solch eine Operation empfehlen?“, fragte Dagmar ganz direkt. „Zur Zeit fehlt mir das genügende Wissen darüber“, antwortete er offen, „ich muss mich erst intensiv damit beschäftigen. Seien Sie Montag wieder um 8 Uhr hier, dann hoffe ich, Ihnen diese Frage besser beantworten zu können.“

Sonntag sagte Dagmar nach dem Frühstück ernst zu mir: „Ein Teil der Stadt muss ich dir unbedingt noch zeigen, weil es leider dazu gehört wie Goethe und Schiller, nämlich das KZ Buchenwald. Wenn es dir Recht ist, sollten wir jetzt hinfahren.“ Ohne weiteres stimmte ich zu und wir machten uns auf den Weg. In einer umfangreichen Dokumentation konnten wir die Geschichte des 1937 für politische Gegner, Juden, Sinti und Roma errichteten Lagers lesen, das schon bald zum Synonym für die nationalsozialistischen Konzentrationslager wurde: „Nach Kriegsbeginn wurden Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald verschleppt. Im KZ und seinen 136 Außenlagern waren über 250.000 Menschen inhaftiert. Die SS zwang sie zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. 56.000 Menschen starben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung. Widerstandskämpfer bildeten im Lager eine Untergrundorganisation, um das Wüten der SS einzudämmen. Seit dem 8. April hatten die Häftlinge durch Boykott und Sabotage ihre Evakuierung aus dem Lager verhindert und die US-Armee per Funk um Hilfe gerufen. Durch einen Aufstand übernahmen sie bei Annäherung der Amerikaner die Leitung des Lagers, nahmen 125 Bewacher fest und öffneten die Tore. Nach Abzug der Amerikaner wurde das Gelände bis 1950 von den Sowjets als Speziallager genutzt. Erst 1958 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald eröffnet und ab 1991 neu gestaltet.“ Ich war entsetzt von dem Gesehenen. „Ich habe zwar einiges über die KZ gewusst, aber das hier übersteigt alle Vorstellungen. Es ist unwahrscheinlich, welche Schuld unser Volk mit dieser unmenschlichen Brutalität auf sich geladen hat, das können wir nur sehr langsam wieder gutmachen.“

Dagmar

Montag standen wir wieder früh auf und waren um 8 Uhr beim Arzt. „Ich habe gute Nachrichten für Sie“, empfing er uns. „Das halbe Wochenende habe ich mich mit dem Thema ‚Operation‘ beschäftigt und von allen möglichen Seiten Informationen eingeholt, weil mich die Sache außerordentlich interessiert Letztlich hat mir ein Spezialist der Charité in Berlin zu einer Entscheidung verholfen, indem er die geringen Risiken ihrem sicheren Schicksal gegenüber stellte. Dann habe ich lange mit der Klinik in Seattle korrespondiert, zuerst per Mail, zuletzt telefonisch. Sie baten mich um Ihre Unterlagen und ich habe sie übermittelt, also alle Untersuchungsergebnisse, Blutwerte und CT-Bilder. Gestern Abend mailten sie, dass sie bei Ihnen gute Aussichten für eine erfolgreiche Operation sähen, die Sie dauerhaft von der Krankheit befreien könne. Abgesehen von der Krankheit sei Ihr Körper so gesund, dass die Risiken vernachlässigbar klein seien. Ihre Krankenkasse wird allerdings die Kosten kaum übernehmen.“ „Das wissen wir“, antwortete ich.

Fabian

„Wann können Sie in Seattle sein?“, wollte der Arzt wissen. Ich überlegte. „Wir müssen erst noch nach Mannheim, weil ich einiges für die Reise brauche, und sollten dann von Frankfurt fliegen. Wenn wir Mittwoch früh einen Flug bekommen, sind wir nachmittags in Seattle, denn die Zeitdifferenz beträgt neun Stunden. Ich kümmere mich um den Flug, und wenn das klappt, ist Dagmar Donnerstag früh in der Klinik.“ „OK“, sagte der Arzt, „ich habe schon eine Patientennummer. Wenn Sie die Operation wollen, müssen Sie sich unverzüglich mit dieser Nummer bei der Klinik anmelden, Ihren Ankunftstermin nennen und eine Vorauszahlung leisten.“

Über das Internet beantragte ich Einreisegenehmigungen in die USA und buchte zwei Flüge für Mittwoch um 7:15 ab Frankfurt mit nicht terminierten Rückflugtickets. Dagmar schimpfte: „Du hast Business gebucht, das ist doch viel zu teuer“ „Willst du wirklich zwölf Stunden lang die Beine nicht ausstrecken können?“, antwortete ich, „ich nicht, denn ich kann es problemlos aufbringen. „Du bist verrückt“, sagte meine Geliebte und küsste mich, „was bezahle ich denn für diese Angelegenheit?“ „Da werden sich noch genug Gelegenheiten ergeben“, antwortete ich, „wir nehmen um 15:58 den Zug nach Mannheim und sind gegen halb acht dort. Du übernachtest bei mir, ich nehme dich morgen in den Club mit und verabschiede mich für ein paar Wochen.

Dagmar

Fabian half mir bei der Anmeldung in der Klinik mit dem 11. Juni als Antrittstermin. Als Vorauszahlung wurden 2.000,- § gefordert und ich belastete meine Kreditkarte damit. „Da habe ich schon etwas, das ich selbst bezahle“, lachte ich. Fabian buchte eine Juniorsuite in einem Hotel nahe der Klinik und organisierte seine Vertretung im Club. Dann sah er mich an und sagte leise „Bevor du diese nicht harmlose Operation durchführen lässt, solltest du unbedingt mit zwei Menschen darüber sprechen, die dir besonders vertraut sind, nämlich Margitta und deiner Tochter. Ich hoffe mit dir, dass du sie noch lange sehen kannst, aber wir können nicht hundertprozentig ausschließen, dass es das letzte Mal ist.“ Ich erschrak, doch dann antwortete ich lächelnd: „Hab‘ Dank für den Tipp. Margitta sehen wir morgen und Christine könnte von Edmonton, wo sie eine Forschungseinrichtung leitet, nach Seattle fliegen, das ja dicht an der kanadischen Grenze liegt.“ „Gut“, schlug Fabian vor, „dann sollten wir Margitta morgen noch vor dem Club in Mannheim sprechen.“ Während Fabian Spaghetti mit Tomatensoße kochte, packte ich die nötigen Sachen für Seattle und wir schafften gut den Zug kurz vor vier.

Fabian

In Mannheim fuhren wir mit einer Taxe zu meinem Haus und gingen nach kurzem Abendessen früh ins Bett, wo ich zum ersten Mal nach vier Jahren wieder mit einer wunderbaren Frau das Fest der Liebe feiern konnte. Diese Erinnerung animierte mich zu etwas, was mit Angelica gelegentlich gelungen war: Ich blieb in ihr, bis ich wieder potent war und konnte ihr damit mehrere Erfüllungen schenken. „Mit Martin hatte ich ja immer ein schönes, ruhiges Liebesleben“, meinte meine Geliebte nachdenklich, als wir wieder zu Ruhe gekommen waren, „noch nie habe ich mehrere Orgasmen hintereinander erlebt. Das war phänomenal. hab‘ Dank, mein Geliebter!“ Doch auch ich war ergriffen, dieses unwahrscheinliche Erlebnis mit der Frau genießen zu können, die mir jetzt das Liebste auf der Welt ist.

Aus Kapitel 5 „Seattle“  

Fabian

Obwohl wir nach dem Mittag im Flugzeug lange geschlafen hatten, waren wir hundemüde, schließlich hatte uns der Wecker in Mannheim schon vor 23 Stunden aus dem Schlaf gerissen. So aßen wir in der Bar nur einen Snack, dann gingen wir hundemüde ins Bett. Gegen Mitternacht Ortszeit erwachte ich, es war die Zeit, in der ich zu Hause spätestens aufstand, doch ich schlief schnell wieder ein. Endgültig war meine Nacht dann um 5:30 Ortszeit zu Ende, ich hatte mit mehreren kurzen Unterbrechungen 12 Stunden geschlafen. Als ich mich zu meiner Geliebten umdrehte, sah ich, dass sie schon wach war und mich liebevoll anschaute. „Ich hoffe und bete, dass ich dich noch oft so schön im Schlaf und beim Erwachen ansehen kann“, sagte sie langsam, als ob sie über jedes Wort nachdenken musste, „und nun lass uns für ein Weilchen Abschied feiern.“ Mit diesen Worten streckte sie die Arme nach mir aus und wir fanden vor der Trennung noch einmal liebevoll zueinander. Im Bad kam mir ein schlimmer Gedanke: „Hoffentlich war das nicht das letzte Mal“, doch ich sagte der Geliebten nichts davon. Dagmar zog sich mit Jeans und Bluse leger an und wir frühstückten gemütlich. Sie nahm nur eine leichte Tasche mit Nachtzeug, Kosmetik und ihrem Tablet mit, als eine Taxe uns zum Institut brachte.

Dagmar

Nach dem recht ordentlichen Mittagessen gingen die Untersuchungen los. In einem Labor wurde mir jede Menge Blut abgenommen, mein Urin wurde aufgefangen, der Blutdruck gemessen, ein Belastungs-EKG und ein EEG gemacht und mein Brustraum sonografiert. Erst kurz vor 17 Uhr war ich fertig, da kam Fabian auch schon und wir küssten uns innig. Ich erzählte von den Untersuchungen und bat ihn, für Christine ein Zimmer zu reservieren. Er berichtete von seiner Sehnsucht nach mir, die er mit Erkundungen der Stadt besänftigt hatte. Mit innigen Küssen konnten wir uns unsere Liebe zeigen. Als das Abendessen serviert wurde, musste er leider gehen.

Freitag gingen die Untersuchungen weiter. Ich wurde in einen CT gesteckt und ein MRT schloss sich an, dann hatte ich in meinem Zimmer etwas Ruhe. Nach dem Mittagessen wurde ich in einen OP gebracht, wo sie sagten, sie müssten eine Herzkatheter-Untersuchung machen, dafür bekäme ich eine Lokalanästhesie in der Leistenbeuge. Als die Spritze wirkte, führten sie eine Sonde ein und ich konnte auf einem Bildschirm beobachten, wie mein Herz schlug und seine Umgebung aussah. Sie schoben die Sonde durch die verschiedenen Adern und ich entnahm aus ihren Gesprächen, dass sie recht zufrieden waren. Als ich nach einer ganzen Weile fertig war und in mein Zimmer kam, saß Fabian an meinem Bett.

Fabian

In der Lobby des Hotels trank ich einen Bourbon, als eine gut aussehende Frau mit einem Mädchen herein kam und sich umsah. „Mrs. Sherman?“, fragte ich und sie antwortete auf Deutsch: „Sie sind sicherlich der Freund meiner Mutter. Ich freue mich für sie und um ihr eine Freude zu machen, habe ich meine Tochter Florence mitgebracht. Ich hoffe, dass noch ein Bett für sie übrig ist.“ Damit gaben die beiden mir die Hand und ich freute mich über diese unkomplizierte Frau und ihre frische junge Tochter. „Ich bin sicher, dass sich Ihre Mutter freuen wird“, sagte ich und sie erledigte an der Rezeption das Einchecken. „Sie haben sicherlich Hunger, treffen wir uns in 20 Minuten hier unten?“, lud ich sie ein und sie meinte, sie müssten nur auspacken und sich etwas frisch machen.

Christine fragte offen, wie ich zu ihrer Mutter stehe und ich berichtete ebenso offen, wie wir uns über die Computerei gefunden und so sehr ineinander verliebt hätten, dass wir zusammen leben wollten. „Computerei?“, fragte sie erstaunt, „meine Mutter hat doch immer einen großen Bogen um diese Dinger gemacht.“ „Ja“, lachte ich, „aber ihre Schwester Margitta hat es ihr empfohlen und sie ist dann mit Riesenschritten drauflos gegangen. Ich habe ihr zu einem Tablet geraten, mit dem sie jetzt schon fast alles macht.“ „Und warum ist sie jetzt in dieser Klinik?“ wollte sie dann wissen, das hatte ich befürchtet. „Das soll sie ihnen am besten selbst erklären, ich möchte nicht vorgreifen“, antwortete ich verlegen, „aber ich habe noch eine Bitte: Weil ich schon ziemlich eng mit Ihrer Mutter verbunden bin, möchte ich ihnen beiden jetzt das ‚Du‘ anbieten.“ „Herzlich gern“, antwortete sie lachend. „Ich wollte es schon lange, habe mich aber nicht getraut, weil du der Ältere bist.“ Mit diesen Worten umarmte sie mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Ich freue mich, dass meine Mutter dich gefunden hat, denn du scheinst genau der Richtige für sie zu sein.“

Dagmar

„Nun sag‘ mir endlich, warum du hier in Amerika eine Klinik aufsuchen musst“, wollte Christine wissen. „Ich glaube, ich hätte dich längst informieren müssen“, meinte ich schuldbewusst und berichtete alles über meine Krankheit. „Auf der ganzen Welt hat nur dies Institut die Krankheit erfolgreich operiert, wobei sie auch eine Reihe von Todesfällen nicht verschweigen. Ich hatte zunächst Angst davor, aber Fabian hat mir als Alternative den sicheren Herzinfarkt genannt, das hat mich überzeugt. Er bezahlt übrigens den größten Teil der ganzen Aktion.“ „Ich glaube, du liebst meine Mutter sehr“, meinte Christine und sah Fabian fast liebevoll an. „Ja, das tut er und ich bin in seiner Liebe wieder richtig aufgeblüht“, antwortete ich, bevor Fabian etwas dazu sagen konnte. „Und denkt mal, er hat mich zur Computerei gebracht, schaut, was für ein tolles Tablet ich habe.“ Mit diesen Worten zeigte ich den beiden meinen Schatz. „Da hat dein Fabian in ein paar Tagen geschafft, was uns in Jahren nicht gelungen ist“, lachte Christine, „das ist ja wohl wahre Liebe.“ Florence griff sich das Tablet und tippte darauf herum, als arbeite sie schon lange damit. „Es hat ja sogar LTE“, sagte sie bewundernd, „wie heißt deine Krankheit?“ Als ich den Namen nannte, hatte sie sofort die richtige Seite und zeigte sie ihrer Mutter. Die las besorgt die Informationen, dann kam sie auch über den Link auf die Klinik hier. „30 % Letalität für 10.000,- §, ist das nicht ziemlich gewagt?“, fragte sie besorgt, worauf Fabian das Wort ergriff: „Einmal hängt das sehr von den Umständen ab, der Arzt hier sieht gute Aussichten. Und zum anderen musst du die reale Gefahr eines tödlichen Herzinfarkts sehen, wenn nichts getan wird. Aus diesen Überlegungen hat deine Mutter sich auf meine Empfehlung für die Operation entschieden.

