Ernst-Günther
Tietze: "Liebe im Herbst", Leseproben
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Ernst-Günther
Tietze
Aus Kapitel 1 „Computerclub“
Literaturverzeichnis
Dagmar
„Was
soll das, du weißt doch, dass ich mit dieser Technik nichts am Hut habe!“,
sagte ich verärgert zu meiner Schwester, als sie beim Essen fragte, ob ich sie
morgen zum Senioren-Computerclub in Mannheim begleiten wolle. „Schließlich
habe ich mich pensionieren lassen, als die Bibliothek nach dem Brand darauf
umgestellt wurde, weil ich in meinem Alter dies Zeug nicht mehr lernen wollte.
Auch Martin mochte davon nichts wissen, als er noch klar war.“ Ich hatte
Margitta zur Feier meines 68. Geburtstag in ein historisches Restaurant zu einem
Festmenü mit rosa gebratener Entenbrust und einem kräftigen Coteaux du
Languedoc eingeladen.
Fabian
Ich
bin hin und her gerissen! Da bringt die Margitta Berger einfach ihre Schwester
mit in den Computerclub und setzt sie an einen freien Platz, obwohl das nicht
zulässig ist. Sie wolle ihr doch nur zeigen, was hier möglich ist, meint sie,
denn in Weimar gebe es sowas nicht. Die Dame gefällt mir, sie macht einen
aufgeweckten Eindruck, trotzdem darf sie hier nicht aktiv werden. Deshalb
fordere ich sie höflich auf, sich neben ihre Schwester zu setzen und
zuzuschauen. Ärgerlich sagt Margitta „So habe ich mir das nicht vorgestellt,
komm wir gehen“, und die beiden rauschen davon.
Dagmar
Wir
saßen am Kaffeetisch, als es klingelte und Margitta mit dem Betreuer ins Zimmer
kam. Jetzt konnte ich ihn richtig anschauen, er war groß und sah mit seiner weißen
Mähne über dem braungebrannten Gesicht hinreißend aus. Gekleidet war er
sportlich in Jeans, T-Shirt mit einem aufgedruckten Fantasiemuster und Sandalen.
„Jetzt kann ich mich richtig vorstellen“, meinte ich, „vorhin haben Sie
mir ja keine Gelegenheit dazu gelassen. Ich bin Dagmar Petrenko aus Weimar. Früher
war ich in der Anna-Amalia-Bibliothek beschäftigt, aber als das Haus auf
Computer umgestellt wurde, ließ ich mich vorzeitig pensionieren, auch um meinen
kranken Mann zu pflegen. Seit sechs Jahren bin ich verwitwet. Auch mit meinem
Alter will ich nicht hinter dem Berg halten, wir haben gestern meinen 68-ten
gefeiert.“ „Herzlichen Glückwunsch nachträglich“, unterbrach er mich,
„das Alter sieht man Ihnen überhaupt nicht an.“ „Danke für die
Blumen“, erwiderte ich. „Ich habe auch noch eine Tochter von 40 Jahren in
Kanada, die geschieden ist und ihre vierzehnjährige Tochter alleine großzieht.
Und wer sind Sie? Margitta hat mir bisher nichts über Sie erzählt.“
Fabian
Auf
der Fahrt nach Mannheim spukte mir diese Frau Dagmar ständig im Kopf herum. Ich
hatte ihr angemerkt, dass ich sie beeindruckte, doch war das nur mein
Computerwissen oder mehr? Will ich sie überhaupt mehr beeindrucken und was
stelle ich mir dabei vor? Nach Angelicas Tod habe ich bewusst Begegnungen mit
Frauen vermieden, habe ich jetzt lange genug um sie getrauert? Ich habe mich
immer für einen Steppenwolf gehalten, bin hart und abweisend geworden und
selbst die Kinder und Enkel kamen nicht mehr an mich heran. Doch allmählich
merke ich, dass ich für ein einsames Leben nicht geschaffen bin, ich brauche
die Kommunikation mit einem vertrauten Menschen. Und schon lange fehlt mir der körperliche
Kontakt mit einer Frau, die ich lieben kann, so wie sie mich. Das war mit
Angelica die ganze Zeit wundervoll gewesen, und selbst, als es wegen ihrer
Krankheit nicht mehr möglich war, haben wir uns noch Gutes getan. Tief in
meinem Innern meldete sich ein „Ja“ zu dieser aufregenden Frau. Vielleicht
kann ich ihr ein wenig näher kommen, ich muss es nur behutsam angehen lassen.
Irgendwie freue ich mich darauf, sie wieder zu sehen.
Dagmar
Herr
Tiemann gab es mir eins dieser Dinger in die Hand. „Das wiegt weniger als ein
Kilo. Das Betriebssystem ist Windows 8.1 und man kann jedes Anwenderprogramm
drauf installieren. Dies Tablet ist mit 649,- Euro billiger als die Geräte, die
wir vorhin gesehen haben und hat nur den einen Nachteil, dass man auf dem
kleinen Bildschirm nicht so viel sieht wie bei den anderen Geräten. Wenn Sie
eine gute Brille haben, ist solch Tablet durchaus für Sie geeignet, es passt
sogar in Ihre Handtasche. Ich lasse es Ihnen mal vorführen.“ Er rief eine
junge Verkäuferin, die sich als exzellente Fachfrau erwies und bat sie, das Gerät
vorzuführen. Nach dem Einschalten waren sofort Quadrate zu sehen und die Verkäuferin
bat mich, mit dem Finger auf eines mit einem „W“ zu tippen, worauf eine Art
Briefbogen und eine Tastatur erschienen „Schreiben sie etwas“, forderte Herr
Tiemann mich auf und ich tippte zwei Sätze ein. Doch die Schrift war so klein,
dass ich sie kaum lesen konnte. „Drücken sie jetzt mit Daumen und Zeigefinger
auf den Text und ziehen die Finger auseinander“, schlug er vor. Ich tat es und
die Schrift wurde größer, aber der Rest der Zeilen verschwand rechts. „Jetzt
setzen Sie den Finger auf den Text und ziehen Sie ihn nach links und wieder nach
rechts“, fuhr er fort und ich sah, wie der Text über den Bildschirm wanderte.
„Das ist ja eine tolle Sache“, staunte ich.
Fabian
Margitta
sagte anerkennend: „Ich wusste ja, dass es dir nicht schlecht geht, habe aber
nicht gedacht, dass du so komfortabel wohnst.“ „Na ja, wir haben hier viele
Jahre mit vier Personen gelebt“, antwortete ich. „Ich brauchte ein
Arbeitszimmer, ebenso die Kinder, und Angelica hat Wert darauf gelegt, für ihre
künstlerischen Arbeiten ein eigenes Reich zu haben. Jetzt ist mir das Haus allmählich
zu groß und ich denke daran, in eine Seniorenresidenz umzusiedeln. Aber lasst
uns mit der Arbeit beginnen. Dagmar pack‘ doch mal deine Schätze aus“, bat
ich, dann ließ ich sie das Tablet und das Type Cover zusammenstecken und zeigte
ihr den Netzschalter am Tablet. Nach dem Einschalten wurde sie aufgefordert,
einen Benutzernamen und ein Passwort einzugeben und ich erklärte: „Das
Passwort musst du dir aufschreiben, sonst kommst du nicht mehr in das System.“
Dagmar wählte ihren Vornamen als Benutzer und tippte ein Passwort ein, das sie
im Notizbuch vermerkte. Nach der Eingabe zeigte ich ihr, wie sie die Maus mit
dem Gerät verbinden kann. Sie bat um eine Pause, da sie nichts mehr aufnehmen könne,
ich kochte Kaffee und öffnete eine Packung Kekse. „Das müssen wir noch ein
paar Mal machen, damit ich sicher bin“, seufzte Dagmar und ich bestätigte,
das sei stets die erste Aufgabe an den nächsten Tagen. „Heute wollen wir nur
noch ins Internet gehen.“ Nach dem Kaffee zeigte ich ihr den WLAN-Zugang auf
dem Tablet und buchstabierte den Code zur Eingabe. Dann ließ ich sie den
Internetexplorer starten und wies ihr den Weg, Firefox und Thunderbird herunter
zu laden und zu installieren.
Dagmar
„Jetzt
bist du schon im Internet und kannst auf diesem Weg die Erweiterung deines
Telefonanschlusse auf DSL beantragen“, schlug Fabian vor. Ich wählte die
angegebene Servicenummer, konnte nach kurzer Wartezeit die Erweiterung
beantragen und erhielt die Auskunft, man werde mir die Unterlagen per Post
zusenden. „Für E-Mail habe ich eine eigene Domain, dort liegt auch meine
Webseite“, fuhr Fabian fort. „Du hast eine eigene Webseite?“, fragte
Margitta erstaunt, „zeig‘ sie uns doch mal.“ „Ich dachte, das sei im
Club bekannt“, antwortete Fabian und schaute mich an. „Du kannst sie anwählen,
geh‘ mal wieder auf Firefox.“ Dann sagte er mir, was ich in die Adresszeile
eingeben musste. Seine Seite erschien mit seinem Bild und einer Begrüßung.
Nach ein paar einleitenden Zeilen waren drei Überschriften zu sehen:
-
Mein Leben,
-
Meine Berufstätigkeit,
-
Meine Bücher.
„Klick‘
mal auf ‚Mein Leben‘, bat er und ich war beeindruckt. Ab seiner Geburt waren
alle Daten seines Lebens aufgeführt auch seine Liebe zu zwei verstorbenen
Frauen. „Und jetzt klick‘ auf ‚Meine Bücher‘“, fuhr er fort. Ich fand
eine Liste von fünf Büchern, die darunter mit den Titelbildern und einer
kurzen Inhaltsangabe dargestellt waren. „Wenn du bei den Büchern auf
‚Leseproben‘ klickst, bekommst du ausführliche Ausschnitte aus den Büchern.“
Ich hatte das Buch „Leben mit Angelica“ gesehen. und klickte die Leseproben
an. Interessiert las ich die Begegnung mit seiner Frau vor fünfundvierzig
Jahren und ihre vielen zärtlichen Briefe, bis Fabian mich zum letzten Kapitel führte,
wo ich die liebevolle Beschreibung ihrer letzten Monate bis zum Tode und seine
Grabrede lesen konnte. Unvermittelt stiegen mir Tränen in die Augen. „Danke,
dass du mir das gezeigt hast“, sagte ich gerührt und dachte: „Dieser Mann
hat wohl viel Gefühl für Frauen.“ Er war mir jetzt ein ganzes Stück näher
gekommen und ich wollte den Kontakt mit ihm auf jeden Fall bewahren. „Wenn
dich das interessiert, gebe ich dir das Buch zum Lesen mit“, sagte Fabian und
holte ein Exemplar.
Fabian
Nach
dem Besuch der beiden Frauen war ich ziemlich durcheinander. Keine Frau hatte
mich in den letzten Jahren derart beeindruckt wie diese Dagmar. Solange Margitta
bei ihr ist, kann ich ihr leider nicht näher kommen, aber irgendwie muss ich es
versuchen, denn im Innersten weiß ich, dass ich mit ihr vielleicht eine schöne
neue Gemeinschaft finden kann.
Dagmar
Weil
ich mich heute auf die Begegnung mit Fabian freute, hatte ich wieder das helle
Kleid mit dem afrikanischen Muster angezogen, den Bernsteinschmuck angelegt und
mich dezent geschminkt. Aber als er mich bei der Begrüßung am Bahnhof mit
seinen hellen Augen anstrahlte, fühlte ich mich ziemlich durcheinander und
hatte das Gefühl, dass er auch aufgeregt ist. In seinem Haus servierte er eine
Tasse Kaffee, dann begannen wir zu arbeiten. Für heute hatte er
Textverarbeitung vorgesehen, dafür ließ er mich „Free Office“ herunter
laden und installieren, dann das Textprogramm aufrufen. „Gib einen beliebigen
Text ein“, bat er. Wie von selbst formulierten meine Finger einen Dankesbrief:
Lieber
Fabian,
ich finde es nett,
wie fürsorglich und trotzdem erfolgreich du mich in die Computerei eingeführt
hast. Ich habe es nie für möglich gehalten, in meinem Alter noch einem derart
netten und zuvorkommenden Mann zu begegnen, der so viel Mühe für mich
aufwendet. Ich hoffe, dass wir noch viele gemeinsame Unterrichtstunden
miteinander verbringen können.
Dagmar.
„Danke,
ich danke dir von Herzen“, rief er und umarmte mich, doch das genügte mir
jetzt nicht mehr. Ohne nachzudenken küsste ich ihn und unsere Zungen
umschlangen einander, bis wir keine Luft mehr bekamen. „Du“, sagte ich
schwer atmend, „das darfst du nicht machen.“ „Entschuldige vielmals“,
antwortete er lachend, „es soll nicht wieder vorkommen.“ „Das wäre
schade“, meinte ich, ebenfalls lachend und konnte gar nicht aufhören, seine
Lippen zu fühlen. Wie lange war ich nicht so geküsst worden! „Wir sind ja
verrückt“, rief er schließlich und ich antwortete „Ja, ich bin ganz verrückt
nach dir und habe das Gefühl, dass es dir genauso geht.“ „Du hast Recht“,
antwortete er nachdenklich, „seit Angelicas Tod war ich nicht mehr so glücklich.
Ich bin dir so dankbar, dass du mir deine Zuneigung so offen zeigst, ich hätte
nicht gewagt, einfach auf dich zuzugehen. Doch jetzt sage ich voller Freude:
‚Doch küsst mich ein weiblicher Mund, so bin ich schon wieder gesund.‘ Ich
glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Als ich bedenkenlos antwortete.
„Ja, Papageno, mir geht es doch ebenso, nur ein sanftes Täubchen werde ich
nicht sein“, lief ein glückliches Strahlen über sein Gesicht. Was habe ich
da angerichtet, ohne nachzudenken? Er führte seine Hand vorsichtig an den
Ausschnitt meines Kleides und sah mich fragend an. Als ich nickte, liebkoste er
meine Brüste. „Jetzt fühle ich schon eines deiner Geheimnisse“, fuhr er
leise fort, „das Weitere möchte ich mir für später aufbewahren.
Fabian
Das
war ein richtiges Wechselbad der Gefühle für mich, zuerst Dagmars Liebesbrief,
dann die Küsse und zuletzt ihre Aussage, dass sie sich auch in mich verliebt
hat. Ich sah eine glückliche Zukunft vor mir, die mich aus meiner Einsamkeit
erlösen konnte. Ich umarmte und küsste Dagmar innig, doch nachdem ich ihre Brüste
gefühlt hatte, hätte ich sie jetzt gern unverhüllt bewundert, wagte aber
nicht, ihr das zu sagen. Offenbar fühlte sie meine Unsicherheit und fragte,
warum ich so still sei. „Ich traue mich nicht, dich um etwas Unschickliches zu
bitten“, flüsterte ich, worauf sie lachend antwortete: „unsere Küsse haben
doch die Unschicklichkeit eröffnet, da kann deine Bitte nicht mehr so schlimm
sein. Sag nur, was du dir wünschst.“ Verlegen flüsterte ich ihr den Wunsch
ins Ohr. „Das ist überhaupt nicht unschicklich“, antwortete sie lachend,
„die können sich noch gut sehen lassen.“ Ich zog sie aufs Sofa, sie
streifte das Shirt über den Kopf und ich konnte nach dem Öffnen des BH ihre
mittelgroßen, straffen Brüste bewundern. Mit den Händen liebkoste ich die
beiden lieblichen Kugeln und als ich behutsam die Spitzen küsste, wurden sie
fest, wobei Dagmar zuckte, als ob ein elektrischer Schlag ihren Körper
durchfuhr und leise stöhnte. Da kamen mir die Worte von selbst: „Schon seit
ich dich zum ersten Mal gesehen habe, weiß ich, dass du eine schöne Frau bist.
Aber jetzt fehlen mir die eigenen Worte und ich kann nur die Bibel zitieren:
‚Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön und ist kein Fehl‘ an
dir‘, sagt sie und ich beziehe diese Worte gerne auf dich. Ich bin glücklich,
dass ich solch eine schöne Frau lieben darf.“
Dagmar
Die
„unschickliche“ Behandlung meiner Brüste durch Fabians weiche Lippen hatte
mich ziemlich erregt, ich strich ihm über die Haare und zog, einem plötzlichen
Impuls folgend, seinen Kopf fester an mich. Und dann wollte ich ihn noch näher
fühlen, zog sein Hemd aus und drückte meine Brust an seine. Es war himmlisch,
seine Haut direkt auf meiner zu fühlen, und ich zog ihn ganz an mich. Eng
aneinander geschmiegt lagen wir auf dem Sofa. Unsere Zungen führten einen immer
wilderen Tanz auf, während unsere Hände den nackten Rücken des anderen
liebkosten. Bald konnte ich Fabians steigende Erregung deutlich fühlen, das
brachte mich auf eine verwegene Idee, wie ich schon ein Stück seines Wesens
erforschen kann. Ich drückte mich noch fester an ihn, bis er bald am ganzen Körper
bebte und leise stöhnte. Das hatte ich gewollt und freute mich darüber.
Verlegen flüsterte er: „Entschuldige bitte, aber du hast mich so eng umarmt,
dass ich mich nicht lösen konnte.“ Glücklich antwortete ich: „Das ist doch
ganz natürlich und ich bin dir dankbar, dass ich dich so erleben durfte. Jetzt
kenne ich auch schon ein Geheimnis von dir.“ „Du bist großartig“,
stammelte er, „das habe ich zwei Jahre lang nicht erlebt, auch die innigen Küsse
nicht. Angelica hat mir schon bevor wir vollkommen zusammen kamen, ihre Liebe
auf diese Weise erwiesen, und zuletzt konnte sie sie nur noch so zeigen. Nun
setzt sich das mit dir wundervoll fort.“
Fabian
Nachdem
ich Dagmar in den Zug gesetzt und Margitta die Ankunftszeit gemeldet hatte, war
ich zu aufgewühlt, um nach Hause zu fahren und lief ziellos die Planken
entlang. Diese Frau hatte sich mir schon weit geschenkt, ich war jetzt
verantwortlich dafür, die Verbindung behutsam weiter aufzubauen. Denn dass ich
mein weiteres Leben gemeinsam mit ihr führen wollte, war mir so klar, wie kaum
etwas. Schließlich trank ich in einer Bar einen Cognac, das beruhigte mich.
Dagmar würde sich sicherlich morgen aus Weimar melden.