Fabian

Die Operation sei technisch erfolgreich gewesen, sagte der Arzt, der Bypass sei gelegt worden. Um jede das Herz anstrengende Bewegung zu vermeiden, habe man Dagmar in ein künstliches Koma versetzt und beobachte sie jetzt intensiv auf Abstoßungsreaktionen. Morgen könne man möglicherweise mehr sagen. Obwohl diese Worte professionell klangen, beunruhigten sie mich, denn vom künstlichen Koma war vorher nicht die Rede gewesen.

Dagmar

Beim Aufwachen wunderte ich mich, dass die Sonne ins Zimmer schien, offenbar war es Vormittag. „Sollte ich nicht operiert werden?“, fragte ich verwundert die Schwester, die neben meinem Bett saß. „Ja, das sind Sie“, antwortete sie lächelnd, „Sie haben seit der Operation anderthalb Tage in einem künstlichen Koma gelegen, jetzt ist Mittwochmittag. Wie fühlen Sie sich?“ Ich hatte kein unangenehmes Gefühl, nur auf der Brust und am Bein spürte ich dicke Pflaster, in der Nase steckte ein Stück Plastik und in meiner linken Hand eine Kanüle, die mit einem kleinen Gerät auf dem Nachttisch verbunden war. „Ich glaube, es geht mir nicht schlecht“, antwortete ich langsam. Bald kam der Kardiologe und gratulierte mir zu meinem starken Körper, der die Operation problemlos überstanden habe. „Ich hoffe, dass wir damit Ihre Krankheit endgültig geheilt haben“, sagte er abschließend. „Natürlich müssen wir Sie weiter genau beobachten, deshalb bleiben Sie noch eine Woche bei uns.“ Ich bedankte mich herzlich und fragte, wann mein Freund mich besuchen dürfe. Lächelnd antwortete er: „Jetzt gleich, er wartet nämlich schon zwei Stunden darauf:“ Er öffnete die Tür und winkte, dann stand Fabian neben dem Bett und küsste mich vorsichtig.

Fabian

Samstag schlug ich Dagmar vor: „Was meinst du, wenn wir nach deiner Entlassung nicht gleich nach Deutschland zurück fliegen, sondern uns die Gegend ein bisschen ansehen? Die Westküste soll bis Los Angeles sehr interessant sein und die Nationalparks bieten viel Sehenswertes. Wir würden einen Mietwagen nehmen und vier Wochen lang 2.000 km nach Süden fahren. Du kennst die Gegend wahrscheinlich ebenso wenig wie ich.“ Dagmar war überrascht, stimmte aber gern zu und ich wollte Informationen beschaffen. Wir sprachen noch eine Weile über diese Idee und Dagmar freute sich, das Land etwas näher kennen zu lernen. Im Hotel verfolgte ich die Idee und suchte im Internet eine ungefähre Route bis San Francisco aus. Nach ein paar Tagen dort würden wir mit weiteren Abstechern nach LA weiterfahren.“

Dagmar

Sonntag kam Fabian vormittags und wir küssten uns herzlich, „Mehr geht leider nicht“, dachte ich traurig, doch ich hatte nicht mit der Fantasie meines Liebsten gerechnet. Ungeniert zog er mir das Nachthemd von den Schultern und küsste meine Brustspitzen, das Pflaster beginnt erst ein Stück darunter. „Wenn jemand kommt“, sagte ich ängstlich, doch er lachte nur: „Was meinst du, warum du ein Einzelzimmer hast?“ Er hatte eine Reiseroute ausgearbeitet und auf einem Stick mitgebracht. Bis zum Mittagessen sahen wir uns auf dem Tablet die Route in Google Maps an und informierten uns über die Orte, die Fabian ausgesucht hatte. „Ich glaube, das wird eine sehr interessante und vielseitige Reise“, lobte ich ihn. Montag früh sah ich mir Fabians Route noch einmal auf dem Tablet an und fand eine Änderung: „Ich habe noch einen Punkt gefunden, den wir uns ansehen sollten“, schlug ich vor, als er kam, „die Warm Springs Federation. Das ist ein Gebiet, das Indianerstämmen gehört und von ihnen bewirtschaftet wird. Was meinst du dazu?“ „Die Idee ist gut“, sagte er erfreut, „die indigenen Eingeborenen kennen zu lernen, ist sicherlich eine wertvolle Erfahrung.“

Donnerstag nach dem Frühstück zog ich mich an, packte meine Sachen und Fabian holte mich ab. An der Rezeption wurde seine Kreditkarte mit dem restlichen Betrag belastet und wir erhielten einen umfangreichen Bericht über meine Behandlung.

Aus Kapitel 6 „Westküste“

Fabian

Gegen 12 Uhr erreichten wir das Historic Chateau am Silver Lake. Wir bekamen ein geräumiges Zimmer mit Bad und bewunderten vom Balkon die Aussicht auf den Mt. St. Helens. Faszinierend ist der direkte Blick in den Krater und auf den Spirit Lake, in dem noch immer die vom Ausbruch gefällten Baumstämme schwimmen. Wir hätten uns noch weiter mit dem Vulkan beschäftigen können, doch das verschoben wir auf morgen, denn uns beide lockte das innige Miteinander, das wir schon 16 Tage entbehrt hatten. Meine Geliebte entschied einfach, dass sie inzwischen kräftig genug sei, Es war wunderschön wie beim ersten Mal in Weimar.

Dienstag fuhr ich 160 Kilometer über den Highway 26 zum Warm Springs-Resort, wo ich ein Zimmer für zwei Nächte gebucht hatte. Das Hotel liegt direkt am Fluss und wir bekamen ein komfortables Zimmer mit Bad und Balkon. Das Haus hat einen Wellnessbereich, in dem auch Massagen angeboten werden. Das reizte uns, so dass wir beschlossen, den Nachmittag hier zu bleiben und uns erst morgen mit den nativen Indianern zu beschäftigen. Zunächst badeten wir in den heißen Quellen und dem Wasserpark, dann meldeten wir uns zur Ganzkörpermassage für ein Paar an. Wir lagen nackt nebeneinander auf einer breiten Unterlage, zwei Indianerinnen massierten uns. Zuerst lag ich auf dem Bauch und die Masseurin griff mir bei der Massage der Gesäßmuskeln tief in die Pospalte. Als ich mich auf den Rücken drehen musste, ging sie bei den Innenseiten der Oberschenkel mehrmals bis an die Hoden, was mich sichtbar erregte. Leider schien sie das nicht zu interessieren, sie berührte „ihn“ nicht direkt. „Schade!“, dachte ich.

Als ich zu Dagmar schaute, sah ich, dass ihre Masseurin ähnlich unbekümmert ihre Pospalte durchzog, ihre Brüste knetete und ihr tief in die Vulva griff. Grinsend beobachtete sie die Auferstehung meines Fleisches. Nach der Massage ruhten wir eine Stunde auf den Liegen Als Dagmar erzählte, dass sie meine Erektion beobachtet hatte, lachte ich, die Masseurin sei ja leider nicht konsequent gewesen. „Na, ja“, meinte meine Gefährtin, „es wäre mir nicht so recht, wenn jetzt eine fremde Frau meine Aufgabe übernimmt.“

Dagmar

Nach gut der halben Strecke hatten wir gerade die Stadt Bent hinter uns gelassen, als uns ein Pickup überholte und kurz vor uns abrupt bremste, Fabian konnte mit Mühe das Auffahren vermeiden. Zwei Männer sprangen heraus und liefen mit Pistolen in der Hand auf uns zu. Doch Fabian hatte den Lincoln schon ein Stück zurückgesetzt und fuhr geradeswegs auf sie zu, sie konnten nur knapp zur Seite springen. Dann fuhr er so über die leere Straße, dass sie etwa 200 Meter hinter uns blieben, unser Wagen war viel kräftiger als ihrer. „Ruf‘ die Polizei über 911 an“, bat er mich und ich schilderte unsere Lage und die Kilometeranzeige. Ein Einsatzwagen würde uns entgegen kommen, sagte der Beamte und es dauerte nicht lange, bis wir ihn sahen. Hinter uns stellte er sich quer auf die Straße und als der Pickup bremste, waren die Polizisten schon mit Revolvern an den Türen und nahmen die Männer fest. Das sei schon der zweite Überfall, meinten sie, als sie unsere Aussage aufnahmen und uns dankten, dass wir ihnen die Gauner so gut geliefert hatten. Auf die Frage, wo sie uns erreichen könnten, nannte ich das nächste Hotel und unsere Handynummer. „Gut, dass du gefahren bist, ich hätte bestimmt nicht so schnell reagiert“, lobte ich Nach dem Frühstück machten wir uns mit einer genauen Karte auf den Weg. Wir fuhren, hielten an, schauten und staunten. Von einem Parkplatz liefen wir einen markierten Weg in den Wald hinein, es war unwahrscheinlich. Die Bäume sind riesig hoch und haben einen sagenhaften Umfang. So etwas hatten wir noch nie gesehen und wir vergaßen völlig das Mittagessen. Zum Glück hatten wir eine Packung Studentenfutter dabei, das wir mit frischem Wasser aus einem Bach verzehrten. Dann schwammen wir eine Weile nackt im Bach, wo uns niemand sehen konnte. Erst spät rissen wir uns los und fuhren zurück. Weil wir im Wald kaum etwas gegessen hatten, ließen wir uns vom Hotelier ein Restaurant am Ufer empfehlen, zu dem wir eine Viertelstunde laufen mussten. Es war noch früh genug, wir bekamen einen guten Platz und genossen ein vorzügliches Fischmenü mit Weißwein. Gut gesättigt gingen wir zurück und ließen den Tag, der uns so viel Schönes geschenkt hatte, in inniger Gemeinschaft ausklingen.

Fabian

Als wir an einem Flüsschen anhielten, um zu baden, sahen wir eine junge Frau mit zwei Kindern nackend baden. Das ist in diesem Land selten, aber wir taten es ihnen natürlich gleich. Nach dem Bad lagen wir nebeneinander am Strand und unterhielten uns. Auf unsere Frage bedauerte die Frau, dass sie, um nackend baden zu können, solch eine einsame Gegend aufsuchen müssen.

Nach dem Einchecken aßen wir in der Stadt und liefen zum Old Faithfull Geysir, der stündlich eine 20 m hohe Fontäne in den Himmel spuckt. „So etwas habe ich noch nie gesehen, danke dass du mir das zeigst“, schwärmte Dagmar.

Am frühen Abend erreichten wir Sacramento, wo ich im Hyatt ein Zimmer mit Blick auf das Capitol gebucht hatte. Am nächsten Morgen besichtigten wir zuerst das Capitol direkt gegenüber, es ist der Regierungssitz von Kalifornien. Dann wandten wir uns in das hübsche Zentrum „Old Town“. Wir sahen das Pionier- und das Railroad Museum, eines der besten Eisenbahnmuseen der USA. Auf einer Tafel lasen wir die Geschichte der Stadt: „Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von 1846/48 wurde Kalifornien amerikanisch und Sacramento entstand als Goldgräbersiedlung an der Mündung des American River in den Sacramento. 1854 wurde Sacramento zur Hauptstadt des Bundesstaats Kalifornien erklärt.“

                                Aus Kapitel 7 „Kalifornien“        Seitenanfang          Literaturverzeichnis      

Fabian

Weil wir über die Golden Gate Bridge nach San Francisco fahren wollten, machten wir einen Umweg über die 5 km lange Richmond-San Raffael Bridge. In der Stadt lotste uns der Navi gut zum Frisco Comfort Hotel zwischen City und Hafen, wo wir ein schönes, antik möbliertes Zimmer mit einem Kingsize-Bett bekamen. Nachdem wir ausgepackt hatten, gingen wir essen, dann probierten wir das Bett aus. Wenn wir auch unterwegs nicht auf die Liebe verzichten mussten, freuten wir uns jetzt darauf, dieses komfortable Bett dafür zu nutzen. Leider stellten sich bei mir Schwierigkeiten ein, nichts regte sich. Ich war verzweifelt und Dagmar fragte mich, warum. Da sagte ich, dass ich mich schlecht fühlte, weil ich die für uns beide so wunderbare körperliche Liebe nicht fortsetzen könne und mir wie jemand vorkäme, der sein Versprechen nicht halten kann. Sehr ernst antwortete meine Geliebte: „Begreif‘ endlich, dass ich dich als Menschen liebe und nicht nur ein Körperteil von dir.“ Da war ich erleichtert und Dagmars zärtlicher Finger half mir vollkommen, so dass wir doch noch zu einem zärtlichen Miteinander kamen. Abends gingen wir zur Fisherman’s Wharf, einer Reihe alter Hafenmolen. Wir schauten lange und entschieden uns schließlich für ein Seafood-Restaurant, wo wir gut essen und trinken konnten. Erst spät waren wir wieder im Hotel und kuschelten uns lange aneinander.

Dagmar

Sonntag sahen wir die Stadt an. In San Francisco gibt es noch einige historische Straßenbahnen. Da die Straßen sehr bergig sind, hat man dort zwischen den Schienen Kabel in den Boden gelegt, die von einer Zentrale gesteuert werden und die Bahnen die Berge herauf und herunter ziehen. Diese Cable Car Zentrale konnten wir am Vormittag besichtigen und uns das Prinzip erklären lassen: Vom Wagen greift eine Hebelstange durch einen Schlitz auf das sich im Kabelkanal der Straße mit 15 km/h von der Zentrale gezogene Kabel. Am Nachmittag machten wir eine Stadtrundfahrt mit dem Bus, wobei wir die Innenstadt und das Chinesenviertel interessant fanden.