Sonntag
klingelte kurz nach 17 Uhr das Telefon, ich hatte schon gehofft, dass Dagmar
ihre Ankunft melden würde. Doch sie hatte noch etwas auf dem Herzen: „Ich
habe die Einwahldaten für das Internet von Vodaphone bekommen, finde aber den
WLAN nicht. Kannst du mir helfen?“ „Wie heißt denn dein Anschlussgerät?“,
fragte ich. „Im Handbuch steht ‚Easybox 903‘“, antwortete sie. Ich fand
das Gerät im Internet. „Das Ding hat oben links einen Schalter, mit dem der
WLAN eingeschaltet werden kann“, erklärte ich ihr. „Drück mal drauf, da müsste
eine weitere Lampe angehen und schau dann wieder auf dein Tablet.“
Dagmar
Ich
war so begeistert von Fabians tatkräftiger Hilfe, dass ich ihm in einer Mail
danken musste:
Weimar,
31. 5. 2015 Mein ganz lieber Fabian,
ich
weiß gar nicht, wie ich Dir für deine ständige Hilfe bei der Computerei
danken soll. Du hast mich so geduldig und liebevoll in die Materie eingeführt
und das Sahnehäubchen war eben Deine Führung ins Internet, die ich alleine nie
bewältigt hätte. Doch auch für die persönliche Führung gestern und
vorgestern danke ich Dir von Herzen. Ich habe jahrelang in einem seelischen
Dornröschenschlaf gelegen und überhaupt nicht mehr gewusst, dass ich eine Frau
bin. Du hast mich wunderbar zärtlich aufgeweckt und mir die Tage so schön
gemacht, wie ich es schon lange nicht erlebt habe, mein Liebling. Ich freue mich
bannig, dich übermorgen in die Arme schließen und küssen zu können und
vielleicht auch ein bisschen mehr.
Jetzt
will ich bald ins Bett gehen und mich von der Reise erholen, denn die Abende mit
Margitta waren lang, wenn wir auch nur wenig über Dich gesprochen haben.
Viele
herzliche Küsse sendet Dir Deine Dagmar.
Nach
fünf Minuten hatte ich Fabians Antwort:
Mannheim,
31. 5. 2015 Meine geliebte Dagmar,
herzlichen
Dank für Deine liebe Mail, über die ich mich zweifach gefreut habe: Einmal
weil Du so gut gelernt hast, mit der E-Mail umzugehen und zum zweiten über
Deine wundervolle Liebeserklärung. Nach unserem Abschied gestern konnte ich
nicht gleich nach Hause gehen, sondern bin durch die Stadt gewandert und habe
mich beim Anblick des Elefanten an Dich erinnert. Nachdem ich in einer Bar einen
Cognac getrunken habe, fühlte ich mich von Deiner Liebe umhüllt und wurde
ruhig, so dass ich nach Hause fahren konnte. Ich konnte lange nicht einschlafen,
weil meine Gedanken bei Dir waren. Ein paar Verse sind mir eingefallen, die ich
Dir mitsende:
Du
bist meine Frau,
ich
weiß, ich liebe Dich so sehr,
mit
Dir will ich mein Leben teilen.
Vor
langem schon wurde mir Liebe geschenkt,
eine
wundervolle Liebe von einer großartigen Frau
über
viele Jahre, Jahrzehnte.
Bin
ich ihr stets gerecht geworden,
habe
ich ihr immer genug Liebe gegeben?
Trotzdem
hat sie nie an mir gezweifelt.
Ihr
Weg ist vollendet,
ich
blieb zurück, alleine
und
denke oft an sie.
Du
hast mich angenommen
und
achtest ihr Vermächtnis.
Ich
möchte Dir viel Liebe geben.
Denn
jetzt bist Du meine Frau,
ich
weiß, Du liebst mich so sehr,
Willst
Du mein Leben mit mir teilen?
Nun
wünsche ich Dir eine gute Nacht und küsse Dich in Gedanken, Dein Fabian
Nun
musste ich Fabian doch noch mal anrufen und ihm sagen, dass ich gerne seine Frau
sein will. Meine Gedanken waren noch lange bei ihm.
Aus
Kapitel 3 „Wiedersehen“
Fabian
Endlich
lief der Zug in Weimar ein. Als ich aus der Tür sprang, stand Dagmar fast vor
mir und nahm mich in die Arme. „Herzlich willkommen in meiner Stadt“, rief
sie, doch meine Antwort wurde durch ihre Küsse erstickt, ich konnte ihr kaum
die Rosen in die Hand drücken.
Dagmar
Jetzt
wurde die Sehnsucht in mir übermächtig, ich zog ihn aufs Sofa, wo er mich
innig küsste und meine Brüste streichelte. „Komm!“, sagte ich und führte
ihn nach oben ins Schlafzimmer. In Nullkommanix waren wir aus den Sachen und
lagen auf dem Bett, wo er mich zärtlich streichelte, bis ich es nicht mehr
aushielt und ihn zu mir zog. Auch jetzt bewegte er sich behutsam, bis sich alles
um mich drehte und ich aufschrie. Da sank er stöhnend auf mich und ich dachte
erstaunt: „Alle Männer stöhnen im Orgasmus.“ Als wir zur Ruhe gekommen
waren, überlegte Fabian eine Weile, dann sagte er: „Jetzt ist nichts mehr
zwischen uns wie vorher, wir haben uns auf der höchsten Ebene erkannt, die
zwischen zwei Menschen möglich ist. Ich habe diese Begegnung stets als ein
herrliches Geschenk der Natur angesehen, bei dem beide vollkommen unverstellt
aus sich heraus gehen, aber wenn man das erste Mal in dieser Weise zueinander
findet, ist es eine unbeschreibliche Offenbarung, hab‘ Dank für deine Liebe,
mein Liebling.“
Auch
ich wollte ihm für dieses beglückende Erlebnis danken, nahm ihn noch einmal in
die Arme, schmiegte mich an ihn und küsste ihn wie wild. Noch lange lagen wir
eng umschlungen beieinander. „In deinem Buch hat mich die zarte Beschreibung
deiner ersten innigen Begegnung mit Angelica bewegt, ich könnte deine
wundervollen Worte auswendig sagen. Da wusste ich, dass du ein zärtlicher
Liebhaber bist, und du hast das Vertrauen vollkommen bestätigt.“ Ich überlegte,
wie der Tag weitergehen könnte. „Warst du schon mal in Weimar?“, fragte ich
Fabian, doch er antwortete, er habe nie die Gelegenheit gehabt. Als ich im
Internet fand, dass morgen Abend der „Rosenkavalier“ gespielt wird,
bestellte ich zwei Karten.
Fabian
Beim
Frühstück sah ich, wie Dagmar heimlich eine Pille in den Mund steckte.
„Musst du in deinem Alter noch die Pille nehmen?“, lästerte ich, „Das
solltest du gar nicht mitbekommen“, antwortete sie ernst, „ja, ich muss
regelmäßig diese Pillen nehmen, denn ich habe eine schwere Angina Pectoris.
Nur damit kann ich noch eine Weile leben, doch die Gefahr eines Herzinfarktes
nimmt immer mehr zu. Bis eben wusste das kein Mensch außer meinem Arzt, jetzt
bist du der Zweite.“ Ich bekam einen fürchterlichen Schreck. Gerade hatte ich
eine wundervolle Frau gefunden und nun war sie schwer krank und hatte vielleicht
gar nicht mehr viel Zeit zum Leben. Ich umarmte und küsste sie. „Das soll
unserer Liebe keinen Abbruch tun, ich werde dich immer lieben wie heute“,
stotterte ich. Da glänzten Tränen in ihren Augen und sie sagte leise „Danke,
aber es war leichtsinnig zuzulassen, dass du dich in mich verliebst. Unsere
Verbindung hat nicht die geringste Zukunft, wir sollten uns schnellstens
trennen, bevor wir einander noch mehr verfallen“, dann küsste sie mich innig.
„Wie
lange hast du das schon?“, wollte ich wissen. „Wohl schon länger“,
antwortete sie nachdenklich, „aber die Beschwerden fingen vor anderthalb
Jahren an und werden immer stärker.“ „Und wie sind die Aussichten auf
Heilung“, fragte ich weiter. „Ziemlich negativ“, antwortete sie langsam.
„Es ist eine seltene Form der Krankheit, mit der die Medizin kaum Erfahrungen
hat. Sporadische Krämpfe in den Herzkranzgefäßen lösen Durchblutungsstörungen
des Herzmuskels aus, was zu vorübergehendem Herzstillstand führt. Die Folge
sind anfallartige Schmerzen in der Brust, im schlimmsten Fall ist ein
Herzinfarkt möglich. Die Pillen minimieren die Krämpfe durch Dämpfung des
nervösen Systems, so dass ich ein einigermaßen normales Leben führen kann und
es sogar gewagt habe, mit dir eine neue Liebe zu beginnen, was eigentlich
verantwortungslos ist.
Dagmar
Es
bewegte mich, wie ernst Fabian meine Krankheit nahm. Sicher war es
verantwortungslos, ihn in mich verliebt zu machen und ihm mit meinem
wahrscheinlichen Tod neues Leid zu bereiten. Aber für mich ist es doch
wundervoll, bis zu meinem Ende einen lieben Menschen um mich zu haben, ist das
sträflicher Egoismus? Zumindest kann ich ihm so lange noch alle meine Liebe
geben, das ist ja auch etwas Gutes für ihn, um ihn aus seiner Einsamkeit zu
befreien. „Weißt du denn genau, wie die Krankheit heißt?“, fragte Fabian
in meine Gedanken hinein und ich fragte, warum er das wissen wolle. „Weil wir
im Internet danach forschen können, da gibt es sicherlich detaillierte
Informationen. Wähl‘ den Namen auf deinem Tablet an.“ Als ich
„Vasospastische Angina pectoris“ eingab, bekam ich eine Seite mit vielen
medizinischen Einrichtungen. „Doch unter der Überschrift „Ausblicke“
wurde auf eine neu entwickelte hoffnungsvolle Operation hingewiesen. Unverblümt
wurde berichtet, dass eine Reihe von Patienten die Operation nicht überlebt
habe.
„Schau
mal, da ist ein Link“, sagte Fabian und zeigte auf einen blau geschriebenen
Namen. Als ich es anklickte, öffnete sich das Portal des kardiologischen
Instituts in Seattle, auf der eine neue Bypass-Operation mit ihren
Erfolgschancen und Risiken beschrieben wird. Auch die Kosten von 10.000,- § für
Vorbereitung, Operation und eine zweiwöchige Reha wurden genannt. „Das können
wir vergessen“, sagte ich enttäuscht, „so viel kann ich nicht
aufbringen.“ Da nahm Fabian mich in die Arme. „Vergiss nicht, dass ich dich
liebe und noch lange mit dir zusammen leben will. Da ist es doch klar, dass ich
dich nicht verlieren will und für dein langes Leben etwas tue. Speichere die
Adresse, kopiere die wichtigsten Angaben nach Word und drucke sie aus. Dann
beschaff‘ dir unverzüglich einen Termin bei deinem Arzt und hol‘ seinen Rat
ein. Wenn er einverstanden ist, buchen wir die Operation in Seattle und ich
begleite dich.“
„Und
wenn ich dabei draufgehe?“, fragte ich mit einem bangen Gefühl. „Das
bestreiten die Leute in Seattle nicht“, sagte Fabian, „ich glaube aber, das
hängt vom Zustand des Patienten ab. Natürlich musst du selbst entscheiden, ob
du das 30-prozentige Risiko eingehen willst, bei der Operation draufzugehen oder
mit 100-prozentiger Sicherheit in den nächsten Jahren qualvoll stirbst. Wie du
dich auch entscheidest, ich werde dir auf jeden Fall beistehen.“ „Ich
glaube, du hast Recht, hab‘ Dank für deine harten Worte“, antwortete ich
nachdenklich, „ich werde gleich um einen Termin beim Arzt bitten.“ Ich bekam
den Arzt selbst an den Apparat, der sehr interessiert war und mich für morgen
früh um 8 Uhr bestellte. Ich druckte die Kopien aus den Webseiten für ihn aus.
Fabian
Um
8 Uhr waren wir beim Arzt, Dagmar bat ihn, mich mit ins Sprechzimmer zu lassen.
Interessiert las der Internist die Ausdrucke aus dem Internet und gab offen zu,
davon noch nichts gehört zu haben. Das könne durchaus Erfolg versprechen,
meinte er, wies aber auch auf die hohe Letalität hin. „Können Sie mir solch
eine Operation empfehlen?“, fragte Dagmar ganz direkt. „Zur Zeit fehlt mir
das genügende Wissen darüber“, antwortete er offen, „ich muss mich erst
intensiv damit beschäftigen. Seien Sie Montag wieder um 8 Uhr hier, dann hoffe
ich, Ihnen diese Frage besser beantworten zu können.“
Sonntag
sagte Dagmar nach dem Frühstück ernst zu mir: „Ein Teil der Stadt muss ich
dir unbedingt noch zeigen, weil es leider dazu gehört wie Goethe und Schiller,
nämlich das KZ Buchenwald. Wenn es dir Recht ist, sollten wir jetzt
hinfahren.“ Ohne weiteres stimmte ich zu und wir machten uns auf den Weg. In
einer umfangreichen Dokumentation konnten wir die Geschichte des 1937 für
politische Gegner, Juden, Sinti und Roma errichteten Lagers lesen, das schon
bald zum Synonym für die nationalsozialistischen Konzentrationslager wurde:
„Nach Kriegsbeginn wurden Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald
verschleppt. Im KZ und seinen 136 Außenlagern waren über 250.000 Menschen
inhaftiert. Die SS zwang sie zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie.
56.000 Menschen starben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung.
Widerstandskämpfer bildeten im Lager eine Untergrundorganisation, um das Wüten
der SS einzudämmen. Seit dem 8. April hatten die Häftlinge durch Boykott und
Sabotage ihre Evakuierung aus dem Lager verhindert und die US-Armee per Funk um
Hilfe gerufen. Durch einen Aufstand übernahmen sie bei Annäherung der
Amerikaner die Leitung des Lagers, nahmen 125 Bewacher fest und öffneten die
Tore. Nach Abzug der Amerikaner wurde das Gelände bis 1950 von den Sowjets als
Speziallager genutzt. Erst 1958 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte
Buchenwald eröffnet und ab 1991 neu gestaltet.“ Ich war entsetzt von dem
Gesehenen. „Ich habe zwar einiges über die KZ gewusst, aber das hier übersteigt
alle Vorstellungen. Es ist unwahrscheinlich, welche Schuld unser Volk mit dieser
unmenschlichen Brutalität auf sich geladen hat, das können wir nur sehr
langsam wieder gutmachen.“
Dagmar
Montag
standen wir wieder früh auf und waren um 8 Uhr beim Arzt. „Ich habe gute
Nachrichten für Sie“, empfing er uns. „Das halbe Wochenende habe ich mich
mit dem Thema ‚Operation‘ beschäftigt und von allen möglichen Seiten
Informationen eingeholt, weil mich die Sache außerordentlich interessiert
Letztlich hat mir ein Spezialist der Charité in Berlin zu einer Entscheidung
verholfen, indem er die geringen Risiken ihrem sicheren Schicksal gegenüber
stellte. Dann habe ich lange mit der Klinik in Seattle korrespondiert, zuerst
per Mail, zuletzt telefonisch. Sie baten mich um Ihre Unterlagen und ich habe
sie übermittelt, also alle Untersuchungsergebnisse, Blutwerte und CT-Bilder.
Gestern Abend mailten sie, dass sie bei Ihnen gute Aussichten für eine
erfolgreiche Operation sähen, die Sie dauerhaft von der Krankheit befreien könne.
Abgesehen von der Krankheit sei Ihr Körper so gesund, dass die Risiken vernachlässigbar
klein seien. Ihre Krankenkasse wird allerdings die Kosten kaum übernehmen.“
„Das wissen wir“, antwortete ich.
Fabian
„Wann
können Sie in Seattle sein?“, wollte der Arzt wissen. Ich überlegte. „Wir
müssen erst noch nach Mannheim, weil ich einiges für die Reise brauche, und
sollten dann von Frankfurt fliegen. Wenn wir Mittwoch früh einen Flug bekommen,
sind wir nachmittags in Seattle, denn die Zeitdifferenz beträgt neun Stunden.
Ich kümmere mich um den Flug, und wenn das klappt, ist Dagmar Donnerstag früh
in der Klinik.“ „OK“, sagte der Arzt, „ich habe schon eine
Patientennummer. Wenn Sie die Operation wollen, müssen Sie sich unverzüglich
mit dieser Nummer bei der Klinik anmelden, Ihren Ankunftstermin nennen und eine
Vorauszahlung leisten.“
Über
das Internet beantragte ich Einreisegenehmigungen in die USA und buchte zwei Flüge
für Mittwoch um 7:15 ab Frankfurt mit nicht terminierten Rückflugtickets.
Dagmar schimpfte: „Du hast Business gebucht, das ist doch viel zu teuer“
„Willst du wirklich zwölf Stunden lang die Beine nicht ausstrecken können?“,
antwortete ich, „ich nicht, denn ich kann es problemlos aufbringen. „Du bist
verrückt“, sagte meine Geliebte und küsste mich, „was bezahle ich denn für
diese Angelegenheit?“ „Da werden sich noch genug Gelegenheiten ergeben“,
antwortete ich, „wir nehmen um 15:58 den Zug nach Mannheim und sind gegen halb
acht dort. Du übernachtest bei mir, ich nehme dich morgen in den Club mit und
verabschiede mich für ein paar Wochen.
Dagmar
Fabian
half mir bei der Anmeldung in der Klinik mit dem 11. Juni als Antrittstermin.
Als Vorauszahlung wurden 2.000,- § gefordert und ich belastete meine
Kreditkarte damit. „Da habe ich schon etwas, das ich selbst bezahle“, lachte
ich. Fabian buchte eine Juniorsuite in einem Hotel nahe der Klinik und
organisierte seine Vertretung im Club. Dann sah er mich an und sagte leise
„Bevor du diese nicht harmlose Operation durchführen lässt, solltest du
unbedingt mit zwei Menschen darüber sprechen, die dir besonders vertraut sind,
nämlich Margitta und deiner Tochter. Ich hoffe mit dir, dass du sie noch lange
sehen kannst, aber wir können nicht hundertprozentig ausschließen, dass es das
letzte Mal ist.“ Ich erschrak, doch dann antwortete ich lächelnd: „Hab‘
Dank für den Tipp. Margitta sehen wir morgen und Christine könnte von
Edmonton, wo sie eine
Forschungseinrichtung leitet, nach
Seattle fliegen, das ja dicht an der kanadischen Grenze liegt.“ „Gut“,
schlug Fabian vor, „dann sollten wir Margitta morgen noch vor dem Club in
Mannheim sprechen.“ Während Fabian Spaghetti mit Tomatensoße kochte, packte
ich die nötigen Sachen für Seattle und wir schafften gut den Zug kurz vor
vier.