Beides sahen wir uns Montag zu Fuß an. Besonders das große Chinesenviertel, in dem es alles zu kaufen gab, was irgendwie chinesisch aussieht, beeindruckte uns sehr. Natürlich aßen wir hier Mittag und lernten die Dim Sum Körbe kennen, kleine Bambuskörbchen, die zum Dämpfen aufeinander gestapelt werden In jedem befindet sich ein Gitter aus Bambus, auf das die Speisen gelegt werden. Als wir an einer Pharmacie vorbei kamen, ging Fabian hinein und fragte nach Viagra, vielleicht könnte ihm das helfen. Das sei rezeptpflichtig, hieß es. Ich meinte, er solle den Blödsinn lassen, doch er zeigte der Apothekerin seinen deutschen Pass und wies auf sein Alter. Da ließ sie sich erweichen und verkaufte ihm eine Viererpackung. Am Nachmittag besuchten wir einen Park mit einer naturkundlichen Sammlung, wo wir das große Erdbeben auf einer beweglichen Plattform nachempfinden konnten.

Fabian

Donnerstag früh wollte Dagmar den Lincoln aus der Hotelgarage holen, wo er sich fünf Tage ausgeruht hatte, doch er sprang nicht an. Ich versuchte es auch erfolglos und rief die hiesige Filiale der Mietwagenfirma an, die schnell einen Monteur schickte. Leider hatte der auch keinen Erfolg und schlug nach Rücksprache mit der Firma den Tausch des Wagens vor. Sie hätten allerdings keinen Lincoln, sondern einen neueren Vignale, der ähnlich komfortabel sei. Am Mietpreis ändere sich nichts. Wir erklärten uns einverstanden und schon nach 20 Minuten war der Wagen da. Er sah in der Tat moderner und schnittiger aus als der alte Lincoln. Die Aktion hatte den Vorteil für uns, dass wir kostenlos einen vollgetankten Wagen bekamen.

Bei den Yosemite Falls begnügten wir uns mit dem unteren Fall, dessen Wasser neben einem steilen Weg 98 m tief fällt. Nach einem brauchbaren Mittag gönnten wir uns eine Siesta, ich sagte Dagmar dass ich eine Viagra nehmen wolle, um mein Problem zu lösen. Nach 20 Minuten streichelten wir uns und sofort hatte ich zum ersten Mal seit langem wieder eine richtige Erektion. Dagmar staunte und es war wunderschön, von ihrer Wärme umschlossen zu sein. Sehr schnell erlebten wir beide einen vollkommenen Höhepunkt und mussten uns erst mal ausruhen. Dann streichelte Dagmar mich ein wenig und sofort war „er“ wieder da. Zum Abend orderten wir eine Hummersuppe mit Wein beim Roomservice. Als wir satt waren, fanden wir uns im Bett wieder und ich war sofort wieder bereit. Zufrieden und glücklich lagen wir noch eine Weile Arm in Arm, bis wir einschliefen.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf eine Rundfahrt durch den Park. Die größten Bäume fanden wir im Giant Forest, vor allem die größte Sequoia überhaupt, den General Sherman Tree. Er ist eingezäunt, so dass wir ihn nicht berühren konnten, doch von einer Bank vor dem Zaun konnten wir seine ganze Pracht bewundern. Der etwa 2.200 Jahre alte Mammutbaum ist 84 m hoch und hat einen Basisdurchmesser von über 11 m. Der maximale Umfang am Boden beträgt 35 m, sein Volumen 1.487 m3. Damit handelte es sich um den voluminösesten Baum der Erde. Wir bewunderten den Riesen von allen Seiten, bevor wir auf der Congress Loop zu weiteren mit Namen versehenen Mammutbäumen gingen, den Präsidenten-Baum (der viertgrößte) und den Lincoln-Baum (der fünfte). Dann kamen wir an einen Teich, in den ein Wasserfall sprudelt, und da wir alleine waren, gingen wir nackt hinein, wir hatten ja keine Badesachen dabei.

Dagmar

Ein Stück vor dem Sequoia Nationalpark Park nahmen wir im Lake Kaweah abseits der Straße ein erfrischendes Bad und da wir allein auf weiter Flur waren, badeten wir wieder nackt. Als wir zum Trocknen auf der Wiese lagen, begann Fabian, mich zu streicheln. Ich hatte Bedenken, uns könne jemand sehen, doch er beruhigte mich, er habe Angelica oft auf diese Weise geliebt, und es sei eine besondere Atmosphäre. Da genoss ich das Beieinander ganz anders als im Bett. „Danke, dass du mir diese schöne Erfahrung geschenkt hast“, sagte ich zu meinem Geliebten.

Vor dem Haus gibt es eine Feuerstelle mit ausreichendem Holzvorrat. Mittlerweile war es dunkel genug, ein Lagerfeuer anzuzünden. Unter dem Nachthimmel mit tausenden Sternen in das Feuer zu schauen, war schon die zweite neue Erfahrung für mich an diesem Tag. Als Fabian nach einer Weile die Gitarre stimmte und das Lied „Abendstille überall“, anstimmte, fiel ich gerne ein. Bis das Feuer um Mitternacht herunter gebrannt war, sangen wir alle Lieder, die uns einfielen und staunten, wie viele wir gemeinsam kannten. Zum Schluss sangen wir alle Strophen des Claudiusliedes „Der Mond ist aufgegangen“ mit der Bitte um ruhigen Schlaf. Noch einmal dankte ich dem Gefährten, für den wundervollen Abend. Dass wir im Bett noch nicht gleich einschliefen, liegt auf der Hand. Da Fabian mit diesem Abschluss des Tages rechnete, hatte er eine Viagra genommen und wieder wirkte diese kleine blaue Pille Wunder, er war sofort voll da und der Zustand ging nach der herrlichen Vereinigung überhaupt nicht zurück, so dass wir nach einer Weile noch einmal zusammenfanden.

Fabian

Donnerstagvormittag fuhren wir von Santa Barbara nach Los Angeles hinein und fanden schnell das Holiday Inn. Da wir nicht mehr Auto fahren mussten, packten wir alles, was wir für die letzte Nacht nicht mehr brauchten, in den Wagen und fuhren zum Flughafen, um ihn dort ihn zurück zu geben. Rund 3.300 km waren wir gefahren. Unser Gepäck gaben wir bei der Aufbewahrung ab, aßen Mittag und fuhren mit der U-Straßenbahn bis fast vors Hotel. Nachdem wir uns ein bisschen ausgeruht hatten, gingen wir bummeln. Am Broadway zwischen der 3rd und 8th Street glaubten wir uns nach Mexiko versetzt, denn die Straße ist die Haupteinkaufsstraße der Latinos, die 40 % der Einwohner ausmachen. Entsprechend laut und temperamentvoll geht es auf der Straße und den Nebenstraßen zu. Bei einem Goldhändler kaufte Fabian mir einen hübschen Armreif.

Dagmar

Ich hatte mir vorgenommen, meinen Reisebegleiter an diesem letzten Abend zu einem festlichen Dinner einzuladen. Der Aufenthalt in den Staaten mit Hin- und Rückflug, Hotels, Autos und Mahlzeiten hatte ihn viel Geld gekostet, dazu kamen 8.000,- € für meine Behandlung. Dafür wollte ich ihm mit einem besonderen Essen danken und hatte im nahen Restaurant Chateau d‘Roy heimlich einen Tisch reserviert. Zwei Stunden lang ließen wir uns ein exzellentes französisches Diner mit erlesenem Wein schmecken. Mit einem Glas Champagner dankte ich dem Geliebten für seine Fürsorge um meine Gesundheit und auch, dass er mir vier Wochen lang dieses interessante Land gezeigt hatte. „Es war doch auch für mich schön, das mit dir gemeinsam zu erleben“, sagte er gerührt und unsere Lippen verschmolzen miteinander. Erst spät kamen wir ins Hotel zurück, wo wir ausgiebig die letzte Nacht in Amerika feierten.

Fabian

Samstag mussten wir früh aufstehen, checkten nach dem Frühstück aus und fuhren mit der U-Straßenbahn zum Flughafen. In Frankfurt hatten wir an der Passkontrolle für EU-Bürger ein typisches Erlebnis. Der Beamte fuhr mich barsch an, ich solle einen Schritt zurücktreten, ich kam mir vor wie in den siebziger Jahren bei der DDR-Grenzkontrolle. Als ich „Hoy“, sagte, fuhr der Mann mich wieder an, ob ich ein Problem habe. Da rastete ich aus und sagte, mit deutschen Beamten wie ihm hätte ich immer Probleme. Er scannte den Pass und knallte ihn auf die Pultplatte. Dann fuhr er Dagmar ebenso an, sie solle zurücktreten, im Gegensatz zu mir sagte sie nichts.

                                                                                    Aus Kapitel 8 „Mannheim“        

Fabian

Während ich meine Mails und Finanzen prüfte, googelte Dagmar auf ihrem Tablet und rief mich aufgeregt zu sich. Unter „Impotenz“ hatte sie unter verschiedenen Ursachen den Namen eines Magenmittels gesehen und dieses Mittel in meinem Medizinschrank gefunden. Ich war überrascht und dankte ihr herzlich. „Mensch, da hätte ich Idiot auch drauf kommen können“, beschimpfte ich mich, „und ich dachte, ich sei inzwischen zu alt für die Liebe geworden.“ Ich rief gleich meinen Hausarzt an und bekam einen Termin für den Nachmittag. „Das muss gefeiert werden“, rief ich, „ich lade dich zu einem Festmahl ein, das ich bereiten werde. Was hältst du von einer Lammschulter in Gorgonzolasoße?“

Ich hatte noch mal über die Magentabletten nachgedacht und mir wurde klar, warum mein Problem erst nach Seattle auftrat. Bis dahin hatte ich den Rest des alten Medikaments aufgebraucht und erst danach die neuen Pillen genommen, die mein Arzt mir als besser verträglich empfohlen hatte. Entweder wusste er nichts von den Potenzproblemen oder er hatte angenommen, dass das bei mir keine Rolle mehr spielen würde. Als ich ihm das am Nachmittag sagte, entschuldigte er sich und verschrieb mir wieder das alte Mittel. „Sie sind schon lange mit einer Vorsorgeuntersuchung dran, wollen wir sie gleich machen?“, fragte er und ich stimmte zu, Er sonografierte meinen Bauchraum, griff mir in den Hintern, ich musste Urin abgeben und die Schwester füllte drei Ampullen mit meinem Blut. Nachmittags rief mein Arzt an, mein PSA-Wert sei extrem hoch, ich müsse einen Urologen zur näheren Untersuchung aufsuchen.

Dagmar

Da wir wussten, dass wir unsere schöne Gemeinschaft unbedingt fortsetzen wollten, mussten wir uns entscheiden, ob wir Mannheim oder Weimar als Lebensstandort wählen. Fabian kannte ein Verfahren zur  objektiven Entscheidungsfindung, bei dem jeder seine Ziele mit Gewichtung in eine Tabelle schreibt. Dann bewerteten wir die Erfüllung der Ziele durch die beiden Varianten zwischen 0 und 10, bestimmten gemeinsam die Erfüllungswerte und bildeten die Produkte und Summen. „Schau“, sagte Fabian überrascht, „der Unterschied in der Erfüllung beträgt nur fünf Punkte, das sind 0,5 %. Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass es gleich ist, ob wir in Mannheim oder hier leben. Was machen wir nun?“ „Ja, das hat also nichts gebracht“, antwortete ich nachdenklich, „aber vielleicht ist das ein versteckter Hinweis auf eine weitere Möglichkeit: Ich muss offen sagen, dass ich mein Haus nicht gerne aufgeben würde und ich denke, bei dir wird es ähnlich sein. Lass‘ uns vorläufig beide Häuser behalten und je nach Gusto mal hier und mal dort leben. Leisten können wir es uns und vielleicht fällt uns im Laufe der Zeit etwas Besseres ein.“

Fabian

„Ja, so wollen wir es halten“, rief ich, „dann müssen wir unsere Häuser so herrichten, dass jeder genug Raum zum Arbeiten hat, oder auch, um sich mal zurück zu ziehen. Bei mir kannst du dir das übrige Kinderzimmer einrichten und hier hast du mir ja schon dein Arbeitszimmer angeboten und willst ins Gästezimmer umziehen. Ich denke, damit sollten wir morgen anfangen und in Mannheim gleich, wenn wir wieder dort sind.“ Ich überlegte, bevor ich weitersprach: „Jetzt müssen wir nur noch über die Form unserer Gemeinschaft nachdenken. Heiraten würde nur beim Tode eines von uns beiden etwas bringen, weil der Überlebende dann mindestens den Ehegattenpflichtteil von 25 % bekommt. Meinetwegen müssen wir unseren Kindern das nicht antun, was meinst du?“ „Ich bin derselben Meinung“, antwortete Dagmar, „lass‘ uns also in wilder Ehe weiterleben. Auch ohne Trauschein will ich dich lieben, bis der Tod uns scheidet.“ Da umarmte und küsste ich meine Geliebte. „Danke, das will ich auch“, flüsterte ich ihr ins Ohr, als mein Mund wieder frei war.

Dagmar

Montag schauten wir uns das Kinderzimmer an, das ich bekommen soll. „Ein Schreibtisch wird dir sicherlich genügen, was brauchst du sonst noch?“, fragte Fabian. Ich überlegte „Auf jeden Fall brauche ich Stühle, dazu könnten ein kleiner Tisch und ein Sofa nicht schaden. Er war sofort einverstanden und schlug vor: „Lass uns morgen Nachmittag zu Ikea fahren und die Sachen kaufen.“ In seinem Mailaccount fand er die Bitte seines Vermittlers um Rückruf. Er solle ihn möglichst bald in Frankfurt aufsuchen, sagte der. Er könne einen Angebotsvergleich für die kroatische Stromversorgung machen und wenn er wolle, müsse er die Bewerbung unterschreiben. Sie einigten sich auf Mittwoch und ich wollte gerne mitkommen.

Fabian

Mein Vermittler zeigte mir die Ausschreibung und einen Netzplan mit den Kraftwerken, den Kuppelstellen zum Verbund und den geplanten erneuerbaren Energieparks und berichtete, fünf Firmen würden Angebote für die neue Leitstelle abgeben. Termin sei der 31 August. Wie ich vermutet hatte, ging es um den Abgleich der aufgrund des EU-Zuschusses stark anwachsenden erneuerbaren Energien mit der konventionellen Erzeugung und dem Bezug, Meine potentielle Beratungstätigkeit soll Angebote für den leittechnischen Teil bewerten. Dazu gehören die Planung eines Hard- und Softwaresystems für eine neue Lastverteilung zur Einstellung optimaler Erzeugungs- und Bezugsbedingungen und die fernwirktechnische Anbindung der Erzeugungsanlagen und Übergabestellen. „Wollen Sie das übernehmen?“, fragte der Vermittler, „die Bewerbung muss bis Montag in Brüssel sein.“ „Geben Sie mir die Unterlagen und lassen mir eine Stunde Zeit“, antwortete ich und setzte mich mit Dagmar in ein Café. Bei Cappuccino und Croissant studierte ich die Ausschreibung und verglich sie mit dem Netzplan. Nach dem dritten Cappuccino wusste ich, dass ich diese Aufgabe lösen kann. Wir gingen zurück und ich gab dem Vermittler meine vorbereitete Bewerbung, den Aufwand schätzte ich auf zwanzig Tage. Nachdem ich die Bewerbung unterschrieben hatte, waren wir frei.

Aus Kapitel 9 „Arbeit“    

Dagmar

Samstag rief die Leiterin der Bibliothek an. Sie hätten in Neckarau Personalprobleme, ob ich Lust hätte, dort auf der Basis von 450 Euro auszuhelfen. Ich wies darauf hin, dass für diesen Betrag nur 25 Stunden im Monat arbeiten würde. „Ich werde mit dem Personalreferenten darüber sprechen“, antwortete sie, „haben Sie denn grundsätzlich Lust zu dieser Tätigkeit?“ Weil Fabian viel an seinem Notebook arbeitete, sagte ich unter der Bedingung zu, dass meine Reisetätigkeit dadurch nicht eingeschränkt würde. „Fein, da hast du eine Beschäftigung, wenn ich am Notebook für Kroatien arbeite“, lobte Fabian meinen Entschluss, dann arbeitete er weiter an seinen Vorbereitungen. Erst zum Abendbrot machte er Schluss.

Nach dem ausgiebigen Frühstück arbeitete Fabian weiter für den potentiellen Auftrag. Dabei fiel ihm ein, dass Janine bei der EU beschäftigt ist, vielleicht könnte sie ja die anderen Bewerber für den Vergleichsauftrag und ihre Preise ermitteln. Ich meinte, das sei doch illegal, was ihm völlig klar war. Er will abends sehen, wie illegal seine Tochter für ihren Vater sein kann. Ich fand eine umfangreiche Webseite der Mannheimer Bibliothek und bereitete mich auf meine Aufgabe vor.

Fabian

In der Radiologie wurde ich drei Stunden intensiv untersucht. nach einer CT erfolgten ein MRT und ein Knochenszintigramm. Als ich zu Hause war, rief Janine an und berichtete unter dem Siegel der Verschwiegenheit, ich hätte den Auftrag für Kroatien bekommen. Ich dankte ihr, nichts anderes hatte ich erwartet. Bald klingelte auch der Briefträger mit einem Umschlag, der für den Briefkasten zu dick war. Gespannt öffnete ich die Sendung, sie enthielt den offiziellen Auftrag der EU, die fünf Angebote für ein von ihnen finanziertes Leittechnikprojekt in Kroatien gemäß meiner Bewerbung zu prüfen und eine Empfehlung abzugeben. Die Bewertungsunterlagen seien mit einer Beschreibung meiner Arbeitsweise unverzüglich an die EU zu senden. Am Morgen des 31. August solle ich mich bei den Fachleuten und einem EU-Beamten in Zagreb vorstellen und gemeinsam mit ihnen die Angebote auswerten. Nach Gesprächen mit den Bietern hätte ich bis zum 23.9. meine Bewertung zu erstellen und mit den Fachleuten abzustimmen. Dabei lag die Ausschreibung, die ich schon kannte. Dagmar und ich müssen also in zwölf Tagen nach Kroatien aufbrechen.

Freitag informierte der Urologe mich: Ich habe in der Tat einen Krebsknoten in der Prostata, der aber noch nicht durchgebrochen ist. Auch Metastasen haben sich nicht gebildet. Er empfiehlt die Bestrahlung, da eine Operation zu Impotenz und sogar Inkontinenz führen kann. Wegen unserer Kroatienreise ist das erst Ende September möglich und er hat am 28. 9. einen Termin für mich beim Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin im Universitätsklinikum vereinbart. Um die Zeit zu überbrücken, verschreibt er mir Hormonpillen, die die Testosteronproduktion hemmt, denn dies Hormon ist für den Krebs verantwortlich, leider auch für die Potenz. „Es kann sein, dass wir dadurch wieder Probleme haben“, sagte ich zu Dagmar, aber sie tröstete ich mich: „Warten wir es ab, ich habe dir doch schon in den Staaten etwas dazu gesagt.“

In den Tabellen für den Angebotsvergleich versah ich die einzelnen Anforderungen der Ausschreibung mit Gewichtungen. Für die Kosten brachte ich das Verhältnis der einzelnen Angebotskosten zu dem mittleren Kostenwert aller Angebote als negativen Wert in die Bewertung ein und sah 25 % dafür vor. Diese Tabellen schickte ich an die EU. Bei Croatia Airways buchte ich für den 30.8. zwei Plätze um 18 Uhr von Frankfurt nach Zagreb und den Rückflug für den 24.9. Im Hotel Šibenik reservierte ich ein Doppelzimmer für diese Zeit.

Dagmar

Als ich nach Hause kam, beschäftigten wir uns mit Kroatien, wo wir schon bald vier Wochen lang sein werden. Den ganzen Tag arbeitete Fabian noch intensiv für den Kroatienauftrag, um, wie er sagte, mit der Materie voll vertraut zu sein, wenn am Montag die Besprechungen mit den Fachleuten losgingen. Währenddessen versuchte ich mich recht erfolgreich an einem Lammragout, das ich im Gefrierschrank fand.

                    Aus Kapitel 10 „Kroatien“       Seitenanfang          Literaturverzeichnis

Fabian

Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von Dagmar und fuhr in einer Taxe zum Stromversorgungs-Unternehmen. Der Chef und die Sachbearbeiter begrüßten mich und kurz danach auch der EU-Beamte, der sich zu meiner Überraschung als attraktive Frau von Mitte dreißig entpuppte. Sie hatte eine sagenhafte Figur und trug ihre langen blonden Haare offen über dem eleganten dunkelblauen Hosenanzug. Als Schmuck trug sie einen großen unregelmäßig geschnittenen, leicht in Gold gefassten Opal am linken Ohr und einen ähnlichen Ring. „Magdalena Hölzl, Master of Business and Engineering“, stand auf ihrer Visitenkarte.

Mit den Worten „Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen“, eröffnete Frau Hölzl die Besprechung. „Bei uns ist es üblich, einander mit Vornamen anzureden, aber natürlich beim ‚Sie‘ zu bleiben. Das ist eine amerikanische Sitte und ich fände es gut, wenn wir es ebenso halten. Wenn Sie einverstanden sind, können wir anfangen.“ Sie öffnete die fünf Angebote und ließ sie kopieren, so dass jeder eines vor sich hatte. Dann war es an mir, die Arbeitsweise zu erklären. Da ich sah, dass jeder die vorbereiteten Tabellen hatte, beschränkte ich mich auf eine kurze Erläuterung des Verfahrens und empfahl, die von mir eingetragene Gewichtung der einzelnen Anforderungen gemeinsam zu prüfen. Jeder solle das erste Angebot alleine durchlesen, um mit der gebotenen Lösung vertraut zu werden. Danach sollten wir die Bewertung der angebotenen Eigenschaften in die Tabellen eintragen. Wir hätten pro Anbieter zwei Tage Zeit. Der Vorschlag wurde angenommen und jeder nahm sich das erste Angebot vor.

Dagmar

Beim Essen wollte ich natürlich wissen, wie Fabians Tag verlaufen sei, und wunderte mich, wie begeistert er von der EU-Beamtin berichtete, deren Fachkenntnis seine Aufgabe erleichtere. „Da bin ich gespannt, ob ich die Dame mal zu Gesicht bekommen werde“, lachte ich und er meinte, wahrscheinlich würde ich sie morgen beim Frühstück sehen, denn sie wohne in unserem Hotel.

Beim Frühstück kam die Dame wirklich an unseren Tisch und Fabian stellte uns einander vor. Sie fragte nach meinem Alter und staunte, als ich es nannte. „Ich habe Sie höchstens auf sechzig geschätzt“, sagte sie. Da wagte ich, sie nach ihrem Alter zu fragen und staunte ebenfalls, als sie sich mit neununddreißig outete, sie sah wie Anfang dreißig aus. Nur ungern lasse ich Fabian mit ihr ziehen, aber es muss ja sein.

Fabian

Der zweite Arbeitstag verlief ähnlich wie gestern, das erste Angebot erfüllt die Anforderungen nur knapp. Dagmar führte mich abends nach einer kurzen Ruhepause in die nahe Kathedrale. Das Gotteshaus ist beeindruckend: An den Chor schließen sich zwei Basilika-ähnliche Joche mit halbhohen Seitenschiffen und zur anderen Seite vier schmalere Joche an. Vor einem Marienaltar sahen wir Frau Hölzl kniend beten, das zeigte uns diese flotte Frau in einem ganz anderen Licht, sie hatte nicht den geringsten katholischen Eindruck auf mich gemacht. Als wir zwei Kerzen für unsere verstorbenen Lieben anzündeten und uns küssten, erhob sich Frau Hölzl und fragte, ob wir auch katholisch seien. Es rührte sie, als wir erklärten, wir täten das oft zum Andenken an unsere verstorbenen Partner, und der Kuss gehöre dazu.

Dagmar

„Haben Sie Lust, mit uns zum Abend zu essen?“, fragte ich die Frau, weil sie mich immer stärker interessierte. Sie stimmte gerne zu und ich führte die beiden in ein nettes Restaurant in der Nähe. Während wir ein schmackhaftes Carpaccio mit Rotwein genossen, fragte unser Gast nach unserer Beziehung. In der Kirche habe sie gehört, dass wir beide schon von geliebten Menschen Abschied nehmen mussten, offenbar hätten wir jetzt einen neuen Anfang gefunden. Ich berichtete kurz von meiner langen Ehe in Weimar, dann folgte Fabian mit Angelica und leitete zum Computerclub über, wo wir uns gefunden und ineinander verliebt hatten. „Ich hätte nie gedacht, dass man sich in Ihrem Alter noch verlieben kann“, staunte Frau Hölzl, worauf wir beide lachend erwiderten, die Liebe in unserem Alter sei in allen Aspekten noch ebenso schön und intensiv wie in der Jugend. „Wirklich in allen Aspekten?“, fragte sie zweifelnd, worauf ich offen antwortete: „Sie meinen, ob wir noch miteinander schlafen? Ja natürlich! Wir tun es häufig und können gar nicht wieder aufhören, denn es ist herrlich!“ Fabian war rot geworden, schien dann aber richtig stolz, als die Frau uns gratulierte und etwas verlegen hinzufügte, sie beneide uns. „Ich verstehe, dass dich diese Frau beeindruckt“, flüsterte ich meinem Geliebten im Zimmer ins Ohr, „Sie scheint ein wertvoller Mensch zu sein. Aber jetzt bin ich dran.“

Fabian

Mittwoch früh kam Frau Hölzl wieder an unseren Tisch. „Ich habe im Internet geforscht“, sagte sie, „und erstaunt festgestellt, wie viele Möglichkeiten es für Menschen Ihres Alters gibt, einander kennen zu lernen. Dann habe ich ‚Sex im Alter‘ gegoogelt und noch mehr gestaunt, was darüber alles geschrieben wird. Dagegen laufen in dem Dorf, aus dem ich komme, alle Witwen schwarz gekleidet rum und niemand kann sich vorstellen, dass sie noch andere Interessen als die Kirche haben.“ Lachend bestätigte Dagmar, was sie schon gestern Abend gesagt hatte.

Das zweite Angebot machte einen besseren Eindruck als das erste, wir lasen es ebenfalls vormittags durch. Beim Mittagessen fragte ich Magdalena, warum sie Dagmar und mich beneide, wie sie gestern in der Kathedrale gesagt hatte. „Die Geschichte ist zu lang, um sie beim Kauen zu erzählen“, antwortete sie, „und Ihre Partnerin sollte sie auch hören. Heute Abend möchte ich Sie beide zum Essen einladen, da können wir drüber plaudern.“

Dagmar

Ich freute mich über die Einladung und wir standen pünktlich in der Lobby. „Haben Sie Lust auf einen Spaziergang?“ fragte Magdalena, „ich habe gestern ein Thailändisches Restaurant mit einem guten Angebot gefunden.“ Sie führte uns durch die Stadt zu einem exklusiv eingerichteten Thai. Die Speisekarte war seitenlang. Als Vorspeise empfahl sie scharfe Garnelensuppe und als Hauptgericht gegrillte Hähnchenschenkel in einer süßen Marinade, dazu halbtrockenen Rotwein.

„Ich habe neulich gesagt, dass ich Sie beneide“, begann sie nach der Vorspeise. „Ich bin ja alt genug, um nicht allein im Leben zu stehen, andere Frauen haben in meinem Alter schon halb erwachsene Kinder. Das hatten wir auch vor, mein langjähriger Partner Frederic, ein Franzose und ich. Mit 37 bin ich noch jung genug, dachte ich, habe eine gute Stellung und kann mir das Erziehungsjahr leisten. Wir brauchten eine ganze Weile, bis es klappte, vielleicht war mein Alter Schuld. Doch es spielte uns noch einen viel übleren Streich, der Embryo hatte ein schweres Down-Syndrom und die Ärzte rieten uns zur Abtreibung. Frederic war strikt dagegen, aber ich fühlte mich einfach nicht stark genug, ein derart behindertes Kind groß zu ziehen, das ja ständige Betreuung braucht. Ich stimmte den Ärzten zu und danach trennte sich Frederic von mir, er könne als Christ nicht mit einer Mörderin zusammen leben. Ich bin ja auch gläubig und als Sie mich neulich in der Kathedrale trafen, bat ich die Mutter Gottes um Vergebung. Doch seit der Trennung habe ich es noch nicht wieder gewagt, mich auf Dauer mit einem Mann einzulassen.“

Fabian und ich waren stumm ob dieser tragischen Geschichte und fanden nur allmählich wieder Worte. „Ich bin sicher, dass ich genauso gehandelt hätte“, sagte ich leise und legte die Hand auf Magdalenas, die sie fest drückte. „Danke“, antwortete sie ebenso leise. Das Honighuhn wurde serviert und meine Achtung vor dieser Frau stieg ein ganzes Stück höher. Bisher hatte ich sie für ein intelligentes Püppchen gehalten, jetzt sah ich sie mit völlig anderen Augen als eine von tragischen Ereignissen hart geschmiedete wertvolle Frau, die auf einen Schlag ihr Kind und den geliebten Mann verloren hatte. Auch Fabian schien eine Weile nicht zu wissen, was er sagen sollte, dann fiel ihm etwas ein: „Sie wissen ja, dass wir beide nach langer wundervoller Gemeinschaft unsere Partner verloren haben. Aber gerade die Erinnerung, wie schön diese Gemeinschaft gewesen ist, hat uns nicht Trübsal blasen lassen, sondern zu einem schönen neuen Anfang ermutigt.“ Ich freute mich, diesen Worten konnte ich voll zustimmen.