Fabian
In
Mannheim fuhren wir mit einer Taxe zu meinem Haus und gingen nach kurzem
Abendessen früh ins Bett, wo ich zum ersten Mal nach vier Jahren wieder mit
einer wunderbaren Frau das Fest der Liebe feiern konnte. Diese Erinnerung
animierte mich zu etwas, was mit Angelica gelegentlich gelungen war: Ich blieb
in ihr, bis ich wieder potent war und konnte ihr damit mehrere Erfüllungen
schenken. „Mit Martin hatte ich ja immer ein schönes, ruhiges Liebesleben“,
meinte meine Geliebte nachdenklich, als wir wieder zu Ruhe gekommen waren,
„noch nie habe ich mehrere Orgasmen hintereinander erlebt. Das war phänomenal.
hab‘ Dank, mein Geliebter!“ Doch auch ich war ergriffen, dieses
unwahrscheinliche Erlebnis mit der Frau genießen zu können, die mir jetzt das
Liebste auf der Welt ist.
Aus Kapitel 5 „Seattle“
Fabian
Obwohl
wir nach dem Mittag im Flugzeug lange geschlafen hatten, waren wir hundemüde,
schließlich hatte uns der Wecker in Mannheim schon vor 23 Stunden aus dem
Schlaf gerissen. So aßen wir in der Bar nur einen Snack, dann gingen wir hundemüde
ins Bett. Gegen Mitternacht Ortszeit erwachte ich, es war die Zeit, in der ich
zu Hause spätestens aufstand, doch ich schlief schnell wieder ein. Endgültig
war meine Nacht dann um 5:30 Ortszeit zu Ende, ich hatte mit mehreren kurzen
Unterbrechungen 12 Stunden geschlafen. Als ich mich zu meiner Geliebten
umdrehte, sah ich, dass sie schon wach war und mich liebevoll anschaute. „Ich
hoffe und bete, dass ich dich noch oft so schön im Schlaf und beim Erwachen
ansehen kann“, sagte sie langsam, als ob sie über jedes Wort nachdenken
musste, „und nun lass uns für ein Weilchen Abschied feiern.“ Mit diesen
Worten streckte sie die Arme nach mir aus und wir fanden vor der Trennung noch
einmal liebevoll zueinander. Im Bad kam mir ein schlimmer Gedanke:
„Hoffentlich war das nicht das letzte Mal“, doch ich sagte der Geliebten
nichts davon. Dagmar zog sich mit Jeans und Bluse leger an und wir frühstückten
gemütlich. Sie nahm nur eine leichte Tasche mit Nachtzeug, Kosmetik und ihrem
Tablet mit, als eine Taxe uns zum Institut brachte.
Dagmar
Nach
dem recht ordentlichen Mittagessen gingen die Untersuchungen los. In einem Labor
wurde mir jede Menge Blut abgenommen, mein Urin wurde aufgefangen, der Blutdruck
gemessen, ein Belastungs-EKG und ein EEG gemacht und mein Brustraum
sonografiert. Erst kurz vor 17 Uhr war ich fertig, da kam Fabian auch schon und
wir küssten uns innig. Ich erzählte von den Untersuchungen und bat ihn, für
Christine ein Zimmer zu reservieren. Er berichtete von seiner Sehnsucht nach
mir, die er mit Erkundungen der Stadt besänftigt hatte. Mit innigen Küssen
konnten wir uns unsere Liebe zeigen. Als das Abendessen serviert wurde, musste
er leider gehen.
Freitag
gingen die Untersuchungen weiter. Ich wurde in einen CT gesteckt und ein MRT
schloss sich an, dann hatte ich in meinem Zimmer etwas Ruhe. Nach dem
Mittagessen wurde ich in einen OP gebracht, wo sie sagten, sie müssten eine
Herzkatheter-Untersuchung machen, dafür bekäme ich eine Lokalanästhesie in
der Leistenbeuge. Als die Spritze wirkte, führten sie eine Sonde ein und ich
konnte auf einem Bildschirm beobachten, wie mein Herz schlug und seine Umgebung
aussah. Sie schoben die Sonde durch die verschiedenen Adern und ich entnahm aus
ihren Gesprächen, dass sie recht zufrieden waren. Als ich nach einer ganzen
Weile fertig war und in mein Zimmer kam, saß Fabian an meinem Bett.
Fabian
In
der Lobby des Hotels trank ich einen Bourbon, als eine gut aussehende Frau mit
einem Mädchen herein kam und sich umsah. „Mrs. Sherman?“, fragte ich und
sie antwortete auf Deutsch: „Sie sind sicherlich der Freund meiner Mutter. Ich
freue mich für sie und um ihr eine Freude zu machen, habe ich meine Tochter
Florence mitgebracht. Ich hoffe, dass noch ein Bett für sie übrig ist.“
Damit gaben die beiden mir die Hand und ich freute mich über diese
unkomplizierte Frau und ihre frische junge Tochter. „Ich bin sicher, dass sich
Ihre Mutter freuen wird“, sagte ich und sie erledigte an der Rezeption das
Einchecken. „Sie haben sicherlich Hunger, treffen wir uns in 20 Minuten hier
unten?“, lud ich sie ein und sie meinte, sie müssten nur auspacken und sich
etwas frisch machen.
Christine
fragte offen, wie ich zu ihrer Mutter stehe und ich berichtete ebenso offen, wie
wir uns über die Computerei gefunden und so sehr ineinander verliebt hätten,
dass wir zusammen leben wollten. „Computerei?“, fragte sie erstaunt,
„meine Mutter hat doch immer einen großen Bogen um diese Dinger gemacht.“
„Ja“, lachte ich, „aber ihre Schwester Margitta hat es ihr empfohlen und
sie ist dann mit Riesenschritten drauflos gegangen. Ich habe ihr zu einem Tablet
geraten, mit dem sie jetzt schon fast alles macht.“ „Und warum ist sie jetzt
in dieser Klinik?“ wollte sie dann wissen, das hatte ich befürchtet. „Das
soll sie ihnen am besten selbst erklären, ich möchte nicht vorgreifen“,
antwortete ich verlegen, „aber ich habe noch eine Bitte: Weil ich schon
ziemlich eng mit Ihrer Mutter verbunden bin, möchte ich ihnen beiden jetzt das
‚Du‘ anbieten.“ „Herzlich gern“, antwortete sie lachend. „Ich wollte
es schon lange, habe mich aber nicht getraut, weil du der Ältere bist.“ Mit
diesen Worten umarmte sie mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Ich
freue mich, dass meine Mutter dich gefunden hat, denn du scheinst genau der
Richtige für sie zu sein.“
Dagmar
„Nun
sag‘ mir endlich, warum du hier in Amerika eine Klinik aufsuchen musst“,
wollte Christine wissen. „Ich glaube, ich hätte dich längst informieren müssen“,
meinte ich schuldbewusst und berichtete alles über meine Krankheit. „Auf der
ganzen Welt hat nur dies Institut die Krankheit erfolgreich operiert, wobei sie
auch eine Reihe von Todesfällen nicht verschweigen. Ich hatte zunächst Angst
davor, aber Fabian hat mir als Alternative den sicheren Herzinfarkt genannt, das
hat mich überzeugt. Er bezahlt übrigens den größten Teil der ganzen
Aktion.“ „Ich glaube, du liebst meine Mutter sehr“, meinte Christine und
sah Fabian fast liebevoll an. „Ja, das tut er und ich bin in seiner Liebe
wieder richtig aufgeblüht“, antwortete ich, bevor Fabian etwas dazu sagen
konnte. „Und denkt mal, er hat mich zur Computerei gebracht, schaut, was für
ein tolles Tablet ich habe.“ Mit diesen Worten zeigte ich den beiden meinen
Schatz. „Da hat dein Fabian in ein paar Tagen geschafft, was uns in Jahren
nicht gelungen ist“, lachte Christine, „das ist ja wohl wahre Liebe.“
Florence griff sich das Tablet und tippte darauf herum, als arbeite sie schon
lange damit. „Es hat ja sogar LTE“, sagte sie bewundernd, „wie heißt
deine Krankheit?“ Als ich den Namen nannte, hatte sie sofort die richtige
Seite und zeigte sie ihrer Mutter. Die las besorgt die Informationen, dann kam
sie auch über den Link auf die Klinik hier. „30 % Letalität für 10.000,- §,
ist das nicht ziemlich gewagt?“, fragte sie besorgt, worauf Fabian das Wort
ergriff: „Einmal hängt das sehr von den Umständen ab, der Arzt hier sieht
gute Aussichten. Und zum anderen musst du die reale Gefahr eines tödlichen
Herzinfarkts sehen, wenn nichts getan wird. Aus diesen Überlegungen hat deine
Mutter sich auf meine Empfehlung für die Operation entschieden.
Fabian
Die
Operation sei technisch erfolgreich gewesen, sagte der Arzt, der Bypass sei
gelegt worden. Um jede das Herz anstrengende Bewegung zu vermeiden, habe man
Dagmar in ein künstliches Koma versetzt und beobachte sie jetzt intensiv auf
Abstoßungsreaktionen. Morgen könne man möglicherweise mehr sagen. Obwohl
diese Worte professionell klangen, beunruhigten sie mich, denn vom künstlichen
Koma war vorher nicht die Rede gewesen.
Dagmar
Beim
Aufwachen wunderte ich mich, dass die Sonne ins Zimmer schien, offenbar war es
Vormittag. „Sollte ich nicht operiert werden?“, fragte ich verwundert die
Schwester, die neben meinem Bett saß. „Ja, das sind Sie“, antwortete sie lächelnd,
„Sie haben seit der Operation anderthalb Tage in einem künstlichen Koma
gelegen, jetzt ist Mittwochmittag. Wie fühlen Sie sich?“ Ich hatte kein
unangenehmes Gefühl, nur auf der Brust und am Bein spürte ich dicke Pflaster,
in der Nase steckte ein Stück Plastik und in meiner linken Hand eine Kanüle,
die mit einem kleinen Gerät auf dem Nachttisch verbunden war. „Ich glaube, es
geht mir nicht schlecht“, antwortete ich langsam. Bald
kam der Kardiologe und gratulierte mir zu meinem starken Körper, der die
Operation problemlos überstanden habe. „Ich hoffe, dass wir damit Ihre
Krankheit endgültig geheilt haben“, sagte er abschließend. „Natürlich müssen
wir Sie weiter genau beobachten, deshalb bleiben Sie noch eine Woche bei uns.“
Ich bedankte mich herzlich und fragte, wann mein Freund mich besuchen dürfe. Lächelnd
antwortete er: „Jetzt gleich, er wartet nämlich schon zwei Stunden darauf:“
Er öffnete die Tür und winkte, dann stand Fabian neben dem Bett und küsste
mich vorsichtig.
Fabian
Samstag
schlug ich Dagmar vor: „Was meinst du, wenn wir nach deiner Entlassung nicht
gleich nach Deutschland zurück fliegen, sondern uns die Gegend ein bisschen
ansehen? Die Westküste soll bis Los Angeles sehr interessant sein und die
Nationalparks bieten viel Sehenswertes. Wir würden einen Mietwagen nehmen und
vier Wochen lang 2.000 km nach Süden fahren. Du kennst die Gegend
wahrscheinlich ebenso wenig wie ich.“ Dagmar war überrascht, stimmte aber
gern zu und ich wollte Informationen beschaffen. Wir sprachen noch eine Weile über
diese Idee und Dagmar freute sich, das Land etwas näher kennen zu lernen. Im
Hotel verfolgte ich die Idee und suchte im Internet eine ungefähre Route bis
San Francisco aus. Nach ein paar Tagen dort würden wir mit weiteren Abstechern
nach LA weiterfahren.“
Dagmar
Sonntag
kam Fabian vormittags und wir küssten uns herzlich, „Mehr geht leider
nicht“, dachte ich traurig, doch ich hatte nicht mit der Fantasie meines
Liebsten gerechnet. Ungeniert zog er mir das Nachthemd von den Schultern und küsste
meine Brustspitzen, das Pflaster beginnt erst ein Stück darunter. „Wenn
jemand kommt“, sagte ich ängstlich, doch er lachte nur: „Was meinst du,
warum du ein Einzelzimmer hast?“ Er hatte eine Reiseroute ausgearbeitet und
auf einem Stick mitgebracht. Bis zum Mittagessen sahen wir uns auf dem Tablet
die Route in Google Maps an und informierten uns über die Orte, die Fabian
ausgesucht hatte. „Ich glaube, das wird eine sehr interessante und vielseitige
Reise“, lobte ich ihn. Montag
früh sah ich mir Fabians Route noch einmal auf dem Tablet an und fand eine Änderung:
„Ich habe noch einen Punkt gefunden, den wir uns ansehen sollten“, schlug
ich vor, als er kam, „die Warm Springs Federation. Das ist ein Gebiet, das
Indianerstämmen gehört und von ihnen bewirtschaftet wird. Was meinst du
dazu?“ „Die Idee ist gut“, sagte er erfreut, „die indigenen Eingeborenen
kennen zu lernen, ist sicherlich eine wertvolle Erfahrung.“
Donnerstag
nach dem Frühstück zog ich mich an, packte meine Sachen und Fabian holte mich
ab. An der Rezeption wurde seine Kreditkarte mit dem restlichen Betrag belastet
und wir erhielten einen umfangreichen Bericht über meine Behandlung.
Fabian
Gegen
12 Uhr erreichten wir das Historic Chateau am Silver Lake. Wir bekamen ein geräumiges
Zimmer mit Bad und bewunderten vom Balkon die Aussicht auf den Mt. St. Helens.
Faszinierend ist der direkte Blick in den Krater und auf den Spirit Lake, in dem
noch immer die vom Ausbruch gefällten Baumstämme schwimmen. Wir
hätten uns noch weiter mit dem Vulkan beschäftigen können, doch das
verschoben wir auf morgen, denn uns beide lockte das innige Miteinander, das wir
schon 16 Tage entbehrt hatten. Meine Geliebte entschied einfach, dass sie
inzwischen kräftig genug sei, Es war wunderschön wie beim ersten Mal in
Weimar.
Dienstag
fuhr ich 160 Kilometer über den Highway 26 zum Warm Springs-Resort, wo ich ein
Zimmer für zwei Nächte gebucht hatte. Das Hotel liegt direkt am Fluss und wir
bekamen ein komfortables Zimmer mit Bad und Balkon. Das Haus hat einen
Wellnessbereich, in dem auch Massagen angeboten werden. Das reizte uns, so dass
wir beschlossen, den Nachmittag hier zu bleiben und uns erst morgen mit den
nativen Indianern zu beschäftigen. Zunächst badeten wir in den heißen Quellen
und dem Wasserpark, dann meldeten wir uns zur Ganzkörpermassage für ein Paar
an. Wir lagen nackt nebeneinander auf einer breiten Unterlage, zwei
Indianerinnen massierten uns. Zuerst lag ich auf dem Bauch und die Masseurin
griff mir bei der Massage der Gesäßmuskeln tief in die Pospalte. Als ich mich
auf den Rücken drehen musste, ging sie bei den Innenseiten der Oberschenkel
mehrmals bis an die Hoden, was mich sichtbar erregte. Leider schien sie das
nicht zu interessieren, sie berührte „ihn“ nicht direkt. „Schade!“,
dachte ich.
Als
ich zu Dagmar schaute, sah ich, dass ihre Masseurin ähnlich unbekümmert ihre
Pospalte durchzog, ihre Brüste knetete und ihr tief in die Vulva griff.
Grinsend beobachtete sie die Auferstehung meines Fleisches. Nach der Massage
ruhten wir eine Stunde auf den Liegen Als Dagmar erzählte, dass sie meine
Erektion beobachtet hatte, lachte ich, die Masseurin sei ja leider nicht
konsequent gewesen. „Na, ja“, meinte meine Gefährtin, „es wäre mir nicht
so recht, wenn jetzt eine fremde Frau meine Aufgabe übernimmt.“
Dagmar
Nach
gut der halben Strecke hatten wir gerade die Stadt Bent hinter uns gelassen, als
uns ein Pickup überholte und kurz vor uns abrupt bremste, Fabian konnte mit Mühe
das Auffahren vermeiden. Zwei Männer sprangen heraus und liefen mit Pistolen in
der Hand auf uns zu. Doch Fabian hatte den Lincoln schon ein Stück zurückgesetzt
und fuhr geradeswegs auf sie zu, sie konnten nur knapp zur Seite springen. Dann
fuhr er so über die leere Straße, dass sie etwa 200 Meter hinter uns blieben,
unser Wagen war viel kräftiger als ihrer. „Ruf‘ die Polizei über 911
an“, bat er mich und ich schilderte unsere Lage und die Kilometeranzeige. Ein
Einsatzwagen würde uns entgegen kommen, sagte der Beamte und es dauerte nicht
lange, bis wir ihn sahen. Hinter uns stellte er sich quer auf die Straße und
als der Pickup bremste, waren die Polizisten schon mit Revolvern an den Türen
und nahmen die Männer fest. Das sei schon der zweite Überfall, meinten sie,
als sie unsere Aussage aufnahmen und uns dankten, dass wir ihnen die Gauner so
gut geliefert hatten. Auf die Frage, wo sie uns erreichen könnten, nannte ich
das nächste Hotel und unsere Handynummer. „Gut, dass du gefahren bist, ich hätte
bestimmt nicht so schnell reagiert“, lobte ich Nach dem Frühstück machten
wir uns mit einer genauen Karte auf den Weg. Wir fuhren, hielten an, schauten
und staunten. Von einem Parkplatz liefen wir einen markierten Weg in den Wald
hinein, es war unwahrscheinlich. Die Bäume sind riesig hoch und haben einen
sagenhaften Umfang. So etwas hatten wir noch nie gesehen und wir vergaßen völlig
das Mittagessen. Zum Glück hatten wir eine Packung Studentenfutter dabei, das
wir mit frischem Wasser aus einem Bach verzehrten. Dann schwammen wir eine Weile
nackt im Bach, wo uns niemand sehen konnte. Erst spät rissen wir uns los und
fuhren zurück. Weil wir im Wald kaum etwas gegessen hatten, ließen wir uns vom
Hotelier ein Restaurant am Ufer empfehlen, zu dem wir eine Viertelstunde laufen
mussten. Es war noch früh genug, wir bekamen einen guten Platz und genossen ein
vorzügliches Fischmenü mit Weißwein. Gut gesättigt gingen wir zurück und
ließen den Tag, der uns so viel Schönes geschenkt hatte, in inniger
Gemeinschaft ausklingen.