Die Frau hatte schweigend zugehört und schwieg auch noch, als das Eis serviert wurde. Doch dann bestellte sie drei Mekong-Whiskey, schaute uns beide mit Tränen in ihren blauen Augen an und flüsterte: „Von Herzen danke ich euch beiden für euer Verständnis und eure hilfreichen Worte. Euer Beispiel gibt mir wieder Mut, mein Leben auch außerhalb der Arbeit in die Hand zu nehmen. Verzeiht, dass ich euch einfach duze, aber ich kann jetzt nicht anders.“ Wir stießen mit den Whiskeys an, sie zahlte und wir schlenderten zum Hotel zurück. Vor dem Aufzug drückte sie ihre Wangen an unsere, wobei ich ihren Veilchenduft empfand. „Deine Worte über unseren schönen neuen Anfang waren großartig, ich hoffe, wir konnten ihr helfen“, sagte ich zu Fabian, bevor ich ihn ins Bett zog.

Fabian

Samstag holte uns um 9 Uhr ein Kleinbus des Energieunternehmens ab. Nach zwei Stunden erreichten wir nach einem steilen Abstieg über Serpentinen den Ort Senj, wo ein Motorboot uns aufs Meer hinaus fuhr und vor einer kleinen Insel ankerte. Über eine Leiter kamen wir ins Wasser und nach dem Schwimmen legten wir uns auf Matten auf dem Deck, wobei Magdalena ungeniert den BH abstreifte und Dagmar folgte, als sie meine bewundernden Blicke sah. Magdalena hatte hübsche kleine Brüste mit dunklen Warzenhöfen, doch Dagmars etwas größere standen ihr kaum nach. Als ich abends mit Dagmar zusammen war, spielten meine Gedanken plötzlich verrückt, statt ihr fühlte ich Magdalenas kleine Brüste unter mir. Erst als ich vom Gipfel herab fiel, wurde mir klar, dass ich meine Geliebte mit einer anderen Frau betrogen hatte, zwar nur in Gedanken, aber auch das war schlimm genug. Ich musste dringend Abstand von dieser Frau gewinnen, durfte sie nicht mehr als interessante (verlockende) Frau sehen, sondern nur als einen – zufällig weiblichen – EU-Beamten. Dagmar durfte ich diesen Fehltritt auf keinen Fall beichten, es würde sie beleidigen und tief traurig machen. Jetzt musste ich ihr gegenüber mit einem Geheimnis leben.

In der nächsten Woche hörten ein Mann und eine Frau interessiert die wenigen Beanstandungen des zweiten Angebots an und konnten teilweise missverständliche Aussagen aufklären, bei andern Fragen holten sie telefonisch Entscheidungen über mögliche Verbesserungen ein und versprachen, sie bis Montag ausführlich zu dokumentieren. Demgegenüber war die Preisverhandlung nach dem Mittag ein zähes Ringen. Unter Hinweis auf zahlreiche neue technische Lösungen versuchten sie, den Preis unbedingt zu halten. Erst als Magdalena darauf hinwies, dass sie wesentlich teurer seien als der der nächste, verließen sie den Raum, um wieder ihre Firmenleitung anzurufen. Es wurde ein langes Gespräch, bis sie schließlich mit einer Reduzierung um 5 % zurückkamen. Wegen der hohen Qualität des Angebots gab Magdalena sich damit zufrieden.

Zwei Tage später schlugen sich die Vertreter des Angebots fünf recht gut und konnten ohne Nachfrage bei der Firma eine ganze Reihe Verbesserungen bieten. Auch beim Preis hatten sie einen kleinen Spielraum, so dass sie insgesamt in die Nähe des zweiten Angebots kamen. „Montag werden wir die verbesserten Bewertungen noch einmal sorgfältig prüfen und unseren Vorschlag dann bis Mittwoch niederschreiben “, sagte Magdalena, als die Gäste gegangen waren, „jetzt wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende.“

Dagmar

Fabian hatte mit mir vereinbart, Magdalena zum Abschluss der Gespräche einzuladen, und sie war von dem eleganten Ambiente des Restaurant Vinodol beeindruckt. Nach einem Garnelensalat als Vorspeise bestellte Fabian die Hausspezialität Kalbfleisch unter der Glocke, während wir Frauen das Filet Mignon in Gorgonzolasoße wählten. Dazu tranken wir eine Flasche Merlot aus Istrien. Der Nachtisch war ein knuspriges Küchlein mit Fruchtfüllung, danach gab es noch Mokka. „Zum Dank für dieses fantastische Menü möchte ich euch zu einem Cognac einladen“, sagte Magdalena bewegt und als wir damit anstießen, dankte sie Fabian für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bei dem Projekt, die sie bisher selten so gut erlebt hätte.

Fabian

Dienstag prüften wir unsere Bewertung des Angebots 5 ebenso akribisch wie gestern die Nummer 2 und fanden bestätigt, dass es zwar gut ist, aber insgesamt 15 % weniger Punkte gewonnen hat als das Beste. Ich verteilte meinen Berichtsentwurf, in den nur noch die Punkte einzusetzen und eine Empfehlung zu geben waren. „Wer ist der Adressat unseres Berichtes?“, fragte ich Magdalena Mittwoch beim Frühstück. „Ganz klar die EU, denn sie hat die Studie in Auftrag gegeben, Als ihr Vertreter habe ich aber nichts dagegen, wenn die Firma hier unter Vorbehalt eine Kopie bekommt, damit sie sich schon auf die Arbeiten einstellen kann.“ In der Besprechungsrunde hatten sich alle mit meinem Entwurf für die Empfehlung beschäftigt, wir mussten nur noch die letzten Bewertungsdaten eintragen. Bis zum Mittag waren wir damit fertig und Magdalena und ich unterschrieben das Dokument. Nachdem es kopiert war, rief Magdalena den Chef an und übergab ihm feierlich eine Kopie.

Dagmar

Das Festmenü begann mit Champagner und einer Rede des Chefs, in der er für die professionelle Arbeit dankte, die sein Unternehmen einen großen Schritt vorwärts bringen würde. Fabian antwortete, er habe perfekte Arbeitsbedingungen und gute Fachleute als Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, nur dadurch sei solch gutes Ergebnis erreicht worden. Dann wandte er sich an Magdalena: „Deine hervorragende Koordination unserer Arbeit hat wesentlich zu dem Erfolg beigetragen, dafür möchte ich dir ganz besonders danken.“ Sie wurde rot und ich musste lächeln. Wir tafelten ausgiebig und zum Abschied drückte der Chef Fabian die Hand, während Magdalena ihm einen innigen Abschiedskuss gab, den die ganze Gesellschaft beklatschte.

Donnerstag standen wir früh auf, frühstückten gemütlich ohne Magdalena und nahmen eine Taxe zum Flughafen. Der Flieger hob pünktlich ab, wir landeten um halb eins in Frankfurt und kamen problemlos durch die Kontrolle und zu unserem Gepäck.

Aus Kapitel 11 „Flüchtlinge"  

Dagmar

Freitag weckte mich um 6 Uhr ein Anruf aus Weimar. Ob ich sofort kommen könne, fragte mich der Koordinator des Netzwerks für Integration, sie sollten von den am Wochenende erwarteten 20.000 Flüchtlingen 1.000 in der Stadt unterbringen. Sie hätten zwar Räumlichkeiten, aber zu wenig Personal. Ich versprach zu kommen. Fabian war wach geworden und ich fragte ihn, ob er gleich mit mir nach Weimar fahren würde. „Ich muss Montag zur Radiologie und Dienstag zum Club, wir müssten also übermorgen wieder zurück fahren“, überlegte er, „das lohnt sich nicht.“ „Ich werde aber gebraucht“, insistierte ich. „Dann fahr‘ doch alleine“, schlug er vor. „Das ist das erste Mal, dass du mich im Stich lässt“, schimpfte ich verbittert, „diese Termine dürfen dir doch nicht wichtiger sein als ich!“

Wütend nahm ich mein Tablet, ich hatte auch meinen Stolz, fand einen Zug um 9:32, buchte ihn über die Kreditkarte und packte meine wenigen Sachen ein, während Fabian das Frühstück bereitete. Schweigend aßen wir, dann wollte ich eine Taxe rufen. „Jetzt spinnst du“, sagte Fabian leise, „natürlich fahre ich dich zum Bahnhof.“ Zum Abschied ließ ich mich nur auf die Wange küssen, doch er sagte sanft „Ich wünsche dir viel Erfolg.“ Im Zug hatte ich Zeit nachzudenken. Bisher war Fabian ein fürsorglicher Partner gewesen, der mir jeden Wunsch von den Augen ablas, warum wollte er mir jetzt plötzlich nicht helfen? Hatte ich mich in ihm getäuscht, als ich mich in ihn verliebte, ohne lange nachzudenken? Aber wir hatten doch 18 herrliche Wochen miteinander gehabt und er hat viel Geld für mich ausgegeben. Ich war so verbohrt in meinem Ärger, dass ich zu keiner Lösung kam. Im Zug aß ich eine Kleinigkeit und erreichte Weimar um 13 Uhr. Vom Bahnhof nahm ich eine Taxe zum Netzwerk, wo man mich gleich einteilte, alles für die ab morgen erwarteten 1.000 Flüchtlinge zu organisieren:

Fabian

Ich hatte gemerkt, dass ich Dagmar verärgerte, aber da war der Radiologie-Termin und ich wollte mich nicht schon wieder im Club vertreten lassen. Vielleicht hätte ich sie unterstützen können, doch ich kenne weder die Stadt noch die Leute, auf die es ankommt. Trotzdem tat es mir weh, sie enttäuscht zu haben, so lieb wie sie mir ist. Das muss ich wieder gut machen. Auf der Rückfahrt vom Bahnhof hörte ich im Radio, dass auch Mannheim weitere 1.100 Flüchtlinge aufnehmen muss, die ersten 500 würden noch heute erwartet. Samstag und Sonntag sollten jeweils 300 weitere folgen, die alle in einer ehemaligen Wohnsiedlung der US-Streitkräfte in Käfertal untergebracht werden sollen. Da könnte ich mich vielleicht nützlich machen, dachte ich und fuhr hin. Man teilte mich gleich ein, Feldbetten in den Räumen aufzustellen und Decken zu verteilen.

Dagmar

Samstag ging die Arbeit erst richtig los. Kurz nach 9 Uhr kam der erste Zug mit 500 Flüchtlingen aus München und die Leute wurden mit Bussen zum Berufsschulgebäude gebracht. Wir zeigten den Menschen ihre Betten und nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten verstaut hatten, wurden die meisten in die Schulaula zur vorbereiteten Mahlzeit geleitet. Einige, die sich zum Essen zu schmutzig fühlten, führte ich in kleinen Gruppen zum Schwimmbad, wo sie mit Seife und Handtüchern versorgt wurden. Als ich mit der zweiten Gruppe aus dem Bad kam, standen uns zehn Neonazis gegenüber, die pöbelten, das Schwimmbad sei für Weimarer und nicht für dreckige Kanaken gedacht. Ich versuchte, sie mit ein paar Worten zu beruhigen, doch plötzlich fühlte ich einen Schlag gegen die Stirn und fiel zu Boden.

Fabian

Gegen 11 Uhr wurde ich auf dem Handy aus Weimar angerufen, Dagmar sei schwer verletzt auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich verabschiedete mich und raste zum Bahnhof, wo ich gerade noch den Zug um 11:32 kriegte. Im Zug rief ich die auf dem Handy gespeicherte Nummer an und bat um nähere Information. Auf dem Weg zur Unterkunft mit einer Gruppe Flüchtlinge sei sie von Neonazis mit einem Stein beworfen worden, der eine schwere Kopfverletzung verursacht habe. Zurzeit werde sie operiert. Die Flüchtlinge hätten den Steinwerfer festgehalten, bis die Polizei kam. Das war jetzt eine neue Dimension, bisher hatten die Nazis sich mit Verbalattacken begnügt. Kurz nach drei erreichte ich Weimar und nahm eine Taxe zum Klinikum, wo ich mich zu Dagmar durchfragte. Ein spitzer Stein habe ein Loch in die Stirn geschlagen und ein Schädel-Hirn-Trauma bewirkt. Zusätzlich habe sie beim Sturz den rechten Oberschenkelhals gebrochen. In Operationen seien die Kopfwunde geschlossen und eine Schenkelkopfprothese eingesetzt worden, da ein derartiger Bruch in ihrem Alter nur schlecht heilt. Über den Zustand des Gehirns lasse sich nichts sagen, denn sie habe ihr Bewusstsein noch nicht wieder erlangt.

Ziemlich verschlafen wachte ich am Sonntag um 8 Uhr auf, frühstückte und fuhr zur Flüchtlingsunterkunft, wo gerade mehrere Busse mit 500 Flüchtlingen eintrafen. Ich käme gerade richtig, sagte der Koordinator, ich solle Dagmars Tätigkeit von gestern fortsetzen, den Menschen ihre Räume zeigen, und diejenigen, die sich waschen wollen, zum Schwimmbad begleiten. Das tat ich den ganzen Vormittag über. Nach dem Mittag wollte ich unbedingt wissen, wie es Dagmar geht, und fuhr zum Klinikum.

Dagmar

Nebel ist um mich herum, nur mühsam kriege ich die Augen auf. Ich liege in einem Bett, das ich nicht kenne, in einem Zimmer, das ich nicht kenne, träume ich? Warum kann ich den Kopf nicht drehen? Als ich ihn anfasse, fühle ich einen Verband auf der Stirn und eine halbe Glatze, dazu eine Schiene im Nacken, die das Bewegen verhindert. In der Nase habe ich ein Plastikstück, meine rechte Hüfte schmerzt, auch hier fühle ich einen dicken Verband. Wo bin ich und was ist mit mir geschehen? Nach einer Weile hörte ich eine weibliche Stimme: „Wie fühlen Sie sich?“ „Wo bin ich und wer sind Sie?“, frage ich zurück. „Sie sind im Klinikum und ich bin Ihre Ärztin“, höre ich die Frau sagen. „Warum bin ich hier, was ist mit mir passiert?“, frage ich weiter. Jetzt beugte sich ein weibliches Gesicht über mich, ich kann ihre blonden Haare erkennen. „Sie haben gestern einen Stein gegen den Kopf bekommen und beim Sturz den Oberschenkelhals gebrochen“, sagt sie. „Wir haben das Loch in ihrer Stirn verschlossen und in den Oberschenkel ein Hüftkopfimplantat eingesetzt. Bisher waren Sie bewusstlos und wir freuen uns, dass Sie jetzt aufgewacht sind. Können Sie sich an irgendetwas erinnern?“

Nein, das kann ich nicht, im Augenblick weiß ich noch nicht mal, wer ich bin. „Wissen Sie, wie Sie heißen?“, fragt die Frau weiter, worauf ich traurig erwidere: „Ich kann mich nicht erinnern, ich weiß weder, wer ich bin, noch was mir passiert ist.“ Dann spricht die Frau: „Sie sind die Weimarer Bürgerin Dr. Dagmar Petrenko, geboren am 15.07.1947 hier in Weimar, waren ihr ganzes Berufsleben lang in der Anna-Amalie-Bibliothek tätig, sind seit 8 Jahren pensioniert und wohnen in Mellingen Auf dem Anger 40.“ „Ich glaube nicht, dass ich mir das alles merken kann“, antworte ich langsam, „warum weiß ich es nicht? Es ist doch anscheinend mein Leben.“ „Wir lassen Sie jetzt eine Weile alleine“, höre ich die Ärztin sagen, „wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie.“ Ich denke über meine Lage nach, als es nach einer Weile klopft. Ich weiß dass ich „Herein“ sagen muss, kann aber nicht sehen, wer gekommen ist. Da höre ich eine bekannte Stimme: „Hallo, meine Liebe, ich freue mich, wie gut es dir geht“, dann beugt sich ein männliches Gesicht über mich, das mir bekannt vorkommt.

Fabian

Die Ärztin hatte mich auf Dagmars Gedächtnisverlust vorbereitet und als ich sie begrüßte, sah ich, wie es in ihr arbeitete. Nachdem sie mich eine Weile fragend angesehen hatte, lief ein Lächeln über ihr Gesicht, dann fragte sie: „Bist du Fabian, mein lieber Freund?“ „Ja“, rief ich erfreut, „du hast mich erkannt“, und küsste sie leicht. „Wo wir so viel miteinander erlebt haben, kann ich dich doch nicht vergessen“, antwortete sie und hielt meinen Kopf fest, so dass wir uns richtig küssen konnten. „Ich glaube, du führst mich in mein Leben zurück“, sagte sie langsam. „Ich sehe jetzt das Schlafzimmer in meinem Haus, in dem wir uns geliebt haben, du bist ein wunderbar zärtlicher Liebhaber.“ „Weißt du denn auch, warum wir hier in Weimar sind?“ fragte ich und sie antwortete: „Da war irgendwas mit Flüchtlingen.“ Wieder sah ich es in ihr arbeiten, bis sie rief:

„Ja, ich bin nach Weimar gefahren, weil sie mich bei der Flüchtlingsbetreuung brauchten. Du bist leider nicht mitgekommen und ich war dir böse. Dann sind wir mit Neonazis zusammengestoßen, denen ich etwas erklären wollte und plötzlich bekam ich einen Schlag gegen den Kopf. Seitdem weiß ich nichts mehr.“ „Das war ein spitzer Stein, der deinen Kopf beschädigt hat, und beim Sturz hast du den Schenkelhals gebrochen. Du bist sofort operiert worden, dein Kopf heilt und im Oberschenkel hast du ein Titanimplantat. Du musst wahrscheinlich schon morgen aufstehen und das Bein belasten, dazu bekommst du Physiotherapie.“

Dagmar

Ich bin froh, dass mein Geliebter bei mir ist und mir geholfen hat, meine Erinnerung wieder zu gewinnen. „Entschuldige bitte, dass ich dich gestern so gemein behandelt habe“, bat ich zerknirscht, doch er erwiderte, meine Aktion habe ihn animiert, auch etwas für die Flüchtlinge zu tun und erzählte von seiner Idee, Schüler der Oberstufe als Deutschlehrer einzusetzen.

Fabian

Als ich am nächsten Tag ins Klinikum kam, fand ich einen Wagen des MDR vor der Tür und ein Kamerateam vor Dagmars Zimmer. „Was haben Sie vor?“, fragte ich eine Frau, die mir die Reporterin des Teams zu sein schien. „Wir haben die Flüchtlingsunterkunft gefilmt und sowohl mit den Helfern als auch mit einigen Flüchtlingen gesprochen. Dabei haben wir von dem feigen Anschlag auf Frau Dr. Petrenko gehört und wollen sie unseren Zuschauern vorstellen, doch im Moment dürfen wir noch nicht rein, weil sie behandelt wird. Wer sind Sie denn?“ Ich stellte mich als Dagmars Lebensgefährte vor, was auf großes Interesse bei der Dame stieß, sie wollte alles über unsere Beziehung wissen. Ich hatte kein Problem, Einzelheiten zu berichten, worauf sie meinte, dass sei außerordentlich interessant. Ihr Sender stelle eine Serie über das Leben von Senioren zusammen, dazu gehöre auch der Sex im Alter. Ob ich bereit wäre, dabei mitzumachen. Ich antwortete, das komme darauf an, was meine Gefährtin davon halte.

Dagmar

Bald kam Schwester Elina und holte mich, ich solle mit den beiden Stöcken zur Physiotherapie gehen. Fabian beschied sie, es würde wohl den ganzen Nachmittag dauern, er müsse jetzt gehen und am besten morgen früh wiederkommen. Mit einem zarten Kuss verabschiedete er sich von mir, dann ging ich unter Aufsicht der Schwester los. Es klappte überraschend gut, selbst der Aufzug bereitete mir keine Schwierigkeit. Bei der Physiotherapie musste ich nach Anleitung der Therapeutin das Bein immer wieder vorsichtig in allen Richtungen bewegen, bis ich ziemlich erschöpft war und nicht mehr konnte. Als mich die Schwester abholte, wunderte ich mich, dass ich besser laufen konnte als vorher. Doch die Anstrengung hatte mich so ermüdet, dass ich gleich nach dem Abendessen einschlief.

Aus Kapitel 12 Fernsehen"  

Fabian

Mittwoch früh fuhr ich zur Klinik und kurz nachdem wir uns zärtlich begrüßt hatten, kam die Reporterin des MDR mit einem Redakteur. Sie zeigten uns das Video mit der Sendung ‚MDR aktuell‘ von vorgestern, in der sie über die Flüchtlingsunterkunft berichtet und Dagmar hier in der Klinik gefilmt hatten. Dagmar freute sich, die Unterkunft mit den Flüchtlingen zu sehen. Dann sagten sie, sie planten eine Serie über das Leben von Senioren, dabei sei auch ein Teil über Sex im Alter vorgesehen. Inzwischen habe es sich herum gesprochen, dass auch Menschen in unserem Alter noch ein erfülltes Sexualleben haben, ob wir das bestätigen könnten. „Aber natürlich!“, rief Dagmar, „wir sind doch normale Menschen mit natürlichen Bedürfnissen.“

Dagmar

„Genau das brauchen wir für unsere Sendung“, sagte der Redakteur, „wieviel sind Sie denn bereit, davon der Öffentlichkeit preiszugeben?“ „Na ja, wir müssen kein Lehrbuch der Sexualität zusammenstellen, das heißt, die detaillierte Beschreibung der benutzten Körperteile sollten wir aussparen. Aber darüber hinaus haben wir kein Problem, unsere erfüllte Erotik von Anfang an offen darzustellen“, erwiderte ich und schaute Fabian an, der zustimmend nickte.Wie bauen wir das Feature auf?“, fragte der Redakteur seine Kollegin. „Als Einleitung lassen wir einen Arzt sprechen, dass für ältere Menschen eine Paarbeziehung gesund ist und viele von ihnen genauso viel Sex haben wie jüngere. Dann würde ich die erste Begegnung im Senioren-Computerclub darstellen und den Kauf des Tablets. Als nächstes kommt der Unterricht im Haus in Mannheim mit dem ersten Kuss und eine Andeutung der zärtlichen Begegnung. Ich würde dann die Begrüßung am Bahnhof hier in Weimar zeigen und einen züchtigen Blick auf die beiden im hiesigen Schlafzimmer. Die weiteren Ereignisse sollten wir hier abfragen, und wenn wir nach Mannheim kommen, auch in Herrn Tiemanns Haus. Wir können die Gespräche hier und dort abwechselnd darstellen. Auf jeden Fall sind die Potenzprobleme wichtig und die Reaktion der Partnerin, denn das ist bei älteren Männern häufig.“

Fabian

„Ich bewundere Sie“, sagte die Reporterin, „so offen wie mit ihnen könnte ich mit meinen Eltern nicht über das Thema Sexualität sprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob es noch Sex zwischen ihnen gibt.“ „Dann ist Ihre Sendung ja gerade richtig für Ihre Eltern“, lachte ich, „meine verstorbene Frau und ich hatten nie ein Problem, mit unseren Kindern darüber zu sprechen, sie hat unserer fünfzehnjährigen Tochter sogar angeboten, die Pille zu besorgen, wenn sie sie braucht, und sie ist mit 17 darauf zurückgekommen. Ein paar Wochen später hat sie stolz verkündet, sie sei jetzt eine Frau, und wir haben ihr dazu gratuliert und einen Schmuck geschenkt. Wie ich Dagmars Tochter in Amerika erlebt habe, denke ich, dass es in ihrer Familie ähnlich war.“ „Ich danke Ihnen für das Gespräch, leider sind viele Menschen nicht so offen wie Sie beide“, meinte die Reporterin, und ihr Kollege fügte hinzu: „Ich freue mich darauf, diese Sendung mit ihnen zu machen.“

Montag spülten wir gerade das Geschirr, als der Übertragungswagen des MDR vor der Tür stand. Der Redakteur, die Reporterin, eine Kamerafrau, ein Beleuchter und ein Mikrofonmann drängten ins Haus, wir baten alle ins Wohnzimmer. „Hier in Weimar haben wir drei Szenarien“, begann die Reporterin, „die harmonische Szene mit Ihnen beiden im Bett, umfangreiche Interviews in verschiedenen Räumen des Hauses und die Begrüßung am Bahnhof. Gönnen Sie uns einen kurzen Rundgang, damit wir entscheiden könne, wo wir drehen? „OK, kommen Sie“, rief Dagmar und führte die ganze Gesellschaft durchs Haus.

„Jetzt weiß ich Bescheid“, sagte die Reporterin, „am liebsten würde ich als Erstes die kurze Schlafzimmerszene drehen. Ich stelle mir vor, dass Sie beide zugedeckt im Bett liegen und sich umarmen. Sie sollten möglichst einen unbekleideten Rücken zeigen, während von ihrer Frau nur das Gesicht zu sehen sein wird, an das sie Ihre Wange drücken. Einverstanden?“ Da Dagmar nickte, zogen wir alle ins Schlafzimmer, wir beide zogen die Schuhe aus und ich machte den Ober-körper frei, dann krochen wir unter die Bettdecke.

Dagmar

Obwohl ich voll bekleidet war, fühlte ich mich irgendwie blöd, zwar unter der Bettdecke, aber vor der Kamera im hellen Scheinwerferlicht mit Fabian zu schmusen. Doch er beugte sich ungeniert über mich und schmiegte seine Wange an meine, dann ließ er es nicht beim Aneinanderschmiegen der Wangen, sondern strich mir zärtlich über die Haare, bis die Reporterin „Stopp!“, rief. „Das war gut“, lobte sie uns und wir durften aufstehen und uns wieder anziehen, bei mir waren es ja nur die Schuhe. „Jetzt sollten wir im Wohnzimmer das Interview aufnehmen“, befahl sie und wir gingen nach unten. Wir mussten uns nebeneinander setzen und sie sagte, das langsame Näherkommen sei ja in Mannheim geschehen und würde dort gedreht, deshalb gehe sie hier schon von einer herzlichen Bekanntschaft aus. Da wir aber berichtet hatten, dass wir erst hier vollkommen zueinander gefunden hätten, würde sie jetzt damit beginnen, ob wir gleich ins Bett gegangen wären. „Na hören Sie mal, wir sind doch keine Tiere“, antwortete ich, „natürlich sehnten wir uns beide danach, aber da wir uns in Mannheim nur vorsichtig kennen gelernt und dann zwei Tagen nicht gesehen hatten, mussten wir hier die Nähe behutsam wieder aufbauen.“ „Dazu möchte ich anmerken, dass ich mit meiner verstorbenen Frau ein ganzes Jahr gebraucht habe, bis wir miteinander schliefen“, fügte Fabian hinzu. „Diese innige körperliche Nähe, dies tiefe Erkennen des geliebten Menschen, wie es die Bibel nennt, muss sehr behutsam aufgebaut werden, denn danach ist zwischen den beiden nichts mehr, wie es vorher war.“

„Haben Sie sich schon mal gestritten?“, wollte die Reporterin wissen. „Ja“, antwortete ich, „und zwar ziemlich heftig vor anderthalb Wochen.“ Dann erläuterte ich als Grund meinen Ruf nach Weimar und Fabians Weigerung, mich zu begleiten. Fabian ergänzte meine Worte, dass er keinen Grund gesehen habe, nach Weimar zu fahren, aber meinen dortigen Einsatz als Aufforderung angesehen hatte, in Mannheim dasselbe zu tun. Dann fuhr ich mit meiner biestigen Haltung bei seinem Anruf fort. „Ich war völlig vernagelt“, gestand ich, „dabei konnte ich hier gut ohne ihn aktiv sein.“ „Das bringt mich zu Ihrem Einsatz bei den Flüchtlingen“, meinte die Reporterin, „das gehört zwar nicht zu unserem Thema, sagt aber etwas über ihre Hilfe für die Flüchtlinge aus.“ So berichteten wir beide über unsere Aktivitäten, ich über die Vorbereitung auf die Ankunft der Menschen und Fabian über seine Bemühungen um einen Deutschunterricht.