Fabian
Als
wir an einem Flüsschen anhielten, um zu baden, sahen wir eine junge Frau mit
zwei Kindern nackend baden. Das ist in diesem Land selten, aber wir taten es
ihnen natürlich gleich. Nach dem Bad lagen wir nebeneinander am Strand und
unterhielten uns. Auf unsere Frage bedauerte die Frau, dass sie, um nackend
baden zu können, solch eine einsame Gegend aufsuchen müssen.
Nach
dem Einchecken aßen wir in der Stadt und liefen zum Old Faithfull Geysir, der
stündlich eine 20 m hohe Fontäne in den Himmel spuckt. „So etwas habe ich
noch nie gesehen, danke dass du mir das zeigst“, schwärmte Dagmar.
Am
frühen Abend erreichten wir Sacramento, wo ich im Hyatt ein Zimmer mit Blick
auf das Capitol gebucht hatte. Am nächsten Morgen besichtigten wir zuerst das
Capitol direkt gegenüber, es ist der Regierungssitz von Kalifornien. Dann
wandten wir uns in das hübsche Zentrum „Old Town“. Wir sahen das Pionier-
und das Railroad Museum, eines der besten Eisenbahnmuseen der USA. Auf einer
Tafel lasen wir die Geschichte der Stadt: „Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen
Krieg von 1846/48 wurde Kalifornien amerikanisch und Sacramento entstand als
Goldgräbersiedlung an der Mündung des American River in den Sacramento. 1854
wurde Sacramento zur Hauptstadt des Bundesstaats Kalifornien erklärt.“
Fabian
Weil
wir über die Golden Gate Bridge nach San Francisco fahren wollten, machten wir
einen Umweg über die 5 km lange Richmond-San Raffael Bridge. In der Stadt
lotste uns der Navi gut zum Frisco Comfort Hotel zwischen City und Hafen, wo wir
ein schönes, antik möbliertes Zimmer mit einem Kingsize-Bett bekamen. Nachdem
wir ausgepackt hatten, gingen wir essen, dann probierten wir das Bett aus. Wenn
wir auch unterwegs nicht auf die Liebe verzichten mussten, freuten wir uns jetzt
darauf, dieses komfortable Bett dafür zu nutzen. Leider stellten sich bei mir
Schwierigkeiten ein, nichts regte sich. Ich war verzweifelt und Dagmar fragte
mich, warum. Da sagte ich, dass ich mich schlecht fühlte, weil ich die für uns
beide so wunderbare körperliche Liebe nicht fortsetzen könne und mir wie
jemand vorkäme, der sein Versprechen nicht halten kann. Sehr ernst antwortete
meine Geliebte: „Begreif‘ endlich, dass ich dich als Menschen liebe und
nicht nur ein Körperteil von dir.“ Da war ich erleichtert und Dagmars zärtlicher
Finger half mir vollkommen, so dass wir doch noch zu einem zärtlichen
Miteinander kamen. Abends gingen wir zur Fisherman’s Wharf, einer Reihe alter
Hafenmolen. Wir schauten lange und entschieden uns schließlich für ein
Seafood-Restaurant, wo wir gut essen und trinken konnten. Erst spät waren wir
wieder im Hotel und kuschelten uns lange aneinander.
Dagmar
Sonntag
sahen wir die Stadt an. In San Francisco gibt es noch einige historische Straßenbahnen.
Da die Straßen sehr bergig sind, hat man dort zwischen den Schienen Kabel in
den Boden gelegt, die von einer Zentrale gesteuert werden und die Bahnen die
Berge herauf und herunter ziehen. Diese Cable Car Zentrale konnten wir am
Vormittag besichtigen und uns das Prinzip erklären lassen: Vom Wagen greift
eine Hebelstange durch einen Schlitz auf das sich im Kabelkanal der Straße mit
15 km/h von der Zentrale gezogene Kabel. Am Nachmittag machten wir eine
Stadtrundfahrt mit dem Bus, wobei wir die Innenstadt und das Chinesenviertel
interessant fanden.
Beides
sahen wir uns Montag zu Fuß an. Besonders das große Chinesenviertel, in dem es
alles zu kaufen gab, was irgendwie chinesisch aussieht, beeindruckte uns sehr.
Natürlich aßen wir hier Mittag und lernten die Dim Sum Körbe kennen, kleine
Bambuskörbchen, die zum Dämpfen aufeinander gestapelt werden In jedem befindet
sich ein Gitter aus Bambus, auf das die Speisen gelegt werden. Als wir an einer
Pharmacie vorbei kamen, ging Fabian hinein und fragte nach Viagra, vielleicht könnte
ihm das helfen. Das sei rezeptpflichtig, hieß es. Ich meinte, er solle den Blödsinn
lassen, doch er zeigte der Apothekerin seinen deutschen Pass und wies auf sein
Alter. Da ließ sie sich erweichen und verkaufte ihm eine Viererpackung. Am
Nachmittag besuchten wir einen Park mit einer naturkundlichen Sammlung, wo wir
das große Erdbeben auf einer beweglichen Plattform nachempfinden konnten.
Fabian
Donnerstag
früh wollte Dagmar den Lincoln aus der Hotelgarage holen, wo er sich fünf Tage
ausgeruht hatte, doch er sprang nicht an. Ich versuchte es auch erfolglos und
rief die hiesige Filiale der Mietwagenfirma an, die schnell einen Monteur
schickte. Leider hatte der auch keinen Erfolg und schlug nach Rücksprache mit
der Firma den Tausch des Wagens vor. Sie hätten allerdings keinen Lincoln,
sondern einen neueren Vignale, der ähnlich komfortabel sei. Am Mietpreis ändere
sich nichts. Wir erklärten uns einverstanden und schon nach 20 Minuten war der
Wagen da. Er sah in der Tat moderner und schnittiger aus als der alte Lincoln.
Die Aktion hatte den Vorteil für uns, dass wir kostenlos einen vollgetankten
Wagen bekamen.
Bei
den Yosemite Falls begnügten wir uns mit dem unteren Fall, dessen Wasser neben
einem steilen Weg 98 m tief fällt. Nach einem brauchbaren Mittag gönnten wir
uns eine Siesta, ich sagte Dagmar dass ich eine Viagra nehmen wolle, um mein
Problem zu lösen. Nach 20 Minuten streichelten wir uns und sofort hatte ich zum
ersten Mal seit langem wieder eine richtige Erektion. Dagmar staunte und es war
wunderschön, von ihrer Wärme umschlossen zu sein. Sehr schnell erlebten wir
beide einen vollkommenen Höhepunkt und mussten uns erst mal ausruhen. Dann
streichelte Dagmar mich ein wenig und sofort war „er“ wieder da. Zum Abend
orderten wir eine Hummersuppe mit Wein beim Roomservice. Als wir satt waren,
fanden wir uns im Bett wieder und ich war sofort wieder bereit. Zufrieden und glücklich
lagen wir noch eine Weile Arm in Arm, bis wir einschliefen.
Nach
dem Frühstück machten wir uns auf eine Rundfahrt durch den Park. Die größten
Bäume fanden wir im Giant Forest, vor allem die größte Sequoia überhaupt,
den General Sherman Tree. Er ist eingezäunt, so dass wir ihn nicht berühren
konnten, doch von einer Bank vor dem Zaun konnten wir seine ganze Pracht
bewundern. Der etwa 2.200 Jahre alte Mammutbaum ist 84 m hoch und hat einen
Basisdurchmesser von über 11 m. Der maximale Umfang am Boden beträgt 35 m,
sein Volumen 1.487 m3. Damit handelte es sich um den voluminösesten
Baum der Erde. Wir bewunderten den Riesen von allen Seiten, bevor wir auf der
Congress Loop zu weiteren mit Namen versehenen Mammutbäumen gingen, den Präsidenten-Baum
(der viertgrößte) und den Lincoln-Baum (der fünfte). Dann kamen wir an einen
Teich, in den ein Wasserfall sprudelt, und da wir alleine waren, gingen wir
nackt hinein, wir hatten ja keine Badesachen dabei.
Dagmar
Ein
Stück vor dem Sequoia Nationalpark Park nahmen wir im Lake Kaweah abseits der
Straße ein erfrischendes Bad und da wir allein auf weiter Flur waren, badeten
wir wieder nackt. Als wir zum Trocknen auf der Wiese lagen, begann Fabian, mich
zu streicheln. Ich hatte Bedenken, uns könne jemand sehen, doch er beruhigte
mich, er habe Angelica oft auf diese Weise geliebt, und es sei eine besondere
Atmosphäre. Da genoss ich das Beieinander ganz anders als im Bett. „Danke,
dass du mir diese schöne Erfahrung geschenkt hast“, sagte ich zu meinem
Geliebten.
Vor
dem Haus gibt es eine Feuerstelle mit ausreichendem Holzvorrat. Mittlerweile war
es dunkel genug, ein Lagerfeuer anzuzünden. Unter dem Nachthimmel mit tausenden
Sternen in das Feuer zu schauen, war schon die zweite neue Erfahrung für mich
an diesem Tag. Als Fabian nach einer Weile die Gitarre stimmte und das Lied
„Abendstille überall“, anstimmte, fiel ich gerne ein. Bis das Feuer um
Mitternacht herunter gebrannt war, sangen wir alle Lieder, die uns einfielen und
staunten, wie viele wir gemeinsam kannten. Zum Schluss sangen wir alle Strophen
des Claudiusliedes „Der Mond ist aufgegangen“ mit der Bitte um ruhigen
Schlaf. Noch einmal dankte ich dem Gefährten, für den wundervollen Abend. Dass
wir im Bett noch nicht gleich einschliefen, liegt auf der Hand. Da Fabian mit
diesem Abschluss des Tages rechnete, hatte er eine Viagra genommen und wieder
wirkte diese kleine blaue Pille Wunder, er war sofort voll da und der Zustand
ging nach der herrlichen Vereinigung überhaupt nicht zurück, so dass wir nach
einer Weile noch einmal zusammenfanden.
Fabian
Donnerstagvormittag
fuhren wir von Santa Barbara nach Los Angeles hinein und fanden schnell das
Holiday Inn. Da wir nicht mehr Auto fahren mussten, packten wir alles, was wir für
die letzte Nacht nicht mehr brauchten, in den Wagen und fuhren zum Flughafen, um
ihn dort ihn zurück zu geben. Rund 3.300 km waren wir gefahren. Unser Gepäck
gaben wir bei der Aufbewahrung ab, aßen Mittag und fuhren mit der U-Straßenbahn
bis fast vors Hotel. Nachdem wir uns ein bisschen ausgeruht hatten, gingen wir
bummeln. Am Broadway zwischen der 3rd und 8th Street glaubten wir uns nach
Mexiko versetzt, denn die Straße ist die Haupteinkaufsstraße der Latinos, die
40 % der Einwohner ausmachen. Entsprechend laut und temperamentvoll geht es auf
der Straße und den Nebenstraßen zu. Bei einem Goldhändler kaufte Fabian mir
einen hübschen Armreif.
Dagmar
Ich
hatte mir vorgenommen, meinen Reisebegleiter an diesem letzten Abend zu einem
festlichen Dinner einzuladen. Der Aufenthalt in den Staaten mit Hin- und Rückflug,
Hotels, Autos und Mahlzeiten hatte ihn viel Geld gekostet, dazu kamen 8.000,-
€ für meine Behandlung. Dafür wollte ich ihm mit einem besonderen Essen
danken und hatte im nahen Restaurant Chateau d‘Roy heimlich einen Tisch
reserviert. Zwei Stunden lang ließen wir uns ein exzellentes französisches
Diner mit erlesenem Wein schmecken. Mit einem Glas Champagner dankte ich dem
Geliebten für seine Fürsorge um meine Gesundheit und auch, dass er mir vier
Wochen lang dieses interessante Land gezeigt hatte. „Es war doch auch für
mich schön, das mit dir gemeinsam zu erleben“, sagte er gerührt und unsere
Lippen verschmolzen miteinander. Erst spät kamen wir ins Hotel zurück, wo wir
ausgiebig die letzte Nacht in Amerika feierten.
Fabian
Samstag
mussten wir früh aufstehen, checkten nach dem Frühstück aus und fuhren mit
der U-Straßenbahn zum Flughafen. In Frankfurt hatten wir an der Passkontrolle für
EU-Bürger ein typisches Erlebnis. Der Beamte fuhr mich barsch an, ich solle
einen Schritt zurücktreten, ich kam mir vor wie in den siebziger Jahren bei der
DDR-Grenzkontrolle. Als ich „Hoy“, sagte, fuhr der Mann mich wieder an, ob
ich ein Problem habe. Da rastete ich aus und sagte, mit deutschen Beamten wie
ihm hätte ich immer Probleme. Er scannte den Pass und knallte ihn auf die
Pultplatte. Dann fuhr er Dagmar ebenso an, sie solle zurücktreten, im Gegensatz
zu mir sagte sie nichts.
Fabian
Während
ich meine Mails und Finanzen prüfte, googelte Dagmar auf ihrem Tablet und rief
mich aufgeregt zu sich. Unter „Impotenz“ hatte sie unter verschiedenen
Ursachen den Namen eines Magenmittels gesehen und dieses Mittel in meinem
Medizinschrank gefunden. Ich war überrascht und dankte ihr herzlich. „Mensch,
da hätte ich Idiot auch drauf kommen können“, beschimpfte ich mich, „und
ich dachte, ich sei inzwischen zu alt für die Liebe geworden.“ Ich rief
gleich meinen Hausarzt an und bekam einen Termin für den Nachmittag. „Das
muss gefeiert werden“, rief ich, „ich lade dich zu einem Festmahl ein, das
ich bereiten werde. Was hältst du von einer Lammschulter in Gorgonzolasoße?“
Ich
hatte noch mal über die Magentabletten nachgedacht und mir wurde klar, warum
mein Problem erst nach Seattle auftrat. Bis dahin hatte ich den Rest des alten
Medikaments aufgebraucht und erst danach die neuen Pillen genommen, die mein
Arzt mir als besser verträglich empfohlen hatte. Entweder wusste er nichts von
den Potenzproblemen oder er hatte angenommen, dass das bei mir keine Rolle mehr
spielen würde. Als ich ihm das am Nachmittag sagte, entschuldigte er sich und
verschrieb mir wieder das alte Mittel. „Sie sind schon lange mit einer
Vorsorgeuntersuchung dran, wollen wir sie gleich machen?“, fragte er und ich
stimmte zu, Er sonografierte meinen Bauchraum, griff mir in den Hintern, ich
musste Urin abgeben und die Schwester füllte drei Ampullen mit meinem Blut.
Nachmittags rief mein Arzt an, mein PSA-Wert sei extrem hoch, ich müsse einen
Urologen zur näheren Untersuchung aufsuchen.
Dagmar
Da
wir wussten, dass wir unsere schöne Gemeinschaft unbedingt fortsetzen wollten,
mussten wir uns entscheiden, ob wir Mannheim oder Weimar als Lebensstandort wählen.
Fabian kannte ein Verfahren zur
objektiven Entscheidungsfindung, bei dem jeder seine Ziele mit Gewichtung
in eine Tabelle schreibt. Dann bewerteten wir die Erfüllung der Ziele durch die
beiden Varianten zwischen 0 und 10, bestimmten gemeinsam die Erfüllungswerte
und bildeten die Produkte und Summen. „Schau“, sagte Fabian überrascht,
„der Unterschied in der Erfüllung beträgt nur fünf Punkte, das sind 0,5 %.
Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass es gleich ist, ob wir in Mannheim
oder hier leben. Was machen wir nun?“ „Ja, das hat also nichts gebracht“,
antwortete ich nachdenklich, „aber vielleicht ist das ein versteckter Hinweis
auf eine weitere Möglichkeit: Ich muss offen sagen, dass ich mein Haus nicht
gerne aufgeben würde und ich denke, bei dir wird es ähnlich sein. Lass‘ uns
vorläufig beide Häuser behalten und je nach Gusto mal hier und mal dort leben.
Leisten können wir es uns und vielleicht fällt uns im Laufe der Zeit etwas
Besseres ein.“
Fabian
„Ja,
so wollen wir es halten“, rief ich, „dann müssen wir unsere Häuser so
herrichten, dass jeder genug Raum zum Arbeiten hat, oder auch, um sich mal zurück
zu ziehen. Bei mir kannst du dir das übrige Kinderzimmer einrichten und hier
hast du mir ja schon dein Arbeitszimmer angeboten und willst ins Gästezimmer
umziehen. Ich denke, damit sollten wir morgen anfangen und in Mannheim gleich,
wenn wir wieder dort sind.“ Ich überlegte, bevor ich weitersprach: „Jetzt müssen
wir nur noch über die Form unserer Gemeinschaft nachdenken. Heiraten würde nur
beim Tode eines von uns beiden etwas bringen, weil der Überlebende dann
mindestens den Ehegattenpflichtteil von 25 % bekommt. Meinetwegen müssen wir
unseren Kindern das nicht antun, was meinst du?“ „Ich bin derselben
Meinung“, antwortete Dagmar, „lass‘ uns also in wilder Ehe weiterleben.
Auch ohne Trauschein will ich dich lieben, bis der Tod uns scheidet.“ Da
umarmte und küsste ich meine Geliebte. „Danke, das will ich auch“, flüsterte
ich ihr ins Ohr, als mein Mund wieder frei war.
Dagmar
Montag
schauten wir uns das Kinderzimmer an, das ich bekommen soll. „Ein Schreibtisch
wird dir sicherlich genügen, was brauchst du sonst noch?“, fragte Fabian. Ich
überlegte „Auf jeden Fall brauche ich Stühle, dazu könnten ein kleiner
Tisch und ein Sofa nicht schaden. Er war sofort einverstanden und schlug vor:
„Lass uns morgen Nachmittag zu Ikea fahren und die Sachen kaufen.“ In seinem
Mailaccount fand er die Bitte seines Vermittlers um Rückruf. Er solle ihn möglichst
bald in Frankfurt aufsuchen, sagte der. Er könne einen Angebotsvergleich für
die kroatische Stromversorgung machen und wenn er wolle, müsse er die Bewerbung
unterschreiben. Sie einigten sich auf Mittwoch und ich wollte gerne mitkommen.
Fabian
Mein
Vermittler zeigte mir die Ausschreibung und einen Netzplan mit den Kraftwerken,
den Kuppelstellen zum Verbund und den geplanten erneuerbaren Energieparks und
berichtete, fünf Firmen würden Angebote für die neue Leitstelle abgeben.
Termin sei der 31 August. Wie ich vermutet hatte, ging es um den Abgleich der
aufgrund des EU-Zuschusses stark anwachsenden erneuerbaren Energien mit der
konventionellen Erzeugung und dem Bezug, Meine potentielle Beratungstätigkeit
soll Angebote für den leittechnischen Teil bewerten. Dazu gehören die Planung
eines Hard- und Softwaresystems für eine neue Lastverteilung zur Einstellung
optimaler Erzeugungs- und Bezugsbedingungen und die fernwirktechnische Anbindung
der Erzeugungsanlagen und Übergabestellen. „Wollen Sie das übernehmen?“,
fragte der Vermittler, „die Bewerbung muss bis Montag in Brüssel sein.“
„Geben Sie mir die Unterlagen und lassen mir eine Stunde Zeit“, antwortete
ich und setzte mich mit Dagmar in ein Café. Bei Cappuccino und Croissant
studierte ich die Ausschreibung und verglich sie mit dem Netzplan. Nach dem
dritten Cappuccino wusste ich, dass ich diese Aufgabe lösen kann. Wir gingen
zurück und ich gab dem Vermittler meine vorbereitete Bewerbung, den Aufwand schätzte
ich auf zwanzig Tage. Nachdem ich die Bewerbung unterschrieben hatte, waren wir
frei.
Dagmar
Samstag
rief die Leiterin der Bibliothek an. Sie hätten in Neckarau Personalprobleme,
ob ich Lust hätte, dort auf der Basis von 450 Euro auszuhelfen. Ich wies darauf
hin, dass für diesen Betrag nur 25 Stunden im Monat arbeiten würde. „Ich
werde mit dem Personalreferenten darüber sprechen“, antwortete sie, „haben
Sie denn grundsätzlich Lust zu dieser Tätigkeit?“ Weil Fabian viel an seinem
Notebook arbeitete, sagte ich unter der Bedingung zu, dass meine Reisetätigkeit
dadurch nicht eingeschränkt würde. „Fein, da hast du eine Beschäftigung,
wenn ich am Notebook für Kroatien arbeite“, lobte Fabian meinen Entschluss,
dann arbeitete er weiter an seinen Vorbereitungen. Erst zum Abendbrot machte er
Schluss.
Nach
dem ausgiebigen Frühstück arbeitete Fabian weiter für den potentiellen
Auftrag. Dabei fiel ihm ein, dass Janine bei der EU beschäftigt ist, vielleicht
könnte sie ja die anderen Bewerber für den Vergleichsauftrag und ihre Preise
ermitteln. Ich meinte, das sei doch illegal, was ihm völlig klar war. Er will
abends sehen, wie illegal seine Tochter für ihren Vater sein kann. Ich fand
eine umfangreiche Webseite der Mannheimer Bibliothek und bereitete mich auf
meine Aufgabe vor.
Fabian
In
der Radiologie wurde ich drei Stunden intensiv untersucht. nach einer CT
erfolgten ein MRT und ein Knochenszintigramm. Als ich zu Hause war, rief Janine
an und berichtete unter dem Siegel der Verschwiegenheit, ich hätte den Auftrag
für Kroatien bekommen. Ich dankte ihr, nichts anderes hatte ich erwartet. Bald
klingelte auch der Briefträger mit einem Umschlag, der für den Briefkasten zu
dick war. Gespannt öffnete ich die Sendung, sie enthielt den offiziellen
Auftrag der EU, die fünf Angebote für ein von ihnen finanziertes
Leittechnikprojekt in Kroatien gemäß meiner Bewerbung zu prüfen und eine
Empfehlung abzugeben. Die Bewertungsunterlagen seien mit einer Beschreibung
meiner Arbeitsweise unverzüglich an die EU zu senden. Am Morgen des 31. August
solle ich mich bei den Fachleuten und einem EU-Beamten in Zagreb vorstellen und
gemeinsam mit ihnen die Angebote auswerten. Nach Gesprächen mit den Bietern hätte
ich bis zum 23.9. meine Bewertung zu erstellen und mit den Fachleuten
abzustimmen. Dabei lag die Ausschreibung, die ich schon kannte. Dagmar und ich müssen
also in zwölf Tagen nach Kroatien aufbrechen.
Freitag
informierte der Urologe mich: Ich habe in der Tat einen Krebsknoten in der
Prostata, der aber noch nicht durchgebrochen ist. Auch Metastasen haben sich
nicht gebildet. Er empfiehlt die Bestrahlung, da eine Operation zu Impotenz und
sogar Inkontinenz führen kann. Wegen unserer Kroatienreise ist das erst Ende
September möglich und er hat am 28. 9. einen Termin für mich beim Institut für
Klinische Radiologie und Nuklearmedizin im Universitätsklinikum vereinbart. Um
die Zeit zu überbrücken, verschreibt er mir Hormonpillen, die die
Testosteronproduktion hemmt, denn dies Hormon ist für den Krebs verantwortlich,
leider auch für die Potenz. „Es kann sein, dass wir dadurch wieder Probleme
haben“, sagte ich zu Dagmar, aber sie tröstete ich mich: „Warten wir es ab,
ich habe dir doch schon in den Staaten etwas dazu gesagt.“
In
den Tabellen für den Angebotsvergleich versah ich die einzelnen Anforderungen
der Ausschreibung mit Gewichtungen. Für die Kosten brachte ich das Verhältnis
der einzelnen Angebotskosten zu dem mittleren Kostenwert aller Angebote als
negativen Wert in die Bewertung ein und sah 25 % dafür vor. Diese Tabellen
schickte ich an die EU. Bei Croatia Airways buchte ich für den 30.8. zwei Plätze
um 18 Uhr von Frankfurt nach Zagreb und den Rückflug für den 24.9. Im Hotel Šibenik
reservierte ich ein Doppelzimmer für diese Zeit.
Dagmar
Als
ich nach Hause kam, beschäftigten wir uns mit Kroatien, wo wir schon bald vier
Wochen lang sein werden. Den ganzen Tag arbeitete Fabian noch intensiv für den
Kroatienauftrag, um, wie er sagte, mit der Materie voll vertraut zu sein, wenn
am Montag die Besprechungen mit den Fachleuten losgingen. Währenddessen
versuchte ich mich recht erfolgreich an einem Lammragout, das ich im
Gefrierschrank fand.
Fabian
Nach
dem Frühstück verabschiedete ich mich von Dagmar und fuhr in einer Taxe zum
Stromversorgungs-Unternehmen. Der Chef und die Sachbearbeiter begrüßten mich
und kurz danach auch der EU-Beamte, der sich zu meiner Überraschung als
attraktive Frau von Mitte dreißig entpuppte. Sie hatte eine sagenhafte Figur
und trug ihre langen blonden Haare offen über dem eleganten dunkelblauen
Hosenanzug. Als Schmuck trug sie einen großen unregelmäßig geschnittenen,
leicht in Gold gefassten Opal am linken Ohr und einen ähnlichen Ring. „Magdalena
Hölzl, Master of Business and Engineering“, stand auf ihrer Visitenkarte.
Mit
den Worten „Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen“, eröffnete Frau Hölzl die
Besprechung. „Bei uns ist es üblich, einander mit Vornamen anzureden, aber
natürlich beim ‚Sie‘ zu bleiben. Das ist eine amerikanische Sitte und ich fände
es gut, wenn wir es ebenso halten. Wenn Sie einverstanden sind, können wir
anfangen.“ Sie öffnete die fünf Angebote und ließ sie kopieren, so dass
jeder eines vor sich hatte. Dann war es an mir, die Arbeitsweise zu erklären.
Da ich sah, dass jeder die vorbereiteten Tabellen hatte, beschränkte ich mich
auf eine kurze Erläuterung des Verfahrens und empfahl, die von mir eingetragene
Gewichtung der einzelnen Anforderungen gemeinsam zu prüfen. Jeder solle das
erste Angebot alleine durchlesen, um mit der gebotenen Lösung vertraut zu
werden. Danach sollten wir die Bewertung der angebotenen Eigenschaften in die
Tabellen eintragen. Wir hätten pro Anbieter zwei Tage Zeit. Der Vorschlag wurde
angenommen und jeder nahm sich das erste Angebot vor.
Dagmar
Beim
Essen wollte ich natürlich wissen, wie Fabians Tag verlaufen sei, und wunderte
mich, wie begeistert er von der EU-Beamtin berichtete, deren Fachkenntnis seine
Aufgabe erleichtere. „Da bin ich gespannt, ob ich die Dame mal zu Gesicht
bekommen werde“, lachte ich und er meinte, wahrscheinlich würde ich sie
morgen beim Frühstück sehen, denn sie wohne in unserem Hotel.
Beim
Frühstück kam die Dame wirklich an unseren Tisch und Fabian stellte uns
einander vor. Sie fragte nach meinem Alter und staunte, als ich es nannte.
„Ich habe Sie höchstens auf sechzig geschätzt“, sagte sie. Da wagte ich,
sie nach ihrem Alter zu fragen und staunte ebenfalls, als sie sich mit
neununddreißig outete, sie sah wie Anfang dreißig aus. Nur ungern lasse ich
Fabian mit ihr ziehen, aber es muss ja sein.
Fabian
Der
zweite Arbeitstag verlief ähnlich wie gestern, das erste Angebot erfüllt die
Anforderungen nur knapp. Dagmar führte mich abends nach einer kurzen Ruhepause
in die nahe Kathedrale. Das Gotteshaus ist beeindruckend: An den Chor schließen
sich zwei Basilika-ähnliche Joche mit halbhohen Seitenschiffen und zur anderen
Seite vier schmalere Joche an. Vor einem Marienaltar sahen wir Frau Hölzl
kniend beten, das zeigte uns diese flotte Frau in einem ganz anderen Licht, sie
hatte nicht den geringsten katholischen Eindruck auf mich gemacht. Als wir zwei
Kerzen für unsere verstorbenen Lieben anzündeten und uns küssten, erhob sich
Frau Hölzl und fragte, ob wir auch katholisch seien. Es rührte sie, als wir
erklärten, wir täten das oft zum Andenken an unsere verstorbenen Partner, und
der Kuss gehöre dazu.
Dagmar
„Haben
Sie Lust, mit uns zum Abend zu essen?“, fragte ich die Frau, weil sie mich
immer stärker interessierte. Sie stimmte gerne zu und ich führte die beiden in
ein nettes Restaurant in der Nähe. Während wir ein schmackhaftes Carpaccio mit
Rotwein genossen, fragte unser Gast nach unserer Beziehung. In der Kirche habe
sie gehört, dass wir beide schon von geliebten Menschen Abschied nehmen
mussten, offenbar hätten wir jetzt einen neuen Anfang gefunden. Ich berichtete
kurz von meiner langen Ehe in Weimar, dann folgte Fabian mit Angelica und
leitete zum Computerclub über, wo wir uns gefunden und ineinander verliebt
hatten. „Ich hätte nie gedacht, dass man sich in Ihrem Alter noch verlieben
kann“, staunte Frau Hölzl, worauf wir beide lachend erwiderten, die Liebe in
unserem Alter sei in allen Aspekten noch ebenso schön und intensiv wie in der
Jugend. „Wirklich in allen Aspekten?“, fragte sie zweifelnd, worauf ich
offen antwortete: „Sie meinen, ob wir noch miteinander schlafen? Ja natürlich!
Wir tun es häufig und können gar nicht wieder aufhören, denn es ist
herrlich!“ Fabian war rot geworden, schien dann aber richtig stolz, als die
Frau uns gratulierte und etwas verlegen hinzufügte, sie beneide uns. „Ich
verstehe, dass dich diese Frau beeindruckt“, flüsterte ich meinem Geliebten
im Zimmer ins Ohr, „Sie scheint ein wertvoller Mensch zu sein. Aber jetzt bin
ich dran.“
Fabian
Mittwoch
früh kam Frau Hölzl wieder an unseren Tisch. „Ich habe im Internet
geforscht“, sagte sie, „und erstaunt festgestellt, wie viele Möglichkeiten
es für Menschen Ihres Alters gibt, einander kennen zu lernen. Dann habe ich
‚Sex im Alter‘ gegoogelt und noch mehr gestaunt, was darüber alles
geschrieben wird. Dagegen laufen in dem Dorf, aus dem ich komme, alle Witwen
schwarz gekleidet rum und niemand kann sich vorstellen, dass sie noch andere
Interessen als die Kirche haben.“ Lachend bestätigte Dagmar, was sie schon
gestern Abend gesagt hatte.
Das
zweite Angebot machte einen besseren Eindruck als das erste, wir lasen es
ebenfalls vormittags durch. Beim Mittagessen fragte ich Magdalena, warum sie
Dagmar und mich beneide, wie sie gestern in der Kathedrale gesagt hatte. „Die
Geschichte ist zu lang, um sie beim Kauen zu erzählen“, antwortete sie,
„und Ihre Partnerin sollte sie auch hören. Heute Abend möchte ich Sie beide
zum Essen einladen, da können wir drüber plaudern.“
Dagmar
Ich
freute mich über die Einladung und wir standen pünktlich in der Lobby.
„Haben Sie Lust auf einen Spaziergang?“ fragte Magdalena, „ich habe
gestern ein Thailändisches Restaurant mit einem guten Angebot gefunden.“ Sie
führte uns durch die Stadt zu einem exklusiv eingerichteten Thai. Die
Speisekarte war seitenlang. Als Vorspeise empfahl sie scharfe Garnelensuppe und
als Hauptgericht gegrillte Hähnchenschenkel in einer süßen Marinade, dazu
halbtrockenen Rotwein.
„Ich
habe neulich gesagt, dass ich Sie beneide“, begann sie nach der Vorspeise.
„Ich bin ja alt genug, um nicht allein im Leben zu stehen, andere Frauen haben
in meinem Alter schon halb erwachsene Kinder. Das hatten wir auch vor, mein
langjähriger Partner Frederic, ein Franzose und ich. Mit 37 bin ich noch jung
genug, dachte ich, habe eine gute Stellung und kann mir das Erziehungsjahr
leisten. Wir brauchten eine ganze Weile, bis es klappte, vielleicht war mein
Alter Schuld. Doch es spielte uns noch einen viel übleren Streich, der Embryo
hatte ein schweres Down-Syndrom und die Ärzte rieten uns zur Abtreibung.
Frederic war strikt dagegen, aber ich fühlte mich einfach nicht stark genug,
ein derart behindertes Kind groß zu ziehen, das ja ständige Betreuung braucht.
Ich stimmte den Ärzten zu und danach trennte sich Frederic von mir, er könne
als Christ nicht mit einer Mörderin zusammen leben. Ich bin ja auch gläubig
und als Sie mich neulich in der Kathedrale trafen, bat ich die Mutter Gottes um
Vergebung. Doch seit der Trennung habe ich es noch nicht wieder gewagt, mich auf
Dauer mit einem Mann einzulassen.“
Fabian
und ich waren stumm ob dieser tragischen Geschichte und fanden nur allmählich
wieder Worte. „Ich bin sicher, dass ich genauso gehandelt hätte“, sagte ich
leise und legte die Hand auf Magdalenas, die sie fest drückte. „Danke“,
antwortete sie ebenso leise. Das Honighuhn wurde serviert und meine Achtung vor
dieser Frau stieg ein ganzes Stück höher. Bisher hatte ich sie für ein
intelligentes Püppchen gehalten, jetzt sah ich sie mit völlig anderen Augen
als eine von tragischen Ereignissen hart geschmiedete wertvolle Frau, die auf
einen Schlag ihr Kind und den geliebten Mann verloren hatte. Auch Fabian schien
eine Weile nicht zu wissen, was er sagen sollte, dann fiel ihm etwas ein: „Sie
wissen ja, dass wir beide nach langer wundervoller Gemeinschaft unsere Partner
verloren haben. Aber gerade die Erinnerung, wie schön diese Gemeinschaft
gewesen ist, hat uns nicht Trübsal blasen lassen, sondern zu einem schönen
neuen Anfang ermutigt.“ Ich freute mich, diesen Worten konnte ich voll
zustimmen.
Die
Frau hatte schweigend zugehört und schwieg auch noch, als das Eis serviert
wurde. Doch dann bestellte sie drei Mekong-Whiskey, schaute uns beide mit Tränen
in ihren blauen Augen an und flüsterte: „Von Herzen danke ich euch beiden für
euer Verständnis und eure hilfreichen Worte. Euer Beispiel gibt mir wieder Mut,
mein Leben auch außerhalb der Arbeit in die Hand zu nehmen. Verzeiht, dass ich
euch einfach duze, aber ich kann jetzt nicht anders.“ Wir stießen mit den
Whiskeys an, sie zahlte und wir schlenderten zum Hotel zurück. Vor dem Aufzug
drückte sie ihre Wangen an unsere, wobei ich ihren Veilchenduft empfand.
„Deine Worte über unseren schönen neuen Anfang waren großartig, ich hoffe,
wir konnten ihr helfen“, sagte ich zu Fabian, bevor ich ihn ins Bett zog.
Fabian
Samstag
holte uns um 9 Uhr ein Kleinbus des Energieunternehmens ab. Nach zwei Stunden
erreichten wir nach einem steilen Abstieg über Serpentinen den Ort Senj, wo ein
Motorboot uns aufs Meer hinaus fuhr und vor einer kleinen Insel ankerte. Über
eine Leiter kamen wir ins Wasser und nach dem Schwimmen legten wir uns auf
Matten auf dem Deck, wobei Magdalena ungeniert den BH abstreifte und Dagmar
folgte, als sie meine bewundernden Blicke sah. Magdalena hatte hübsche kleine
Brüste mit dunklen Warzenhöfen, doch Dagmars etwas größere standen ihr kaum
nach. Als ich abends mit Dagmar zusammen war, spielten meine Gedanken plötzlich
verrückt, statt ihr fühlte ich Magdalenas kleine Brüste unter mir. Erst als
ich vom Gipfel herab fiel, wurde mir klar, dass ich meine Geliebte mit einer
anderen Frau betrogen hatte, zwar nur in Gedanken, aber auch das war schlimm
genug. Ich musste dringend Abstand von dieser Frau gewinnen, durfte sie nicht
mehr als interessante (verlockende) Frau sehen, sondern nur als einen – zufällig
weiblichen – EU-Beamten. Dagmar durfte ich diesen Fehltritt auf keinen Fall
beichten, es würde sie beleidigen und tief traurig machen. Jetzt musste ich ihr
gegenüber mit einem Geheimnis leben.