Fabian

In Mannheim fuhr ich zum radiologischen Institut im Universitätsklinikum. In einem ausführlichen Gespräch wollte der leitende Arzt alles Mögliche über meine Lebensumstände, meine Ernährung und meine sportliche Tätigkeit wissen, schließlich meinte er, Prostatakrebs sei in diesem Alter nicht ungewöhnlich und er sehe gute Aussichten, ihn durch Bestrahlung vollständig zu beseitigen. Um die genaue Lage der Prostata festzustellen, kam ich noch einmal in den CT, anschließend malte man mir Linien auf den Bauch, die ich möglichst nicht abwaschen sollte.

Dagmar

Kurz nach Fabian trafen die fünf Leute ein und machten ihre Geräte fertig, dann filmten sie, wie er die Reine mit dem Lachs und den angedünsteten Zwiebeln füllte, mit Weißwein aufgoss und in den Grill stellte. Während des Essens filmten sie uns beide, dabei mussten wir mit dem Wein anstoßen. Nach dem Essen musste ich mein Tablet in Betrieb nehmen, in den WLAN einbringen und ein E-Mail-Konto eröffnen. „Jetzt springen wir einen Tag weiter“, sagte er zu den Fernsehleuten und ließ mich das Free Office herunterladen, installieren und den Brief schreiben, den die Fernsehleute aufnahmen. Darauf folgten unsere vorsichtigen Streicheleinheiten bis zum ersten leichten Kuss, dem sehr bald die innigen folgten, wobei er in meinen Ausschnitt griff. „Haben Sie vor dieser Begegnung schon in einer Gemeinschaft gelebt?“, fragte die Reporterin, und als wir von unseren nach langer glücklicher Ehe verstorbenen Partnern berichteten, fuhr sie fort: „Konnten Sie denn problemlos nach so langer glücklicher Gemeinschaft eine neue Verbindung eingehen?“, worauf ich antwortete: „Schon die Bibel sagt: ‚Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei‘“, und Fabian Angelicas Worte vor ihrem Tod hinzufügte: ‚Mach‘ dir noch ein schönes Leben, wenn ich nicht mehr bin.‘“

„Für den letzten Tag haben wir ein Problem“, meinte Fabian dann. „Wir haben auf dem Sofa unsere Oberkörper entblößt, wobei ich Dagmars Schönheit mit einem Bibelzitat bewunderte. Sie werden verstehen, dass wir uns hier nicht halbnackt zeigen wollen, aber ich möchte das Zitat gerne bringen. Wie machen wir das?“ Die Reporterin dachte nach, dann wusste sie die Lösung: Fabians Bitte, meine Brüste anzusehen, wurde gefilmt, dann schwenkte die Kamera auf das große farbige Bild über dem Sofa. Fabian sprach sein Bibelzitat, danach wanderte die Kamera wieder zu uns, wie wir uns umarmten. „Das war hervorragend“, lobte die Reporterin.

Fabian

Zu Hause fiel mir ein, dass ich mit meinem Sohn Torsten über mein Prostataproblem sprechen sollte. Er hatte es damals nicht gutgeheißen, dass Angelica die künstliche Ernährung einstellen ließ, und mir meine Zustimmung übelgenommen. Doch jetzt meinte ich, als Arzt würde ihn meine Krankheit interessieren. Als ich ihn am Apparat hatte, fragte er gleich, wie es meiner Freundin gehe. Erstaunt fragte ich zurück, woher er das wisse und er antwortete lachend, er spreche gelegentlich mit seiner Schwester. So berichtete ich in kurzen Zügen über unser Kennenlernen und Zusammenleben, die erfolgreiche Operation ihres Herzens in Seattle und ihren Unfall jetzt in Weimar. „Das scheint dir ja ziemlich ernst zu sein“, sagte er langsam und ich bestätigte, dass wir uns zu einer Lebensgemeinschaft verbunden haben. Dann konnte ich endlich über meine Prostata berichten und dass ich jetzt vier Wochen bestrahlt werden soll. Das sei nach heutigem Wissen wohl das Richtige, meinte er, doch er würde gerne meine Untersuchungsergebnisse sehen, ob wir uns demnächst treffen könnten.

Dagmar

Pünktlich um 8:30 waren wir Dienstag im Club, das Fernsehteam stand schon vor der Tür. Als sie ihre Geräte aufgebaut hatten, kamen schon die ersten Mitglieder und Fabian informierte sie über die Fernsehaufnahme. Um 9 Uhr sprach er ein paar Worte über die Idee des Senioren-Computerclubs, Menschen über 50 mit der neuen Technik vertraut zu machen, dann begrüßte er mich und wies mir einen Platz zu. Schließlich filmte das Team einige Arbeitsplätze. Am Ende der Sitzung sagte ich, dass ich mir auch einen Computer zulegen wolle und Fabian schlug vor, mit mir zum Elektronikmarkt zu fahren.

Zuletzt bauten die Fernsehleute ihre Geräte ab und verabschiedeten sich dankend. Sie wiesen darauf hin, dass dieser Abschnitt Teil einer Sendefolge mit dem Thema „Leben im Alter“ ist, die aus vier Abschnitten bestehen werde:

- Wohnen im Alter,

- Gesundheit im Alter,

- Liebe im Alter,

- Reisen im Alter.

Aus Kapitel 13 Medikation"

Fabian

Am Morgen bereiteten wir den Besuch aus Düsseldorf vor. Trotz des nieseligen Dauerregens war die Familie schon kurz nach zwölf bei uns, sie begrüßten mich stürmisch und ich stellte Dagmar und sie einander vor. Torsten ist größer als ich mit angegrauten Haaren und einem leichten Bauchansatz, meine Schwiegertochter Farah war schon immer eine Schönheit mit langen dunklen Haaren, heute schick gekleidet in einem hellen Hosenanzug. Justus ist inzwischen fast ebenso groß wie sein Vater. „Ich habe Hunger“, erklärte er und bekam einen Verweis von seiner Mutter. „Du hast ja recht“, meinte ich lächelnd, „kommt nur mit, das Menü wartet schon. Auspacken könnt ihr später.“ Vor dem Essen bot Dagmar der Familie bei einem Glas Sekt das „Du“ an, dann genossen wir das italienische Essen und dazu spritzigen sizilianischen Weißwein.

Im Haus wollten Torsten und Farah alles über uns wissen und wir berichteten freimütig, wie wir uns über die Computerei kennen gelernt und verliebt haben, dann kam Dagmars Krankheit zur Sprache und die Behandlungsmöglichkeit in Seattle. Hier wollten die beiden jede Einzelheit wissen. Ich zeigte ihnen die Webseite der Klinik und Dagmar berichtete ausführlich über die Operation. Dann erzählten wir von unserer vierwöchigen Reise entlang der Ostküste und dem Entschluss, ständig zusammen zu leben, abwechselnd hier und in Weimar. Ich verschwieg nicht meine Impotenz durch die Hormontherapie. Damit waren wir bei meiner Prostata und ich zeigte meinem Sohn auf dem Notebook die Aufnahmen von der CD. „So wie das aussieht, ist die punktuelle Bestrahlung wirklich die beste Therapie“, sagte er. Als Dagmar etwas im Haus erledigte, fragte Torsten: „Du scheinst ja mit deiner Dagmar ganz glücklich zu sein“, und ich antwortete spontan: „Nicht nur ganz, sondern sehr glücklich. Ich habe nie gedacht, dass ich nach Muttis Tod noch einmal eine Frau lieben kann, aber inzwischen liebe ich Dagmar genauso sehr wie sie.“ „Hast du ihr das mal gesagt?“, fragte meine schöne Schwiegertochter. „Ja, natürlich, das muss sie doch wissen!“ rief ich. „Wie ist es denn mit der Erotik?“ forschte mein Sohn mich aus und bekam einen Verweis von seiner Frau. Doch ich hatte kein Problem, über unser wundervolles Liebesleben zu berichten, das jetzt leider durch die Hormontherapie ziemlich reduziert wird. „Keine Angst, das kommt wieder“, tröstete Torsten mich, „und ich gratuliere euch. Nicht alle Menschen in eurem Alter haben noch ein erfülltes Sexualleben.“

Dagmar

Ich hatte den letzten Teil des Gesprächs mitgehört und freute mich über Fabians Aussage. Mit den Worten: „Wir sind sogar für das Fernsehen interessant“, brachte ich das Gespräch auf die Aufnahmen des MDR. „Wollt ihr wirklich eure erotischen Geheimnisse publik machen?“, zweifelte Farah, worauf Fabian lachend erwiderte: „Wir machen ja keinen Sexualkundeunterricht, aber wir sagen ganz klar, dass wir viel Freude miteinander haben. Ich denke, das ist für Gleichaltrige wichtig, die Sehnsucht danach haben, sich aber nicht trauen, weil man ‚sowas im Alter nicht mehr tut‘, aber auch zur Aufklärung jüngerer Generationen.“

Zur Abendbrotzeit half Farah mir, den Tisch zu decken. Als wir in der Küche alleine waren, sagte sie: „Du musst eine ganz besondere Persönlichkeit sein. Nach Angelicas Tod hat sich mein Schwiegervater vollkommen in sich selbst vergraben, war sogar für uns nicht ansprechbar. Jetzt ist er so offen und lebensfroh, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Wie hast du das gemacht?“ Ich wusste keine schlüssige Antwort, konnte nur sagen, dass ich ihn über alles liebe, doch dann erzählte ich ihr, dass ich mich acht Jahre nach Martins Tod wieder mit jemandem eingelassen hatte und nach dieser Pleite keinen Mann mehr sehen wollte. „Erst Fabian ist es gelungen, diese Sperre zu überwinden“, sagte ich nachdenklich. „Ich glaube, wir beide hatten eine unbestimmte Sehnsucht nach Liebe in uns, die unsere Panzer schlagartig aufgebrochen hat, als wir uns begegneten.“ Da drückte sie mir einen Kuss auf die Wange.

Fabian

Dagmar ging am Montag zur Bibliothek und ich fuhr zum radiologischen Institut im Universitätsklinikum. Ich musste mich frei machen und auf eine Liege legen. Dann verschwand die Schwester und ich merkte, dass sich eine Apparatur um mich herum drehte. Nach einer Stunde war ich erlöst und fuhr nach Hause. Die Bestrahlung hatte mich mächtig erschöpft und ich legte mich gleich hin, um zwei Stunden zu schlafen. Das Mittagessen zu bereiten, fühlte ich mich nicht fähig und führte Dagmar zum Italiener. Ich verzichtete auf den Wein, was ungewöhnlich für mich war. Nachmittags las ich die Zeit und ging nach dem Abendbrot bald schlafen.

Zwei Wochen später schlug Dagmar vor, nächsten Sonntag eine Flüchtlingsfamilie mit Kindern zum Essen und Nachmittagskaffee einzuladen. Bei der Unterkunft nannte uns der Koordinator die Familie al Rahman mit einem achtjährigen Mädchen und einem sechsjährigen Jungen und wir vereinbarten mit ihnen, sie Sonntagvormittag abzuholen. Beide sprachen gut Englisch, die Frau trug ein leichtes Kopftuch.

Dagmar

Heute Nachmittag hatte der MDR unser Thema „Liebe im Alter“ im Programm und wir waren gespannt. Wieder leitete ein Arzt die Sendung ein: Sexualität sei neben Essen, Trinken und Schlafen die wichtigste und schönste Funktion des menschlichen Körpers. Aus medizinischer Sicht sei Sexualität im Alter schon lange als lebensverlängernd erkannt worden. Dabei würden Immunglobuline produziert, wodurch die Immunabwehr verbessert wird. Der Orgasmus steigere die Durchblutung des ganzen Körpers, jeder Sex entspreche einem Lauf von einem Kilometer. Da jede Frau für die Begegnung das Gefühl brauche, begehrt zu werden, müsse der Mann ihr das zeigen, wenn er sie noch liebe. Leider träten im Alter Probleme auf, weil die Sexualität von der Natur zur Arterhaltung in der Jugend geschaffen worden sei. Ein Problem bei Männern sei die Impotenz, die nur in den Anfangsstadien durch blaue Pillen behoben werden könne. Äußerst wichtig sei zwischen den Partnern eine vertrauensvolle, tabufreie Kommunikation, dann könnten sie gemeinsam Wege zu einer befriedigenden Sexualität finden. Auch nach dem Ende einer langen liebevollen Gemeinschaft könnten ältere Menschen sich neu verlieben und zu einer erfüllten Sexualität finden, das dauere allerdings etwas länger als in der Jugend.

Fabian

Der Film zeigte zuerst den Senioren-Computerclub, wo ich über die Idee sprach, Menschen über 50 mit der neuen Technik vertraut zu machen. Die Reporterin warf ein, Beschäftigung mit Computern sei auch ein gutes Mittel, die geistige Beweglichkeit aufrecht zu erhalten die in der vorigen Sendung genannt worden sei. Ich begrüßte Dagmar und wies ihr einen Platz zu, einige Arbeitsplätze wurden in Aktion. gezeigt. Am Ende der Sitzung sagte Dagmar, dass sie sich auch einen Computer zulegen wolle und ich führte sie in den Elektronikmarkt. Bei mir zu Hause ließ ich Dagmar das Free Office herunterladen, installieren und den Brief schreiben, den der Film zeigte. Darauf folgten unsere Streicheleinheiten bis zum innigen Kuss und meinem Eingriff in ihren Ausschnitt. Der Film schwenkte auf das Bild, worauf ich mein Bibelzitat über ihre Schönheit sagte und das Bild wieder zu uns wanderte. Als Nächstes zeigte der Film unser Treffen auf dem Weimarer Bahnhof und den Weg zu Dagmars Haus. Ob wir gleich ins Bett gegangen seien, fragte die Reporterin und der Film brachte Dagmars Antwort, wir seien keine Tiere und meine Worte über das behutsame Erkennen, danach die Szene unter der Bettdecke. „Ein weiterer Punkt erscheint mir noch wichtig.“, nahm ich wieder das Wort und berichtete über meine zeitweilige Impotenz und Dagmars liebevolle Antwort darauf. Auf die Frage, ob wir uns schon mal gestritten haben, erläuterte Dagmar ihren Ruf nach Weimar, meine Weigerung, sie zu begleiten und ihren Ärger. Damit war der Film zu Ende. „Wir waren wirklich nicht schlecht“, lachte ich und küsste meine Geliebte herzlich, sie stimmte gerne zu.