In
der nächsten Woche hörten ein Mann und eine Frau interessiert die wenigen
Beanstandungen des zweiten Angebots an und konnten teilweise missverständliche
Aussagen aufklären, bei andern Fragen holten sie telefonisch Entscheidungen über
mögliche Verbesserungen ein und versprachen, sie bis Montag ausführlich zu
dokumentieren. Demgegenüber war die Preisverhandlung nach dem Mittag ein zähes
Ringen. Unter Hinweis auf zahlreiche neue technische Lösungen versuchten sie,
den Preis unbedingt zu halten. Erst als Magdalena darauf hinwies, dass sie
wesentlich teurer seien als der der nächste, verließen sie den Raum, um wieder
ihre Firmenleitung anzurufen. Es wurde ein langes Gespräch, bis sie schließlich
mit einer Reduzierung um 5 % zurückkamen. Wegen der hohen Qualität des
Angebots gab Magdalena sich damit zufrieden.
Zwei
Tage später schlugen sich die Vertreter des Angebots fünf recht gut und
konnten ohne Nachfrage bei der Firma eine ganze Reihe Verbesserungen bieten.
Auch beim Preis hatten sie einen kleinen Spielraum, so dass sie insgesamt in die
Nähe des zweiten Angebots kamen. „Montag werden wir die verbesserten
Bewertungen noch einmal sorgfältig prüfen und unseren Vorschlag dann bis
Mittwoch niederschreiben “, sagte Magdalena, als die Gäste gegangen waren,
„jetzt wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende.“
Dagmar
Fabian
hatte mit mir vereinbart, Magdalena zum Abschluss der Gespräche einzuladen, und
sie war von dem eleganten Ambiente des Restaurant Vinodol beeindruckt. Nach
einem Garnelensalat als Vorspeise bestellte Fabian die Hausspezialität
Kalbfleisch unter der Glocke, während wir Frauen das Filet Mignon in
Gorgonzolasoße wählten. Dazu tranken wir eine Flasche Merlot aus Istrien. Der
Nachtisch war ein knuspriges Küchlein mit Fruchtfüllung, danach gab es noch
Mokka. „Zum Dank für dieses fantastische Menü möchte ich euch zu einem
Cognac einladen“, sagte Magdalena bewegt und als wir damit anstießen, dankte
sie Fabian für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bei dem Projekt, die sie
bisher selten so gut erlebt hätte.
Fabian
Dienstag
prüften wir unsere Bewertung des Angebots 5 ebenso akribisch wie gestern die
Nummer 2 und fanden bestätigt, dass es zwar gut ist, aber insgesamt 15 %
weniger Punkte gewonnen hat als das Beste. Ich verteilte meinen Berichtsentwurf,
in den nur noch die Punkte einzusetzen und eine Empfehlung zu geben waren.
„Wer ist der Adressat unseres Berichtes?“, fragte ich Magdalena Mittwoch
beim Frühstück. „Ganz klar die EU, denn sie hat die Studie in Auftrag
gegeben, Als ihr Vertreter habe ich aber nichts dagegen, wenn die Firma hier
unter Vorbehalt eine Kopie bekommt, damit sie sich schon auf die Arbeiten
einstellen kann.“ In der Besprechungsrunde hatten sich alle mit meinem Entwurf
für die Empfehlung beschäftigt, wir mussten nur noch die letzten
Bewertungsdaten eintragen. Bis zum Mittag waren wir damit fertig und Magdalena
und ich unterschrieben das Dokument. Nachdem es kopiert war, rief Magdalena den
Chef an und übergab ihm feierlich eine Kopie.
Dagmar
Das
Festmenü begann mit Champagner und einer Rede des Chefs, in der er für die
professionelle Arbeit dankte, die sein Unternehmen einen großen Schritt vorwärts
bringen würde. Fabian antwortete, er habe perfekte Arbeitsbedingungen und gute
Fachleute als Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, nur dadurch sei solch gutes
Ergebnis erreicht worden. Dann wandte er sich an Magdalena: „Deine
hervorragende Koordination unserer Arbeit hat wesentlich zu dem Erfolg
beigetragen, dafür möchte ich dir ganz besonders danken.“ Sie wurde rot und
ich musste lächeln. Wir tafelten ausgiebig und zum Abschied drückte der Chef
Fabian die Hand, während Magdalena ihm einen innigen Abschiedskuss gab, den die
ganze Gesellschaft beklatschte.
Donnerstag
standen wir früh auf, frühstückten gemütlich ohne Magdalena und nahmen eine
Taxe zum Flughafen. Der Flieger hob pünktlich ab, wir landeten um halb eins in
Frankfurt und kamen problemlos durch die Kontrolle und zu unserem Gepäck.
Dagmar
Freitag
weckte mich um 6 Uhr ein Anruf aus Weimar. Ob ich sofort kommen könne, fragte
mich der Koordinator des Netzwerks für Integration, sie sollten von den am
Wochenende erwarteten 20.000 Flüchtlingen 1.000 in der Stadt unterbringen. Sie
hätten zwar Räumlichkeiten, aber zu wenig Personal. Ich versprach zu kommen.
Fabian war wach geworden und ich fragte ihn, ob er gleich mit mir nach Weimar
fahren würde. „Ich muss Montag zur Radiologie und Dienstag zum Club, wir müssten
also übermorgen wieder zurück fahren“, überlegte er, „das lohnt sich
nicht.“ „Ich werde aber gebraucht“, insistierte ich. „Dann fahr‘ doch
alleine“, schlug er vor. „Das ist das erste Mal, dass du mich im Stich lässt“,
schimpfte ich verbittert, „diese Termine dürfen dir doch nicht wichtiger sein
als ich!“
Wütend
nahm ich mein Tablet, ich hatte auch meinen Stolz, fand einen Zug um 9:32,
buchte ihn über die Kreditkarte und packte meine wenigen Sachen ein, während
Fabian das Frühstück bereitete. Schweigend aßen wir, dann wollte ich eine
Taxe rufen. „Jetzt spinnst du“, sagte Fabian leise, „natürlich fahre ich
dich zum Bahnhof.“ Zum Abschied ließ ich mich nur auf die Wange küssen, doch
er sagte sanft „Ich wünsche dir viel Erfolg.“ Im Zug hatte ich Zeit
nachzudenken. Bisher war Fabian ein fürsorglicher Partner gewesen, der mir
jeden Wunsch von den Augen ablas, warum wollte er mir jetzt plötzlich nicht
helfen? Hatte ich mich in ihm getäuscht, als ich mich in ihn verliebte, ohne
lange nachzudenken? Aber wir hatten doch 18 herrliche Wochen miteinander gehabt
und er hat viel Geld für mich ausgegeben. Ich war so verbohrt in meinem Ärger,
dass ich zu keiner Lösung kam. Im Zug aß ich eine Kleinigkeit und erreichte
Weimar um 13 Uhr. Vom Bahnhof nahm ich eine Taxe zum Netzwerk, wo man mich
gleich einteilte, alles für die ab morgen erwarteten 1.000 Flüchtlinge zu
organisieren:
Fabian
Ich
hatte gemerkt, dass ich Dagmar verärgerte, aber da war der Radiologie-Termin
und ich wollte mich nicht schon wieder im Club vertreten lassen. Vielleicht hätte
ich sie unterstützen können, doch ich kenne weder die Stadt noch die Leute,
auf die es ankommt. Trotzdem tat es mir weh, sie enttäuscht zu haben, so lieb
wie sie mir ist. Das muss ich wieder gut machen. Auf der Rückfahrt vom Bahnhof
hörte ich im Radio, dass auch Mannheim weitere 1.100 Flüchtlinge aufnehmen
muss, die ersten 500 würden noch heute erwartet. Samstag und Sonntag sollten
jeweils 300 weitere folgen, die alle in einer ehemaligen Wohnsiedlung der
US-Streitkräfte in Käfertal untergebracht werden sollen. Da könnte ich mich
vielleicht nützlich machen, dachte ich und fuhr hin. Man teilte mich gleich
ein, Feldbetten in den Räumen aufzustellen und Decken zu verteilen.
Dagmar
Samstag
ging die Arbeit erst richtig los. Kurz nach 9 Uhr kam der erste Zug mit 500 Flüchtlingen
aus München und die Leute wurden mit Bussen zum Berufsschulgebäude gebracht.
Wir zeigten den Menschen ihre Betten und nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten
verstaut hatten, wurden die meisten in die Schulaula zur vorbereiteten Mahlzeit
geleitet. Einige, die sich zum Essen zu schmutzig fühlten, führte ich in
kleinen Gruppen zum Schwimmbad, wo sie mit Seife und Handtüchern versorgt
wurden. Als ich mit der zweiten Gruppe aus dem Bad kam, standen uns zehn
Neonazis gegenüber, die pöbelten, das Schwimmbad sei für Weimarer und nicht für
dreckige Kanaken gedacht. Ich versuchte, sie mit ein paar Worten zu beruhigen,
doch plötzlich fühlte ich einen Schlag gegen die Stirn und fiel zu Boden.
Fabian
Gegen
11 Uhr wurde ich auf dem Handy aus Weimar angerufen, Dagmar sei schwer verletzt
auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich verabschiedete mich und raste zum Bahnhof, wo
ich gerade noch den Zug um 11:32 kriegte. Im Zug rief ich die auf dem Handy
gespeicherte Nummer an und bat um nähere Information. Auf dem Weg zur
Unterkunft mit einer Gruppe Flüchtlinge sei sie von Neonazis mit einem Stein
beworfen worden, der eine schwere Kopfverletzung verursacht habe. Zurzeit werde
sie operiert. Die Flüchtlinge hätten den Steinwerfer festgehalten, bis die
Polizei kam. Das war jetzt eine neue Dimension, bisher hatten die Nazis sich mit
Verbalattacken begnügt. Kurz nach drei erreichte ich Weimar und nahm eine Taxe
zum Klinikum, wo ich mich zu Dagmar durchfragte. Ein spitzer Stein habe ein Loch
in die Stirn geschlagen und ein Schädel-Hirn-Trauma bewirkt. Zusätzlich habe
sie beim Sturz den rechten Oberschenkelhals gebrochen. In Operationen seien die
Kopfwunde geschlossen und eine Schenkelkopfprothese eingesetzt worden, da ein
derartiger Bruch in ihrem Alter nur schlecht heilt. Über den Zustand des
Gehirns lasse sich nichts sagen, denn sie habe ihr Bewusstsein noch nicht wieder
erlangt.
Ziemlich
verschlafen wachte ich am Sonntag um 8 Uhr auf, frühstückte und fuhr zur Flüchtlingsunterkunft,
wo gerade mehrere Busse mit 500 Flüchtlingen eintrafen. Ich käme gerade
richtig, sagte der Koordinator, ich solle Dagmars Tätigkeit von gestern
fortsetzen, den Menschen ihre Räume zeigen, und diejenigen, die sich waschen
wollen, zum Schwimmbad begleiten. Das tat ich den ganzen Vormittag über. Nach
dem Mittag wollte ich unbedingt wissen, wie es Dagmar geht, und fuhr zum
Klinikum.
Dagmar
Nebel
ist um mich herum, nur mühsam kriege ich die Augen auf. Ich liege in einem
Bett, das ich nicht kenne, in einem Zimmer, das ich nicht kenne, träume ich?
Warum kann ich den Kopf nicht drehen? Als ich ihn anfasse, fühle ich einen
Verband auf der Stirn und eine halbe Glatze, dazu eine Schiene im Nacken, die
das Bewegen verhindert. In der Nase habe ich ein Plastikstück, meine rechte Hüfte
schmerzt, auch hier fühle ich einen dicken Verband. Wo bin ich und was ist mit
mir geschehen? Nach einer Weile hörte ich eine weibliche Stimme: „Wie fühlen
Sie sich?“ „Wo bin ich und wer sind Sie?“, frage ich zurück. „Sie sind
im Klinikum und ich bin Ihre Ärztin“, höre ich die Frau sagen. „Warum bin
ich hier, was ist mit mir passiert?“, frage ich weiter. Jetzt beugte sich ein
weibliches Gesicht über mich, ich kann ihre blonden Haare erkennen. „Sie
haben gestern einen Stein gegen den Kopf bekommen und beim Sturz den
Oberschenkelhals gebrochen“, sagt sie. „Wir haben das Loch in ihrer Stirn
verschlossen und in den Oberschenkel ein Hüftkopfimplantat eingesetzt. Bisher
waren Sie bewusstlos und wir freuen uns, dass Sie jetzt aufgewacht sind. Können
Sie sich an irgendetwas erinnern?“
Nein,
das kann ich nicht, im Augenblick weiß ich noch nicht mal, wer ich bin.
„Wissen Sie, wie Sie heißen?“, fragt die Frau weiter, worauf ich traurig
erwidere: „Ich kann mich nicht erinnern, ich weiß weder, wer ich bin, noch
was mir passiert ist.“ Dann spricht die Frau: „Sie sind die Weimarer Bürgerin
Dr. Dagmar Petrenko, geboren am 15.07.1947 hier in Weimar, waren ihr ganzes
Berufsleben lang in der Anna-Amalie-Bibliothek tätig, sind seit 8 Jahren
pensioniert und wohnen in Mellingen Auf dem Anger 40.“ „Ich glaube nicht,
dass ich mir das alles merken kann“, antworte ich langsam, „warum weiß ich
es nicht? Es ist doch anscheinend mein Leben.“ „Wir lassen Sie jetzt eine
Weile alleine“, höre ich die Ärztin sagen, „wenn Sie etwas brauchen,
klingeln Sie.“ Ich denke über meine Lage nach, als es nach einer Weile
klopft. Ich weiß dass ich „Herein“ sagen muss, kann aber nicht sehen, wer
gekommen ist. Da höre ich eine bekannte Stimme: „Hallo, meine Liebe, ich
freue mich, wie gut es dir geht“, dann beugt sich ein männliches Gesicht über
mich, das mir bekannt vorkommt.
Fabian
Die
Ärztin hatte mich auf Dagmars Gedächtnisverlust vorbereitet und als ich sie
begrüßte, sah ich, wie es in ihr arbeitete. Nachdem sie mich eine Weile
fragend angesehen hatte, lief ein Lächeln über ihr Gesicht, dann fragte sie:
„Bist du Fabian, mein lieber Freund?“ „Ja“, rief ich erfreut, „du hast
mich erkannt“, und küsste sie leicht. „Wo wir so viel miteinander erlebt
haben, kann ich dich doch nicht vergessen“, antwortete sie und hielt meinen
Kopf fest, so dass wir uns richtig küssen konnten. „Ich glaube, du führst
mich in mein Leben zurück“, sagte sie langsam. „Ich sehe jetzt das
Schlafzimmer in meinem Haus, in dem wir uns geliebt haben, du bist ein wunderbar
zärtlicher Liebhaber.“ „Weißt du denn auch, warum wir hier in Weimar
sind?“ fragte ich und sie antwortete: „Da war irgendwas mit Flüchtlingen.“
Wieder sah ich es in ihr arbeiten, bis sie rief:
„Ja,
ich bin nach Weimar gefahren, weil sie mich bei der Flüchtlingsbetreuung
brauchten. Du bist leider nicht mitgekommen und ich war dir böse. Dann sind wir
mit Neonazis zusammengestoßen, denen ich etwas erklären wollte und plötzlich
bekam ich einen Schlag gegen den Kopf. Seitdem weiß ich nichts mehr.“ „Das
war ein spitzer Stein, der deinen Kopf beschädigt hat, und beim Sturz hast du
den Schenkelhals gebrochen. Du bist sofort operiert worden, dein Kopf heilt und
im Oberschenkel hast du ein Titanimplantat. Du musst wahrscheinlich schon morgen
aufstehen und das Bein belasten, dazu bekommst du Physiotherapie.“
Dagmar
Ich
bin froh, dass mein Geliebter bei mir ist und mir geholfen hat, meine Erinnerung
wieder zu gewinnen. „Entschuldige bitte, dass ich dich gestern so gemein
behandelt habe“, bat ich zerknirscht, doch er erwiderte, meine Aktion habe ihn
animiert, auch etwas für die Flüchtlinge zu tun und erzählte von seiner Idee,
Schüler der Oberstufe als Deutschlehrer einzusetzen.
Fabian
Als
ich am nächsten Tag ins Klinikum kam, fand ich einen Wagen des MDR vor der Tür
und ein Kamerateam vor Dagmars Zimmer. „Was haben Sie vor?“, fragte ich eine
Frau, die mir die Reporterin des Teams zu sein schien. „Wir haben die Flüchtlingsunterkunft
gefilmt und sowohl mit den Helfern als auch mit einigen Flüchtlingen
gesprochen. Dabei haben wir von dem feigen Anschlag auf Frau Dr. Petrenko gehört
und wollen sie unseren Zuschauern vorstellen, doch im Moment dürfen wir noch
nicht rein, weil sie behandelt wird. Wer sind Sie denn?“ Ich stellte mich als
Dagmars Lebensgefährte vor, was auf großes Interesse bei der Dame stieß, sie
wollte alles über unsere Beziehung wissen. Ich hatte kein Problem, Einzelheiten
zu berichten, worauf sie meinte, dass sei außerordentlich interessant. Ihr
Sender stelle eine Serie über das Leben von Senioren zusammen, dazu gehöre
auch der Sex im Alter. Ob ich bereit wäre, dabei mitzumachen. Ich antwortete,
das komme darauf an, was meine Gefährtin davon halte.
Dagmar
Bald
kam Schwester Elina und holte mich, ich solle mit den beiden Stöcken zur
Physiotherapie gehen. Fabian beschied sie, es würde wohl den ganzen Nachmittag
dauern, er müsse jetzt gehen und am besten morgen früh wiederkommen. Mit einem
zarten Kuss verabschiedete er sich von mir, dann ging ich unter Aufsicht der
Schwester los. Es klappte überraschend gut, selbst der Aufzug bereitete mir
keine Schwierigkeit. Bei der Physiotherapie musste ich nach Anleitung der
Therapeutin das Bein immer wieder vorsichtig in allen Richtungen bewegen, bis
ich ziemlich erschöpft war und nicht mehr konnte. Als mich die Schwester
abholte, wunderte ich mich, dass ich besser laufen konnte als vorher. Doch die
Anstrengung hatte mich so ermüdet, dass ich gleich nach dem Abendessen
einschlief.