Dagmar

Nach unserem langen Beitrag wurde ein weiteres Paar interviewt, das vor kurzem die goldene Hochzeit gefeiert hatte, er war achtzig und sie siebenundsiebzig Jahre alt. Glücklich berichteten die beiden, sich im Bett immer noch prächtig zu verstehen. Allerdings klappe es nicht mehr so gut wie vor zehn Jahren, gestanden sie, aber die innige körperliche Berührung genossen sie weiterhin fast jeden Tag und oft könnten sie sich auch noch mit den Fingern oder der Zunge die Erfüllung geben. Wichtig sei gewesen, dass sie diese Probleme offen besprochen hätten. Sie habe eine indiskrete Frage, die die beiden aber nicht beantworten müssten, meinte die Reporterin: „Sind Sie einander immer treu gewesen?“ Freimütig antwortete die alte Dame, das gebe es wohl in keiner langen Gemeinschaft. Sie hätten beide von anderen Früchten genascht, aber festgestellt, dass es, obwohl es erregend war, nicht die lange glückliche Gemeinschaft ersetzen konnte. Wichtig sei doch, dass die Liebe nicht darunter leide und dass man ehrlich zueinander sei. Dann könne man auch Ausrutscher verzeihen.

Aus Kapitel 14 Syrer"

Fabian

Sonntagvormittag holten wir die Familie al Rahman aus der Flüchtlingsunterkunft ab. Der Vater stellte sich als Mehmet vor, er war Mitte 40, die Mutter Alina war ca. zehn Jahre jünger und sah mit ihren langen schwarzen Haaren meiner Schwiegertochter ähnlich. Sie trug ein schlichtes, aber nicht billig aussehendes Kleid und einfachen Modeschmuck. Im Haus nahm sie das Kopftuch ab. „Ich hasse dieses Tuch“, rief sie, „aber in der Flüchtlingsunterkunft muss ich es tragen, um nicht als ungläubig zu gelten.“ Sie schenkten uns einen kleinen Blumenstrauß und wir hatten für die Kinder Spielsachen besorgt. Während die Kinder sich die Geschenke vornahmen, sahen die Eltern interessiert unser Haus an. „Solch schönes Haus hatten wir früher auch in Aleppo“, sagte Mehmet traurig. „Ich bin Informatiker und hatte einen Betrieb für Computerdienstleistungen und zusätzlich einen Lehrauftrag an der der Universität. Vor dem Aufstand gegen Assad ging es uns blendend. Leider war der Aufstand in dieser Gegend besonders stark und Assad ließ das Gebiet gnadenlos bombardieren. Obwohl wir nichts gegen ihn hatten, wurde unser Haus zu einem Trümmerhaufen, wir kamen nur knapp mit dem Leben davon. Zunächst kamen wir bei den Eltern meiner Frau unter, wo ich meinen Betrieb weiterführte. Doch als die islamischen Terroristen immer näher kamen, gaben wir die Hoffnung auf, dort noch leben zu können und flohen in die Türkei. Aber ich will nicht jammern. Im Gegensatz zu vielen andern Flüchtlingen geht es uns jetzt nach dem langen und gefährlichen Weg durch die Türkei, Griechenland und den Balkan ganz gut.“ „Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich jetzt erst mal ums Essen kümmern“, unterbrach ich die Erzählung. „Ich möchte etwas Syrisches zubereiten und habe an Maqclube mit Lamm, gedacht, wofür ich nach dem Kochbuch alles besorgt habe.“ „Das ist sehr nett“, nahm Frau Alina das Wort, „aber Kochen ist bei uns Frauensache. Wenn Sie mich in Ihrer Küche einweisen, würde ich gerne das Essen für uns alle bereiten.“ Sie schaute die Einkäufe kritisch an und war zufrieden.

Dagmar

 „Ich habe eine Frage zu unserer Stellung in Ihrem Land“, meldete Frau Alina sich nach dem Essen. „Wir sind ja Gäste in Ihrem Land, würden aber gerne vollwertige Bürger werden. Welche Voraussetzungen erwarten Sie von uns dafür?“ Ich antwortete: „Es gibt wenige Bedingungen, deren Einhaltung wir aber für unbedingt wichtig halten, sie stehen schon unveränderbar in unserer Verfassung, vor allem sind es:

-     das bedingungsloses Anerkennen aller Gesetze,

-     die unbedingte Achtung vor Frauen und ihrer Gleichberechtigung,

-     der Wille, sich durch Arbeit selbst zu ernähren.

Wir wissen beide, dass der letzte Punkt im Augenblick für Sie noch nicht möglich ist, aber die beiden ersten sind Grundlagen unseres Lebens als Staatsbürger und wir sehen sie als Ausschlusskriterien an. Solange diese Bedingungen erfüllt werden, ist es für uns selbstverständlich, Ihre religiösen Gewohnheiten zu achten. Wer nicht bereit ist, die Bedingungen einzuhalten, kann in unserer Gesellschaft kein Bleiberecht haben.“ „Das klingt hart, aber verständlich“, erwiderte Frau Alina schnell, „letztlich sind das auch in unserem Land die Regeln eines friedlichen Zusammenlebens, wobei leider viele Männer die Frauen noch als minderwertige Geschöpfe ansehen. Aber vielen Dank für die klaren Aussagen, wir wollen uns auf jeden Fall daran halten.“

Danach überlegte ich, wenn sie außer dem Deutschkurs nichts zu tun haben, können wir sie doch bei uns arbeiten lassen. Ich schaute Fabian an und sah erfreut, dass er dasselbe dachte. „Wenn Sie wollen, können Sie zu uns kommen und mit unseren Geräten arbeiten“, schlug er vor. Ich hatte den Eindruck, dass Mehmet ihm um den Hals fallen wollte, für einen Moment lief ein Strahlen über sein Gesicht, doch dann antwortete er traurig, diesen Service könnten sie nicht annehmen, weil sie damit tief in unserer Schuld stehen würden. Doch Fabian hatte die Idee, ihn um einen Dienst zu bitten. „Wissen Sie etwas über das neue Windows 10?“, fragte er und Herr Mehmet antwortete, er habe lediglich gehört, dass es das gebe. Da bat Fabian ihn, uns bei der Umstellung unserer Rechner darauf zu helfen. Der Upgrade von Windows 8.1 werde zwar von Microsoft kostenfrei angeboten, aber wir hätten keine Erfahrung damit. „Wenn Sie das mit uns zusammen machen, wäre es eine große Hilfe, denn vier Augen sehen mehr als zwei.“ Der Mann stimmte zu und fragte, wann er kommen solle. „Dienstag habe ich bis 10 Uhr in der Stadt zu tun“, meinte Fabian, „meine Frau holt Sie um diese Zeit ab und wir fangen an, dann essen wir zusammen Mittag und sind vor dem Abend fertig. Ihre Gattin und die Kinder können Sie gerne mitbringen.“ Das würden sie bestimmt wahrnehmen, sagte er.

Fabian

Während wir am Dienstag das Windows 10 installierten, bat Frau Alina unvermittelt um Entschuldigung, aber sie würde gerne wissen, in welchem Verhältnis wir zueinander ständen. „Ich glaube, Sie sind nicht verheiratet, leben aber zusammen. Gegenüber der Freiheit, die wir beim Alkohol genannt haben, ist das in unserem Land kaum möglich, weil die Frau dann nichts gilt.“ Dagmar antwortete: „In Deutschland sieht man das sehr liberal, sogar unser Bundespräsident kann hier und international seine Termine mit einer Lebensgefährtin wahrnehmen, während seine Ehefrau in seiner alten Heimat ohne ihn lebt. Und wir hatten beide lange glückliche Ehen uns, die mit dem Tode des Partners endeten, und stellten dann erfreut fest, dass man sich in unserem Alter noch mit allen Facetten neu verlieben kann, also Seele, Geist und auch der Körper. Über eine Hochzeit haben wir schon mit Fabians Sohn nachgedacht. Aber wir hatten so viel um die Ohren, dass wir gar nicht dazu gekommen sind.

Am nächsten Morgen fuhren wir gemeinsam zu meiner letzten Bestrahlung und heute dauerte es im Klinikum länger, denn ich wurde abschließend untersucht. Beim Abschlussgespräch ließ Dagmar es sich nicht nehmen, dabei zu sein. Der Knoten in der Prostata sei vollkommen verschwunden, beglückwünschte mich der Arzt, ich müsse mich aber vierteljährlich vom Urologen untersuchen lassen. Ich fragte, ob ich noch weiter die Hormonpillen nehme müsse. Verständnisvoll grinsend verneinte er die Frage mit den Worten, ein wenig Testosteron könne mir jetzt ganz gut tun.

Dagmar

Heute am Sonntag hatten wir nichts Besonderes vor, wie immer kuschelten wir vor dem Aufstehen im Bett und streichelten uns zärtlich am ganzen Körper. Plötzlich fühlte ich etwas Hartes an meinem Bauch und sagte erstaunt: „Na, hallo.“ Fabian hatte noch gar nichts bemerkt und rief nun auch: „Na, sowas!“, da waren wir schon zusammen. Nach langem schönen Spiel flüsterte mein Geliebter: „Es war so genauso schön, wie früher, das muss gefeiert werden.“ Er stand auf und holte eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern. Dass er beim Einschenken zu großzügig war und ein Teil aufs Bett floss, störte uns nicht im Geringsten, wir hatten unsere ganz besondere Liebe wieder gefunden. Nachdem wir die Flasche leer getrunken hatten, meinte mein Geliebter lachend: „Lass‘ es uns gleich noch mal versuchen“, und es klappte wirklich wieder. Wir hatten die Zeit seit Fabians Hormontherapie ja mit viel Zärtlichkeit einigermaßen überbrückt, aber jetzt waren wir so glücklich, dass wir erst zum Mittag aufstanden und beim Italiener essen gingen.

Zu Hause sprach ich Frau Alinas Frage an, warum wir nicht heiraten: „Wir sollten irgendwann mal über die Ehe nachdenken. Alina hat uns deutlich dazu geraten und deine Schwiegertochter hat dasselbe gesagt. Jetzt haben wir Ruhe, da können wir vielleicht die Gründe sortieren, die dafür und dagegen sprechen.“ Mein Geliebter dachte lange nach, ich sah deutlich, wie es in seinem Kopf arbeitete. Schließlich antwortete er: „Nach Angelicas Tod hatte ich mir vorgenommen, nie wieder zu heiraten, denn ich konnte mir nicht vorstellen, noch einmal solch eine liebevolle Gemeinschaft zu finden, ich hielt sie für ein einmaliges Wunder. Doch du wirst dich erinnern, dass ich dir nach einer Weile gesagt habe, ‚Ich liebe dich genauso, wie ich Angelica geliebt habe.‘ Da hat sich der Vorsatz, nie wieder zu heiraten, in Rauch aufgelöst und wir müssen kein Für und Wider mehr prüfen. Wir kennen uns ja schon fast ein halbes Jahr. Also frage ich dich jetzt ernsthaft: ‚Willst du meine Frau werden?‘“ Bei diesen Worten fiel er vor mir auf die Knie. Ich musste herzlich lachen zog ihn zu mir hoch, umarmte und küsste ihn, dann rief ich laut: „Ja, das will ich!“

Fabian

„Na, dann ist ja alles klar“, freute ich mich, „da müssen wir nur noch einen Termin wählen, an dem unsere Verwandtschaft kann, wir sollten gleich damit anfangen. Am besten ist es wohl In der Weihnachtszeit, das sind noch sechs Wochen.“ Nach einem Blick auf den Kalender fuhr ich fort: „In der Weihnachts- und Silvesterwoche kämen jeweils Montag bis Mittwoch in Frage. Rufst du deine Tochter an, da ist es jetzt morgens, indes spreche ich mit Torsten. Vor allem brauchen wir einen Termin beim Standesamt, und wenn wir kirchlich heiraten wollen, auch beim Pastor. Dafür müssen wir entscheiden, ob wir uns hier oder in Weimar oder ganz woanders das Jawort geben wollen. „Puh“, rief meine Braut, „wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den Vorschlag nicht gemacht!“ „Zu spät!“, lachte ich, „Alea jacta sunt, lass‘ uns telefonieren.“ Jetzt war noch die Frage offen, wo wir heiraten wollten. Weil ich Weimar dafür viel schöner fand als Mannheim, schlug ich es Dagmar vor und sie nahm es dankbar an. „Ich hätte gern auch eine kirchliche Trauung“, meinte sie. „Dann müssen wir morgen die Termine telefonisch festlegen“, erwiderte ich, „aber sicherlich müssen wir uns auch persönlich vorstellen.

Dagmar

Mittwoch holte Fabian die Ringe ab und hatte Zeit, für uns einen Coq au vin zu kochen, den ich wieder sehr genoss. Am späten Nachmittag kam Margitta und wollte von Fabian endlich den Grund für die Einladung wissen, doch er hielt dicht, bis ich aus der Bibliothek kam. Er erhob sich, öffnete eine Flasche Champagner und sagte feierlich zu mir: „Meine liebe Dagmar, hiermit erkläre ich feierlich vor einer Zeugin, dass ich dich zu meiner Frau nehmen will“, dann steckte er mir den Ring an den linken Ringfinger. Ich tat dasselbe mit dem anderen Ring bei ihm und wir küssten uns herzlich, bis Margitta uns auseinander zog, um uns zu gratulieren. Sie küsste erst mich und dann auch Fabian leicht auf den Mund. „Wo du mein Schwager wirst, darf ich das“, lachte sie und ich nahm es ihr nicht übel. Beim festlichen Abendessen berichteten wir, wie wir uns auf den Rat sowohl von Fabians Familie als auch unserer syrischen Freunde zur Heirat entschlossen und den Termin auf die Vorweihnachtswoche festgelegt hatten. Dazu luden wir meine Schwester nach Weimar ein. Noch lange saßen wir beieinander und ich dankte Margitta herzlich, dass sie mich damals zum Computerclub mitgenommen und damit den Grundstein für unsere Liebe gelegt hatte. Bevor wir schlafen gingen, packten wir unsere Sachen für die morgige Reise nach Weimar.

                                                                                              

                                                                                    Seitenanfang          Literaturverzeichnis