Aus Kapitel
12 „Fernsehen"
Fabian
Mittwoch
früh fuhr ich zur Klinik und kurz nachdem wir uns zärtlich begrüßt hatten,
kam die Reporterin des MDR mit einem Redakteur. Sie zeigten uns das Video mit
der Sendung ‚MDR aktuell‘ von vorgestern, in der sie über die Flüchtlingsunterkunft
berichtet und Dagmar hier in der Klinik gefilmt hatten. Dagmar freute sich, die
Unterkunft mit den Flüchtlingen zu sehen. Dann sagten sie, sie planten eine
Serie über das Leben von Senioren, dabei sei auch ein Teil über Sex im Alter
vorgesehen. Inzwischen habe es sich herum gesprochen, dass auch Menschen in
unserem Alter noch ein erfülltes Sexualleben haben, ob wir das bestätigen könnten.
„Aber natürlich!“, rief Dagmar, „wir sind doch normale Menschen mit natürlichen
Bedürfnissen.“
Dagmar
„Genau
das brauchen wir für unsere Sendung“, sagte der Redakteur, „wieviel sind
Sie denn bereit, davon der Öffentlichkeit preiszugeben?“ „Na ja, wir müssen
kein Lehrbuch der Sexualität zusammenstellen, das heißt, die detaillierte
Beschreibung der benutzten Körperteile sollten wir aussparen. Aber darüber
hinaus haben wir kein Problem, unsere erfüllte Erotik von Anfang an offen
darzustellen“, erwiderte ich und schaute Fabian an, der zustimmend nickte.
„Wie
bauen wir das Feature auf?“, fragte der Redakteur seine Kollegin. „Als
Einleitung lassen wir einen Arzt sprechen, dass für ältere Menschen eine
Paarbeziehung gesund ist und viele von ihnen genauso viel Sex haben wie jüngere.
Dann würde ich die erste Begegnung im Senioren-Computerclub darstellen und den
Kauf des Tablets. Als nächstes kommt der Unterricht im Haus in Mannheim mit dem
ersten Kuss und eine Andeutung der zärtlichen Begegnung. Ich würde dann die
Begrüßung am Bahnhof hier in Weimar zeigen und einen züchtigen Blick auf die
beiden im hiesigen Schlafzimmer. Die weiteren Ereignisse sollten wir hier
abfragen, und wenn wir nach Mannheim kommen, auch in Herrn Tiemanns Haus. Wir können
die Gespräche hier und dort abwechselnd darstellen. Auf jeden Fall sind die
Potenzprobleme wichtig und die Reaktion der Partnerin, denn das ist bei älteren
Männern häufig.“
Fabian
„Ich
bewundere Sie“, sagte die Reporterin, „so offen wie mit ihnen könnte ich
mit meinen Eltern nicht über das Thema Sexualität sprechen. Ich bin mir nicht
sicher, ob es noch Sex zwischen ihnen gibt.“ „Dann ist Ihre Sendung ja
gerade richtig für Ihre Eltern“, lachte ich, „meine verstorbene Frau und
ich hatten nie ein Problem, mit unseren Kindern darüber zu sprechen, sie hat
unserer fünfzehnjährigen Tochter sogar angeboten, die Pille zu besorgen, wenn
sie sie braucht, und sie ist mit 17 darauf zurückgekommen. Ein paar Wochen später
hat sie stolz verkündet, sie sei jetzt eine Frau, und wir haben ihr dazu
gratuliert und einen Schmuck geschenkt. Wie ich Dagmars Tochter in Amerika
erlebt habe, denke ich, dass es in ihrer Familie ähnlich war.“ „Ich danke
Ihnen für das Gespräch, leider sind viele Menschen nicht so offen wie Sie
beide“, meinte die Reporterin, und ihr Kollege fügte hinzu: „Ich freue mich
darauf, diese Sendung mit ihnen zu machen.“
Montag
spülten wir gerade das Geschirr, als der Übertragungswagen des MDR vor der Tür
stand. Der Redakteur, die Reporterin, eine Kamerafrau, ein Beleuchter und ein
Mikrofonmann drängten ins Haus, wir baten alle ins Wohnzimmer. „Hier in
Weimar haben wir drei Szenarien“, begann die Reporterin, „die harmonische
Szene mit Ihnen beiden im Bett, umfangreiche Interviews in verschiedenen Räumen
des Hauses und die Begrüßung am Bahnhof. Gönnen Sie uns einen kurzen
Rundgang, damit wir entscheiden könne, wo wir drehen? „OK, kommen Sie“,
rief Dagmar und führte die ganze Gesellschaft durchs Haus.
„Jetzt
weiß ich Bescheid“, sagte die Reporterin, „am liebsten würde ich als
Erstes die kurze Schlafzimmerszene drehen. Ich stelle mir vor, dass Sie beide
zugedeckt im Bett liegen und sich umarmen. Sie sollten möglichst einen
unbekleideten Rücken zeigen, während von ihrer Frau nur das Gesicht zu sehen
sein wird, an das sie Ihre Wange drücken. Einverstanden?“ Da Dagmar nickte,
zogen wir alle ins Schlafzimmer, wir beide zogen die Schuhe aus und ich machte
den Ober-körper frei, dann krochen wir unter die Bettdecke.
Dagmar
Obwohl
ich voll bekleidet war, fühlte ich mich irgendwie blöd, zwar unter der
Bettdecke, aber vor der Kamera im hellen Scheinwerferlicht mit Fabian zu
schmusen. Doch er beugte sich ungeniert über mich und schmiegte seine Wange an
meine, dann ließ er es nicht beim Aneinanderschmiegen der Wangen, sondern
strich mir zärtlich über die Haare, bis die Reporterin „Stopp!“, rief.
„Das war gut“, lobte sie uns und wir durften aufstehen und uns wieder
anziehen, bei mir waren es ja nur die Schuhe. „Jetzt sollten wir im Wohnzimmer
das Interview aufnehmen“, befahl sie und wir gingen nach unten. Wir mussten
uns nebeneinander setzen und sie sagte, das langsame Näherkommen sei ja in
Mannheim geschehen und würde dort gedreht, deshalb gehe sie hier schon von
einer herzlichen Bekanntschaft aus. Da wir aber berichtet hatten, dass wir erst
hier vollkommen zueinander gefunden hätten, würde sie jetzt damit beginnen, ob
wir gleich ins Bett gegangen wären. „Na hören Sie mal, wir sind doch keine
Tiere“, antwortete ich, „natürlich sehnten wir uns beide danach, aber da
wir uns in Mannheim nur vorsichtig kennen gelernt und dann zwei Tagen nicht
gesehen hatten, mussten wir hier die Nähe behutsam wieder aufbauen.“ „Dazu
möchte ich anmerken, dass ich mit meiner verstorbenen Frau ein ganzes Jahr
gebraucht habe, bis wir miteinander schliefen“, fügte Fabian hinzu. „Diese
innige körperliche Nähe, dies tiefe Erkennen des geliebten Menschen, wie es
die Bibel nennt, muss sehr behutsam aufgebaut werden, denn danach ist zwischen
den beiden nichts mehr, wie es vorher war.“
„Haben
Sie sich schon mal gestritten?“, wollte die Reporterin wissen. „Ja“,
antwortete ich, „und zwar ziemlich heftig vor anderthalb Wochen.“ Dann erläuterte
ich als Grund meinen Ruf nach Weimar und Fabians Weigerung, mich zu begleiten.
Fabian ergänzte meine Worte, dass er keinen Grund gesehen habe, nach Weimar zu
fahren, aber meinen dortigen Einsatz als Aufforderung angesehen hatte, in
Mannheim dasselbe zu tun. Dann fuhr ich mit meiner biestigen Haltung bei seinem
Anruf fort. „Ich war völlig vernagelt“, gestand ich, „dabei konnte ich
hier gut ohne ihn aktiv sein.“ „Das bringt mich zu Ihrem Einsatz bei den Flüchtlingen“,
meinte die Reporterin, „das gehört zwar nicht zu unserem Thema, sagt aber
etwas über ihre Hilfe für die Flüchtlinge aus.“ So berichteten wir beide über
unsere Aktivitäten, ich über die Vorbereitung auf die Ankunft der Menschen und
Fabian über seine Bemühungen um einen Deutschunterricht.
Fabian
In
Mannheim fuhr ich zum radiologischen Institut im Universitätsklinikum. In einem
ausführlichen Gespräch wollte der leitende Arzt alles Mögliche über meine
Lebensumstände, meine Ernährung und meine sportliche Tätigkeit wissen, schließlich
meinte er, Prostatakrebs sei in diesem Alter nicht ungewöhnlich und er sehe
gute Aussichten, ihn durch Bestrahlung vollständig zu beseitigen. Um die genaue
Lage der Prostata festzustellen, kam ich noch einmal in den CT, anschließend
malte man mir Linien auf den Bauch, die ich möglichst nicht abwaschen sollte.
Dagmar
Kurz
nach Fabian trafen die fünf Leute ein und machten ihre Geräte fertig, dann
filmten sie, wie er die Reine mit dem Lachs und den angedünsteten Zwiebeln füllte,
mit Weißwein aufgoss und in den Grill stellte. Während des Essens filmten sie
uns beide, dabei mussten wir mit dem Wein anstoßen. Nach dem Essen musste ich
mein Tablet in Betrieb nehmen, in den WLAN einbringen und ein E-Mail-Konto eröffnen.
„Jetzt springen wir einen Tag weiter“, sagte er zu den Fernsehleuten und ließ
mich das Free Office herunterladen, installieren und den Brief schreiben, den
die Fernsehleute aufnahmen. Darauf folgten unsere vorsichtigen
Streicheleinheiten bis zum ersten leichten Kuss, dem sehr bald die innigen
folgten, wobei er in meinen Ausschnitt griff. „Haben Sie vor dieser Begegnung
schon in einer Gemeinschaft gelebt?“, fragte die Reporterin, und als wir von
unseren nach langer glücklicher Ehe verstorbenen Partnern berichteten, fuhr sie
fort: „Konnten Sie denn problemlos nach so langer glücklicher Gemeinschaft
eine neue Verbindung eingehen?“, worauf ich antwortete: „Schon die Bibel
sagt: ‚Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei‘“, und Fabian
Angelicas Worte vor ihrem Tod hinzufügte: ‚Mach‘ dir noch ein schönes
Leben, wenn ich nicht mehr bin.‘“
„Für
den letzten Tag haben wir ein Problem“, meinte Fabian dann. „Wir haben auf
dem Sofa unsere Oberkörper entblößt, wobei ich Dagmars Schönheit mit einem
Bibelzitat bewunderte. Sie werden verstehen, dass wir uns hier nicht halbnackt
zeigen wollen, aber ich möchte das Zitat gerne bringen. Wie machen wir das?“
Die Reporterin dachte nach, dann wusste sie die Lösung: Fabians Bitte, meine Brüste
anzusehen, wurde gefilmt, dann schwenkte die Kamera auf das große farbige Bild
über dem Sofa. Fabian sprach sein Bibelzitat, danach wanderte die Kamera wieder
zu uns, wie wir uns umarmten. „Das war hervorragend“, lobte die Reporterin.
Fabian
Zu
Hause fiel mir ein, dass ich mit meinem Sohn Torsten über mein Prostataproblem
sprechen sollte. Er hatte es damals nicht gutgeheißen, dass Angelica die künstliche
Ernährung einstellen ließ, und mir meine Zustimmung übelgenommen. Doch jetzt
meinte ich, als Arzt würde ihn meine Krankheit interessieren. Als ich ihn am
Apparat hatte, fragte er gleich, wie es meiner Freundin gehe. Erstaunt fragte
ich zurück, woher er das wisse und er antwortete lachend, er spreche
gelegentlich mit seiner Schwester. So berichtete ich in kurzen Zügen über
unser Kennenlernen und Zusammenleben, die erfolgreiche Operation ihres Herzens
in Seattle und ihren Unfall jetzt in Weimar. „Das scheint dir ja ziemlich
ernst zu sein“, sagte er langsam und ich bestätigte, dass wir uns zu einer
Lebensgemeinschaft verbunden haben. Dann
konnte ich endlich über meine Prostata berichten und dass ich jetzt vier Wochen
bestrahlt werden soll. Das sei nach heutigem Wissen wohl das Richtige, meinte
er, doch er würde gerne meine Untersuchungsergebnisse sehen, ob wir uns demnächst
treffen könnten.
Dagmar
Pünktlich
um 8:30 waren wir Dienstag im Club, das Fernsehteam stand schon vor der Tür.
Als sie ihre Geräte aufgebaut hatten, kamen schon die ersten Mitglieder und
Fabian informierte sie über die Fernsehaufnahme. Um 9 Uhr sprach er ein paar
Worte über die Idee des Senioren-Computerclubs, Menschen über 50 mit der neuen
Technik vertraut zu machen, dann begrüßte er mich und wies mir einen Platz zu.
Schließlich filmte das Team einige Arbeitsplätze. Am Ende der Sitzung sagte
ich, dass ich mir auch einen Computer zulegen wolle und Fabian schlug vor, mit
mir zum Elektronikmarkt zu fahren.
Zuletzt
bauten die Fernsehleute ihre Geräte ab und verabschiedeten sich dankend. Sie
wiesen darauf hin, dass dieser Abschnitt Teil einer Sendefolge mit dem Thema
„Leben im Alter“ ist, die aus vier Abschnitten bestehen werde:
-
Wohnen im Alter,
-
Gesundheit im Alter,
-
Liebe im Alter,
-
Reisen im Alter.
Fabian
Am
Morgen bereiteten wir den Besuch aus Düsseldorf vor. Trotz des nieseligen
Dauerregens war die Familie schon kurz nach zwölf bei uns, sie begrüßten mich
stürmisch und ich stellte Dagmar und sie einander vor. Torsten ist größer als
ich mit angegrauten Haaren und einem leichten Bauchansatz, meine
Schwiegertochter Farah war schon immer eine Schönheit mit langen dunklen
Haaren, heute schick gekleidet in einem hellen Hosenanzug. Justus ist inzwischen
fast ebenso groß wie sein Vater. „Ich habe Hunger“, erklärte er und bekam
einen Verweis von seiner Mutter. „Du hast ja recht“, meinte ich lächelnd,
„kommt nur mit, das Menü wartet schon. Auspacken könnt ihr später.“ Vor
dem Essen bot Dagmar der Familie bei einem Glas Sekt das „Du“ an, dann
genossen wir das italienische Essen und dazu spritzigen sizilianischen Weißwein.
Im
Haus wollten Torsten und Farah alles über uns wissen und wir berichteten freimütig,
wie wir uns über die Computerei kennen gelernt und verliebt haben, dann kam
Dagmars Krankheit zur Sprache und die Behandlungsmöglichkeit in Seattle. Hier
wollten die beiden jede Einzelheit wissen. Ich zeigte ihnen die Webseite der
Klinik und Dagmar berichtete ausführlich über die Operation. Dann erzählten
wir von unserer vierwöchigen Reise entlang der Ostküste und dem Entschluss, ständig
zusammen zu leben, abwechselnd hier und in Weimar. Ich verschwieg nicht meine
Impotenz durch die Hormontherapie. Damit waren wir bei meiner Prostata und ich
zeigte meinem Sohn auf dem Notebook die Aufnahmen von der CD. „So wie das
aussieht, ist die punktuelle Bestrahlung wirklich die beste Therapie“, sagte
er. Als
Dagmar etwas im Haus erledigte, fragte Torsten: „Du scheinst ja mit deiner
Dagmar ganz glücklich zu sein“, und ich antwortete spontan: „Nicht nur
ganz, sondern sehr glücklich. Ich habe nie gedacht, dass ich nach Muttis Tod
noch einmal eine Frau lieben kann, aber inzwischen liebe ich Dagmar genauso sehr
wie sie.“ „Hast du ihr das mal gesagt?“, fragte meine schöne
Schwiegertochter. „Ja, natürlich, das muss sie doch wissen!“ rief ich.
„Wie ist es denn mit der Erotik?“ forschte mein Sohn mich aus und bekam
einen Verweis von seiner Frau. Doch ich hatte kein Problem, über unser
wundervolles Liebesleben zu berichten, das jetzt leider durch die Hormontherapie
ziemlich reduziert wird. „Keine Angst, das kommt wieder“, tröstete Torsten
mich, „und ich gratuliere euch. Nicht alle Menschen in eurem Alter haben noch
ein erfülltes Sexualleben.“
Dagmar
Ich
hatte den letzten Teil des Gesprächs mitgehört und freute mich über Fabians
Aussage. Mit den Worten: „Wir sind sogar für das Fernsehen interessant“,
brachte ich das Gespräch auf die Aufnahmen des MDR. „Wollt ihr wirklich eure
erotischen Geheimnisse publik machen?“, zweifelte Farah, worauf Fabian lachend
erwiderte: „Wir machen ja keinen Sexualkundeunterricht, aber wir sagen ganz
klar, dass wir viel Freude miteinander haben. Ich denke, das ist für
Gleichaltrige wichtig, die Sehnsucht danach haben, sich aber nicht trauen, weil
man ‚sowas im Alter nicht mehr tut‘, aber auch zur Aufklärung jüngerer
Generationen.“
Zur
Abendbrotzeit half Farah mir, den Tisch zu decken. Als wir in der Küche alleine
waren, sagte sie: „Du musst eine ganz besondere Persönlichkeit sein. Nach
Angelicas Tod hat sich mein Schwiegervater vollkommen in sich selbst vergraben,
war sogar für uns nicht ansprechbar. Jetzt ist er so offen und lebensfroh, wie
ich ihn seit Jahren nicht mehr erlebt habe. Wie hast du das gemacht?“ Ich
wusste keine schlüssige Antwort, konnte nur sagen, dass ich ihn über alles
liebe, doch dann erzählte ich ihr, dass ich mich acht Jahre nach Martins Tod
wieder mit jemandem eingelassen hatte und nach dieser Pleite keinen Mann mehr
sehen wollte. „Erst Fabian ist es gelungen, diese Sperre zu überwinden“,
sagte ich nachdenklich. „Ich glaube, wir beide hatten eine unbestimmte
Sehnsucht nach Liebe in uns, die unsere Panzer schlagartig aufgebrochen hat, als
wir uns begegneten.“ Da drückte sie mir einen Kuss auf die Wange.
Fabian
Dagmar
ging am Montag zur Bibliothek und ich fuhr zum radiologischen Institut im
Universitätsklinikum. Ich musste mich frei machen und auf eine Liege legen.
Dann verschwand die Schwester und ich merkte, dass sich eine Apparatur um mich
herum drehte. Nach einer Stunde war ich erlöst und fuhr nach Hause. Die
Bestrahlung hatte mich mächtig erschöpft und ich legte mich gleich hin, um
zwei Stunden zu schlafen. Das Mittagessen zu bereiten, fühlte ich mich nicht fähig
und führte Dagmar zum Italiener. Ich verzichtete auf den Wein, was ungewöhnlich
für mich war. Nachmittags las ich die Zeit und ging nach dem Abendbrot bald
schlafen.
Zwei
Wochen später schlug
Dagmar vor, nächsten Sonntag eine Flüchtlingsfamilie mit Kindern zum Essen und
Nachmittagskaffee einzuladen. Bei der Unterkunft nannte uns der Koordinator die
Familie al Rahman mit einem achtjährigen Mädchen und einem sechsjährigen
Jungen und wir vereinbarten mit ihnen, sie Sonntagvormittag abzuholen. Beide
sprachen gut Englisch, die Frau trug ein leichtes Kopftuch.
Dagmar
Heute
Nachmittag hatte der MDR unser Thema „Liebe im Alter“ im Programm und wir
waren gespannt. Wieder leitete ein Arzt die Sendung ein: Sexualität sei neben
Essen, Trinken und Schlafen die wichtigste und schönste Funktion des
menschlichen Körpers. Aus medizinischer Sicht sei Sexualität im Alter schon
lange als lebensverlängernd erkannt worden. Dabei würden Immunglobuline
produziert, wodurch die Immunabwehr verbessert wird. Der Orgasmus steigere die
Durchblutung des ganzen Körpers, jeder Sex entspreche einem Lauf von einem
Kilometer. Da jede Frau für die Begegnung das Gefühl brauche, begehrt zu
werden, müsse der Mann ihr das zeigen, wenn er sie noch liebe. Leider träten
im Alter Probleme auf, weil die Sexualität von der Natur zur Arterhaltung in
der Jugend geschaffen worden sei. Ein Problem bei Männern sei die Impotenz, die
nur in den Anfangsstadien durch blaue Pillen behoben werden könne. Äußerst
wichtig sei zwischen den Partnern eine vertrauensvolle, tabufreie Kommunikation,
dann könnten sie gemeinsam Wege zu einer befriedigenden Sexualität finden.
Auch nach dem Ende einer langen liebevollen Gemeinschaft könnten ältere
Menschen sich neu verlieben und zu einer erfüllten Sexualität finden, das
dauere allerdings etwas länger als in der Jugend.
Fabian
Der
Film zeigte zuerst den Senioren-Computerclub, wo ich über die Idee sprach,
Menschen über 50 mit der neuen Technik vertraut zu machen. Die Reporterin warf
ein, Beschäftigung mit Computern sei auch ein gutes Mittel, die geistige
Beweglichkeit aufrecht zu erhalten die in der vorigen Sendung genannt worden
sei. Ich begrüßte Dagmar und wies ihr einen Platz zu, einige Arbeitsplätze
wurden in Aktion. gezeigt. Am Ende der Sitzung sagte Dagmar, dass sie sich auch
einen Computer zulegen wolle und ich führte sie in den Elektronikmarkt. Bei mir
zu Hause ließ ich Dagmar das Free Office herunterladen, installieren und den
Brief schreiben, den der Film zeigte. Darauf folgten unsere Streicheleinheiten
bis zum innigen Kuss und meinem Eingriff in ihren Ausschnitt. Der Film schwenkte
auf das Bild, worauf ich mein Bibelzitat über ihre Schönheit sagte und das
Bild wieder zu uns wanderte. Als Nächstes zeigte der Film unser Treffen auf dem
Weimarer Bahnhof und den Weg zu Dagmars Haus. Ob wir gleich ins Bett gegangen
seien, fragte die Reporterin und der Film brachte Dagmars Antwort, wir seien
keine Tiere und meine Worte über das behutsame Erkennen, danach die Szene unter
der Bettdecke. „Ein weiterer Punkt erscheint mir noch wichtig.“, nahm ich
wieder das Wort und berichtete über meine zeitweilige Impotenz und Dagmars
liebevolle Antwort darauf. Auf die Frage, ob wir uns schon mal gestritten haben,
erläuterte Dagmar ihren Ruf nach Weimar, meine Weigerung, sie zu begleiten und
ihren Ärger. Damit war der Film zu Ende. „Wir waren wirklich nicht
schlecht“, lachte ich und küsste meine Geliebte herzlich, sie stimmte gerne
zu.
Dagmar
Nach
unserem langen Beitrag wurde ein weiteres Paar interviewt, das vor kurzem die
goldene Hochzeit gefeiert hatte, er war achtzig und sie siebenundsiebzig Jahre
alt. Glücklich berichteten die beiden, sich im Bett immer noch prächtig zu
verstehen. Allerdings klappe es nicht mehr so gut wie vor zehn Jahren, gestanden
sie, aber die innige körperliche Berührung genossen sie weiterhin fast jeden
Tag und oft könnten sie sich auch noch mit den Fingern oder der Zunge die Erfüllung
geben. Wichtig sei gewesen, dass sie diese Probleme offen besprochen hätten.
Sie habe eine indiskrete Frage, die die beiden aber nicht beantworten müssten,
meinte die Reporterin: „Sind Sie einander immer treu gewesen?“ Freimütig
antwortete die alte Dame, das gebe es wohl in keiner langen Gemeinschaft. Sie hätten
beide von anderen Früchten genascht, aber festgestellt, dass es, obwohl es
erregend war, nicht die lange glückliche Gemeinschaft ersetzen konnte. Wichtig
sei doch, dass die Liebe nicht darunter leide und dass man ehrlich zueinander
sei. Dann könne man auch Ausrutscher verzeihen.
Fabian
Sonntagvormittag
holten wir die Familie al Rahman aus der Flüchtlingsunterkunft ab. Der Vater
stellte sich als Mehmet vor, er war Mitte 40, die Mutter Alina war ca. zehn
Jahre jünger und sah mit ihren langen schwarzen Haaren meiner Schwiegertochter
ähnlich. Sie trug ein schlichtes, aber nicht billig aussehendes Kleid und
einfachen Modeschmuck. Im Haus nahm sie das Kopftuch ab. „Ich hasse dieses
Tuch“, rief sie, „aber in der Flüchtlingsunterkunft muss ich es tragen, um
nicht als ungläubig zu gelten.“ Sie schenkten uns einen kleinen Blumenstrauß
und wir hatten für die Kinder Spielsachen besorgt. Während die Kinder sich die
Geschenke vornahmen, sahen die Eltern interessiert unser Haus an. „Solch schönes
Haus hatten wir früher auch in Aleppo“, sagte Mehmet traurig. „Ich bin
Informatiker und hatte einen Betrieb für Computerdienstleistungen und zusätzlich
einen Lehrauftrag an der der Universität. Vor dem Aufstand gegen Assad ging es
uns blendend. Leider war der Aufstand in dieser Gegend besonders stark und Assad
ließ das Gebiet gnadenlos bombardieren. Obwohl wir nichts gegen ihn hatten,
wurde unser Haus zu einem Trümmerhaufen, wir kamen nur knapp mit dem Leben
davon. Zunächst kamen wir bei den Eltern meiner Frau unter, wo ich meinen
Betrieb weiterführte. Doch als die islamischen Terroristen immer näher kamen,
gaben wir die Hoffnung auf, dort noch leben zu können und flohen in die Türkei.
Aber ich will nicht jammern. Im Gegensatz zu vielen andern Flüchtlingen geht es
uns jetzt nach dem langen und gefährlichen Weg durch die Türkei, Griechenland
und den Balkan ganz gut.“ „Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich jetzt
erst mal ums Essen kümmern“, unterbrach ich die Erzählung. „Ich möchte
etwas Syrisches zubereiten und habe an Maqclube mit Lamm, gedacht, wofür ich
nach dem Kochbuch alles besorgt habe.“ „Das ist sehr nett“, nahm Frau
Alina das Wort, „aber Kochen ist bei uns Frauensache. Wenn Sie mich in Ihrer Küche
einweisen, würde ich gerne das Essen für uns alle bereiten.“ Sie schaute die
Einkäufe kritisch an und war zufrieden.
Dagmar
„Ich
habe eine Frage zu unserer Stellung in Ihrem Land“, meldete Frau Alina sich
nach dem Essen. „Wir sind ja Gäste in Ihrem Land, würden aber gerne
vollwertige Bürger werden. Welche Voraussetzungen erwarten Sie von uns dafür?“
Ich antwortete: „Es gibt wenige Bedingungen, deren Einhaltung wir aber für
unbedingt wichtig halten, sie stehen schon unveränderbar in unserer Verfassung,
vor allem sind es:
-
das
bedingungsloses Anerkennen aller Gesetze,
-
die
unbedingte Achtung vor Frauen und ihrer Gleichberechtigung,
-
der
Wille, sich durch Arbeit selbst zu ernähren.
Wir
wissen beide, dass der letzte Punkt im Augenblick für Sie noch nicht möglich
ist, aber die beiden ersten sind Grundlagen unseres Lebens als Staatsbürger und
wir sehen sie als Ausschlusskriterien an. Solange diese Bedingungen erfüllt
werden, ist es für uns selbstverständlich, Ihre religiösen Gewohnheiten zu
achten. Wer nicht bereit ist, die Bedingungen einzuhalten, kann in unserer
Gesellschaft kein Bleiberecht haben.“ „Das klingt hart, aber verständlich“,
erwiderte Frau Alina schnell, „letztlich sind das auch in unserem Land die
Regeln eines friedlichen Zusammenlebens, wobei leider viele Männer die Frauen
noch als minderwertige Geschöpfe ansehen. Aber vielen Dank für die klaren
Aussagen, wir wollen uns auf jeden Fall daran halten.“
Danach
überlegte ich, wenn sie außer dem Deutschkurs nichts zu tun haben, können wir
sie doch bei uns arbeiten lassen. Ich schaute Fabian an und sah erfreut, dass er
dasselbe dachte. „Wenn Sie wollen, können Sie zu uns kommen und mit unseren
Geräten arbeiten“, schlug er vor. Ich hatte den Eindruck, dass Mehmet ihm um
den Hals fallen wollte, für einen Moment lief ein Strahlen über sein Gesicht,
doch dann antwortete er traurig, diesen Service könnten sie nicht annehmen,
weil sie damit tief in unserer Schuld stehen würden. Doch Fabian hatte die
Idee, ihn um einen Dienst zu bitten. „Wissen Sie etwas über das neue Windows
10?“, fragte er und Herr Mehmet antwortete, er habe lediglich gehört, dass es
das gebe. Da bat Fabian ihn, uns bei der Umstellung unserer Rechner darauf zu
helfen. Der Upgrade von Windows 8.1 werde zwar von Microsoft kostenfrei
angeboten, aber wir hätten keine Erfahrung damit. „Wenn Sie das mit uns
zusammen machen, wäre es eine große Hilfe, denn vier Augen sehen mehr als
zwei.“ Der Mann stimmte zu und fragte, wann er kommen solle. „Dienstag habe
ich bis 10 Uhr in der Stadt zu tun“, meinte Fabian, „meine Frau holt Sie um
diese Zeit ab und wir fangen an, dann essen wir zusammen Mittag und sind vor dem
Abend fertig. Ihre Gattin und die Kinder können Sie gerne mitbringen.“ Das würden
sie bestimmt wahrnehmen, sagte er.
Fabian
Während
wir am Dienstag das Windows 10 installierten, bat Frau Alina unvermittelt um
Entschuldigung, aber sie würde gerne wissen, in welchem Verhältnis wir
zueinander ständen. „Ich glaube, Sie sind nicht verheiratet, leben aber
zusammen. Gegenüber der Freiheit, die wir beim Alkohol genannt haben, ist das
in unserem Land kaum möglich, weil die Frau dann nichts gilt.“ Dagmar
antwortete: „In Deutschland sieht man das sehr liberal, sogar unser Bundespräsident
kann hier und international seine Termine mit einer Lebensgefährtin wahrnehmen,
während seine Ehefrau in seiner alten Heimat ohne ihn lebt. Und wir hatten
beide lange glückliche Ehen uns, die mit dem Tode des Partners endeten, und
stellten dann erfreut fest, dass man sich in unserem Alter noch mit allen
Facetten neu verlieben kann, also Seele, Geist und auch der Körper. Über eine
Hochzeit haben wir schon mit Fabians Sohn nachgedacht. Aber wir hatten so viel
um die Ohren, dass wir gar nicht dazu gekommen sind.
Am
nächsten Morgen fuhren wir gemeinsam zu meiner letzten Bestrahlung und heute
dauerte es im Klinikum länger, denn ich wurde abschließend untersucht. Beim
Abschlussgespräch ließ Dagmar es sich nicht nehmen, dabei zu sein. Der Knoten
in der Prostata sei vollkommen verschwunden, beglückwünschte mich der Arzt,
ich müsse mich aber vierteljährlich vom Urologen untersuchen lassen. Ich
fragte, ob ich noch weiter die Hormonpillen nehme müsse. Verständnisvoll
grinsend verneinte er die Frage mit den Worten, ein wenig Testosteron könne mir
jetzt ganz gut tun.
Dagmar
Heute
am Sonntag hatten wir nichts Besonderes vor, wie immer kuschelten wir vor dem
Aufstehen im Bett und streichelten uns zärtlich am ganzen Körper. Plötzlich fühlte
ich etwas Hartes an meinem Bauch und sagte erstaunt: „Na, hallo.“ Fabian
hatte noch gar nichts bemerkt und rief nun auch: „Na, sowas!“, da waren wir
schon zusammen. Nach langem schönen Spiel flüsterte mein Geliebter: „Es war
so genauso schön, wie früher, das muss gefeiert werden.“ Er stand auf und
holte eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern. Dass er beim Einschenken zu großzügig
war und ein Teil aufs Bett floss, störte uns nicht im Geringsten, wir hatten
unsere ganz besondere Liebe wieder gefunden. Nachdem wir die Flasche leer
getrunken hatten, meinte mein Geliebter lachend: „Lass‘ es uns gleich noch
mal versuchen“, und es klappte wirklich wieder. Wir hatten die Zeit seit
Fabians Hormontherapie ja mit viel Zärtlichkeit einigermaßen überbrückt,
aber jetzt waren wir so glücklich, dass wir erst zum Mittag aufstanden und beim
Italiener essen gingen.
Zu
Hause sprach ich Frau Alinas Frage an, warum wir nicht heiraten: „Wir sollten
irgendwann mal über die Ehe nachdenken. Alina hat uns deutlich dazu geraten und
deine Schwiegertochter hat dasselbe gesagt. Jetzt haben wir Ruhe, da können wir
vielleicht die Gründe sortieren, die dafür und dagegen sprechen.“ Mein
Geliebter dachte lange nach, ich sah deutlich, wie es in seinem Kopf arbeitete.
Schließlich antwortete er: „Nach Angelicas Tod hatte ich mir vorgenommen, nie
wieder zu heiraten, denn ich konnte mir nicht vorstellen, noch einmal solch eine
liebevolle Gemeinschaft zu finden, ich hielt sie für ein einmaliges Wunder.
Doch du wirst dich erinnern, dass ich dir nach einer Weile gesagt habe, ‚Ich
liebe dich genauso, wie ich Angelica geliebt habe.‘ Da hat sich der Vorsatz,
nie wieder zu heiraten, in Rauch aufgelöst und wir müssen kein Für und Wider
mehr prüfen. Wir kennen uns ja schon fast ein halbes Jahr. Also frage ich dich
jetzt ernsthaft: ‚Willst du meine Frau werden?‘“ Bei diesen Worten fiel er
vor mir auf die Knie. Ich musste herzlich lachen zog ihn zu mir hoch, umarmte
und küsste ihn, dann rief ich laut: „Ja, das will ich!“
Fabian
„Na,
dann ist ja alles klar“, freute ich mich, „da müssen wir nur noch einen
Termin wählen, an dem unsere Verwandtschaft kann, wir sollten gleich damit
anfangen. Am besten ist es wohl In der Weihnachtszeit, das sind noch sechs
Wochen.“ Nach einem Blick auf den Kalender fuhr ich fort: „In der
Weihnachts- und Silvesterwoche kämen jeweils Montag bis Mittwoch in Frage.
Rufst du deine Tochter an, da ist es jetzt morgens, indes spreche ich mit
Torsten. Vor allem brauchen wir einen Termin beim Standesamt, und wenn wir
kirchlich heiraten wollen, auch beim Pastor. Dafür müssen wir entscheiden, ob
wir uns hier oder in Weimar oder ganz woanders das Jawort geben wollen.
„Puh“, rief meine Braut, „wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den
Vorschlag nicht gemacht!“ „Zu spät!“, lachte ich, „Alea jacta sunt,
lass‘ uns telefonieren.“ Jetzt war noch die Frage offen, wo wir heiraten
wollten. Weil ich Weimar dafür viel schöner fand als Mannheim, schlug ich es
Dagmar vor und sie nahm es dankbar an. „Ich hätte gern auch eine kirchliche
Trauung“, meinte sie. „Dann müssen wir morgen die Termine telefonisch
festlegen“, erwiderte ich, „aber sicherlich müssen wir uns auch persönlich
vorstellen.
Dagmar
Mittwoch
holte Fabian die Ringe ab und hatte Zeit, für uns einen Coq au vin zu kochen,
den ich wieder sehr genoss. Am späten Nachmittag kam Margitta und wollte von
Fabian endlich den Grund für die Einladung wissen, doch er hielt dicht, bis ich
aus der Bibliothek kam. Er erhob sich, öffnete eine Flasche Champagner und
sagte feierlich zu mir: „Meine liebe Dagmar, hiermit erkläre ich feierlich
vor einer Zeugin, dass ich dich zu meiner Frau nehmen will“, dann steckte er
mir den Ring an den linken Ringfinger. Ich tat dasselbe mit dem anderen Ring bei
ihm und wir küssten uns herzlich, bis Margitta uns auseinander zog, um uns zu
gratulieren. Sie küsste erst mich und dann auch Fabian leicht auf den Mund.
„Wo du mein Schwager wirst, darf ich das“, lachte sie und ich nahm es ihr
nicht übel. Beim festlichen Abendessen berichteten wir, wie wir uns auf den Rat
sowohl von Fabians Familie als auch unserer syrischen Freunde zur Heirat
entschlossen und den Termin auf die Vorweihnachtswoche festgelegt hatten. Dazu
luden wir meine Schwester nach Weimar ein. Noch lange saßen wir beieinander und
ich dankte Margitta herzlich, dass sie mich damals zum Computerclub mitgenommen
und damit den Grundstein für unsere Liebe gelegt hatte. Bevor wir schlafen
gingen, packten wir unsere Sachen für die morgige Reise nach Weimar.